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Hat Bush seine Nation getäuscht?

Von Daniel Jahn

Politik

Nachdem die amerikanische Regierung eingestanden hat, sich zur Rechtfertigung des Irak-Kriegs auf fragwürdige Geheimdienstberichte gestützt zu haben, gehen die Demokraten in die Offensive. Sie beschuldigen Präsident George W. Bush der Täuschung und fordern eine Untersuchung über die Nutzung der Geheimdienstinformationen.


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Noch steht George W. Bush nicht so massiv unter Druck wie sein britischer Kriegspartner Tony Blair. Doch auch das Glaubwürdigkeitsproblem des US-Präsidenten wächst. Seit das Weiße Haus zu Wochenbeginn eingestehen musste, dass sich Bush zur Rechtfertigung des Krieges gegen den Irak auf fragwürdige Geheimdienstberichte gestützt hatte, verstärken die oppositionellen Demokraten ihre Angriffe auf den Präsidenten. Sie fordern eine groß angelegte Untersuchung der Vorgänge durch den Kongress.

Die Rede, die der US-Präsident alljährlich im Jänner zur "Lage der Nation" hält, ist nicht irgendeine Ansprache. In ihr beschreibt er seine Prioritäten für das neue Jahr, und deswegen wird der Text von einer Schar von Beratern über Wochen akribisch vorbereitet. Seine Ansprache am 29. Jänner nutzte Bush zur Rechtfertigung des damals offenbar schon beschlossenen Krieges gegen Irak. Und dabei sagte er den Satz, der ihm heute so viel Ärger beschert: "Die britische Regierung hat erfahren, dass Saddam Hussein kürzlich versucht hat, bedeutende Mengen Uran in Afrika zu erwerben."

Mit dieser Aussage wollte Bush das vermeintliche Bemühen des irakischen Machthabers um atomare Waffen belegen. Zwei Monate nach Kriegsende sowie vergeblicher US-Suche nach einem atomaren Rüstungsprogramm und sonstigen Massenvernichtungswaffen folgt nun das kleinlaute Eingeständnis des Weißen Hauses, dass die Uran-Story substanzlos war. Diese Aussage hätte "aus Mangel an Genauigkeit" nicht in die Ansprache gehört, musste der zuständige Sprecher des Weißen Hauses, Michael Anton, zugeben.

Die Empörung unter den Demokraten ist groß. Ihr Parteivorsitzender Terry McAuliffe glaubt weniger an eine Panne als an Vorsatz: Es könnte das erste Mal in der Geschichte der USA sein, dass ein Präsident "das amerikanische Volk in seiner Rede zur Lage der Nation wissentlich täuscht". Senator Bob Graham aus Florida, der sich um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten bewirbt, fragte: "Mr. President, was verbergen Sie uns noch?"

Tatsächlich wirft die Erklärung des Weißen Hauses mehr Fragen auf als sie beantwortet. Unklar bleibt etwa, warum sich Bush auf britische Berichte berief. Nach Informationen in der US-Presse stützten sich nämlich die britischen Geheimdienstberichte über die vermeintliche irakische Uran-Suche in Afrika ihrerseits teilweise auf Angaben des US-Geheimdienstes CIA.

Mit seinem Eingeständnis reagierte der Präsident aber nicht nur auf den britischen Irak-Untersuchungsausschuss, der Premierminister Blair am Montag wegen der Uran-Story gerügt hatte. Alarmiert wurde das Weiße Haus auch durch einen Beitrag des früheren US-Botschafters Joseph Wilson in der "New York Times". Wilson war im Auftrag des CIA nach Niger gereist, um dort dem vermeintlichen irakischen Uran-Kauf nachzugehen. Er entwickelte nach eigenen Angaben starke Zweifel an der Geschichte und informierte darüber bereits im März 2002 seine Auftraggeber. Nun erhebt Wilson den Vorwurf, dass Geheimdienstinformationen "verdreht" worden seien, "um die irakische Bedrohung zu übertreiben".

Das Weiße Haus betont zwar, dass sich Bushs Aussage nicht allein auf Niger bezogen habe. Laut Presseberichten führt die US-Regierung an, dass ein US-Geheimdienstbericht vom September auch Kongo und Somalia als Staaten benannt habe, in denen sich Saddam Hussein angeblich um Uran bemüht habe. Alle diese Berichte zur angeblichen irakischen Uran-Suche in Afrika seien jedoch "nicht detailliert oder spezifisch genug" gewesen, gab Sprecher Anton zu.

Noch ist unklar, ob sich die Enthüllungen für Bush zu einem regelrechten "Irak-Gate" auswachsen. Nach einer neuen Umfrage meinen immer noch zwei Drittel der US-Bürger, dass der Krieg legitim war. Die Demokraten wollen Bush nun nicht vom Haken lassen und fordern nun eine "volle Untersuchung aller Fakten".