Die Doppelmoral der Sanktionspolitik.
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Die Flüchtlingskrise und die EU-Sanktionspolitik gegen Russland machen vor allem die Schwächen der Staatengemeinschaft deutlich. Immer wieder werden Uneinigkeit und mangelnde Solidarität zwischen den EU-Mitgliedsstaaten als Hauptursachen für ein Verharren im Krisenmodus gesehen. Doch das ist wohl eine zu vereinfachende Erklärung.
Zwei wesentliche Leitgedanken, die zu mehr Prosperität und Anerkennung innerhalb der Bevölkerung führen würden, müssten längst auf der Agenda von Regierungschefs und Entscheidungsträgern stehen: Nachhaltigkeit und Geradlinigkeit.
Jede politische Entscheidung, die trotz demokratischer EU-Wahlen letztendlich in Brüssel gefällt wird, müsste anhand dieser Prinzipien abgewogen werden. Dies ist besonders in den internationalen Beziehungen unerlässlich, um in einer multipolaren Welt ernstgenommen zu werden.
Dass eine Politik der offenen Grenzen in einem Europa, in dem schon seit geraumer Zeit Jugendarbeitslosigkeit und Integration ein Problem geworden sind, nicht auf dem Gedanken der Nachhaltigkeit basiert, sollte inzwischen selbst Entscheidungsträgern in Deutschland einleuchten. Auch die Ausbeutung junger nichteuropäischer Arbeitskräfte, die sich hier mit Billiglohnjobs über Wasser halten könnten, wird nicht unbedingt die soziale Kluft verringern. Positive Wachstumszahlen mögen kurzfristig zwar schön aussehen, der Preis dafür ist auf Dauer jedoch hoch.
Nicht anders verhält es sich mit der Nachhaltigkeit in der Frage der Sanktionspolitik. Die USA haben ihre Sanktionen gegen Russland ausgedehnt, und diese könnten in Zukunft auch österreichische Unternehmen wie die OMV treffen. Völkerrechtlich ist diese Gegenmaßnahme, die vom Kongress und vom Senat beschlossen wurde, bedenklich, da sie de iure "Rechte dritter Staaten nicht beeinträchtigen" darf. Die OMV will vorerst abwarten und das Geschäft in ihrer vierten Kernregion Russland weiter ausbauen. Verluste gibt es laut Pressesprecher Robert Lechner bisher nicht. Für die Zivilbevölkerung und kleine Unternehmen sieht die Sache wohl anders aus. Russlands Premier Dimitri Medwedew spricht jetzt sogar von einem "Handelskrieg" zwischen dem Westen und Russland.
Einmal abgesehen vom politischen Nutzen einer rigiden Sanktionspolitik (man denke nur an Nordkorea) drängt sich die Frage der Geradlinigkeit auf: Wie lässt es sich nämlich rechtfertigen, dass man gegen Russland und die syrische Regierung von Bashar al-Assad Sanktionen verhängt, während Saudi-Arabien und radikale Terroristen weiterhin großzügig mit Waffen aus dem Westen beliefert und aufgerüstet werden?
Erst neulich hat die ehemalige UNO-Chefanklägerin Carla Del Ponte, die sich aus der UNO-Kommission für Syrien zurückziehen wird, diese Missstände im Umgang mit der "Opposition" in Syrien zugegeben. Saudi-Arabien bombardiert weiterhin das südliche Nachbarland Jemen. Konsequenzen hat der Erdöl-Staat nicht zu befürchten. Die höchste Instanz der Moral ist nämlich in einem Europa, das die Welt gerechter machen möchte, scheinbar nur die Doppelmoral.