Völlig überraschend ist eine brisante Strafanzeige, die gegen den palästinensischen islamischen Prediger Adnan Ibrahim bei der Staatsanwaltschaft Wien eingereicht wurde. Scheich Ibrahim von der Wiener Al-Schura-Moschee galt bisher als gemäßigt. Er sei der "Star-Prediger von Wien", meinte Omar Al Rawi, Integrationsbeauftragter der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGiÖ) und SPÖ-Abgeordneter.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
In einer anonymen Anzeige wird Ibrahim nun "Terrorismus und Aufruf zum bewaffneten Aufruhr gegen staatliche Institutionen" vorgeworfen. Anhaltspunkt sind zwei Fatwas mit Ibrahims Namen im Internet. Die IGGiÖ bekräftigte erneuet, Ibrahim sei wegen seiner liberalen Haltung bekannt. Dass beide Fatwas von ihm stammen, wird aber bis jetzt nicht bestritten.
In der ersten Fatwa heißt es: "Die Gelehrten raten von der Ehe mit einer Frau, die in einem Land des Krieges lebt, ab." Als solche gelten "Länder, in denen Moslems keine Macht haben", also alle "nicht-islamischen Länder". Es ist "einem Muslim nicht erlaubt, in westlichen Ländern eine Christin zu ehelichen", außer er werde gezwungen. Dann muss er "alle Maßnahmen ergreifen, um eine Schwangerschaft zu verhindern. Durch eine solche Ehe kommt fremdes Blut in unsere Nachkommen und das ist ein soziales Verbrechen."
Wer sich freiwillig für eine nicht-muslimische Frau entscheidet "vergiftet die Religion seiner Nachkommen" und wird zur "Schande für seine Vorfahren von Eroberern, die solche Frauen als Kriegsgefangene angesehen haben und sie an die zweite oder dritte Stelle nach der Ehefrau gereiht haben."
Laut Ibrahim ist die Fatwa zehn Jahre alt, er habe seine Meinung geändert. Faktum ist: Sie befindet sich auf seiner Homepage.
Die zweite Fatwa gibt eine Predigt vom 4. August 2006 wieder. Ibrahim spricht von den "Siegen, die die Leute Allahs, die Helden der Hisbollah und Hamas, erringen" und vom "Verrat arabischer Führer". "Die Völker islamischer und arabischer Nationen sollen auf die Straße gehen, um die Herrscher zu stürzen. Jeder, der in diesem Aufstand getötet wird, wird als großer Märtyrer angesehen." Aufgrund dieser Fatwa würden "viele Köpfe von Zivilisten rollen", aber dieser Preis müsse zur Rettung der islamischen Nation gezahlt werden.
Am 5. August demonstrierten 8000 Muslime und Menschenrechtsaktivisten bei der US-Botschaft in Wien. Sie forderten den Sturz arabischer Regime und bekundeten ihre Unterstützung für Hamas und Hisbollah.
Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, könnte der Tatbestand der Verhetzung vorliegen. Brisanter ist die Rolle der IGGiÖ. Ibrahim bildet nämlich als Dozent der Religionspädagogischen Akademie künftige islamische Religionslehrer aus. Mit solchen Ansichten ist er dafür sicher ungeeignet.
Österreich ist Europas einziges Land mit einer offiziellen Vertretung aller Muslime. Das gilt vorbildlich. Eines muss aber klar sein: Eine offizielle Vertretung muss verlässlich sein und eine positive Einstellung zum modernen Staat und zur hiesigen Gesellschaft vertreten.