Statistiker Morten Huse über die Auswirkungen der Frauenquote für Aufsichtsräte norwegischer Firmen.
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Oslo. Die norwegische Geschäftswelt war geschockt, als Handels- und Industrieminister Ansgar Gabrielsen 2002 ankündigte, es werde künftig ein Gesetz geben, das Firmen eine 40-Prozent-Frauenquote in ihren Aufsichtsräten vorschreibt. Bis 2008 war Zeit, diese Vorgabe zu erfüllen. Der norwegische Statistiker Morten Huse beschäftigte sich damit, wie diese gesetzliche Veränderung sich auf die Aufsichtsräte auswirkte und wo deren Grenzen liegen.
"Wiener Zeitung": Als die norwegische Regierung 2002 ankündigte, eine Frauenquote für Firmenaufsichtsräte einführen zu wollen schrie die Geschäftswelt auf. Man fürchtete eine Abwanderung der Investoren und einen Zusammenbruch der norwegischen Wirtschaft. Warum ist damals eine solche Panik ausgebrochen?
Morten Huse: Man diskutierte darüber, ob sich genug kompetente Frauen für diese Positionen finden lassen würden. Aber eigentlich ging es darum, dass die Aktionäre sich in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt fühlten. Die Aktienpreise fielen sofort nach der Ankündigung, aber sie erholten sich wieder. Die Börse mag eben keine Regulierungen. Es ist eher eine ideologische und emotionale Frage. Man fühlte sich bevormundet. Man dachte, dass das einen wirtschaftlichen Kollaps hervorrufen würde. Aber wir haben seit Einführung der Quote überhaupt keinen Unterschied gesehen. Die norwegische Wirtschaft ist gesund und munter.
Hat die Quote Frauen in Norwegen mehr Selbstbewusstsein gegeben, sich auch für diese Aufsichtsratpositionen zu bewerben?
Ich bin nicht davon überzeugt, dass Frauen dabei bisher weniger Kampfgeist gezeigt haben als Männer. Ich kann mit der Idee, dass Frauen weich, rücksichtsvoll und nett sind, während Männer hart und konkurrenzorientiert sein sollen, nichts anfangen. Frauen, die sich für solche Jobs interessieren, sind üblicherweise extrem taff und ehrgeizig.
Norwegen wird wegen der Frauenquote oft als Vorbild für Europa verkauft, jedoch hat sich auf Exekutivebene nicht viel getan. An den Unternehmensspitzen stehen nach wie vor nicht mehr Frauen...
Man muss sich ansehen, was das Ziel der Frauenquote war. Es ging nie darum, die Zahl der Frauen in Top-Jobs zu erhöhen, sondern die Zahl der Frauen, die in Aufsichtsräten sitzen, weil das gut für die Aufsichtsräte ist. Im Zentrum der Debatte steht nicht mehr, was gut für Frauen ist, sondern was das Beste für die Gesellschaft und die Wirtschaft. Es ist wichtig zu sagen, dass dieses Gesetz das Resultat gemeinsamer Bemühungen des Gleichberechtigungsministeriums und des Handelsministeriums ist. Das Gesetz sollte die Situation der Betriebe und ihre Wirtschaftsleistung positiv beeinflussen.
Hatten Sie mehr erwartet?
Ich persönlich dachte, dass das Gesetz mehr Auswirkungen auf die Geschlechterverteilung in Top-Jobs haben würde, aber vielleicht war ich einfach zu optimistisch. Ich dachte, dass, wenn die Quote kommt, Frauen in Aufsichtsräten sichtbarer werden. Ich habe geglaubt, dass Frauen, die in Aufsichtsräten einen guten Job erledigen, später für andere einflussreiche Positionen rekrutiert werden. Diesen Effekt haben wir aber nicht gesehen. Und wir müssen herausfinden warum. Natürlich gibt es auch einen Zeitaspekt. Vielleicht ist es einfach noch zu früh, um die Effekte zu sehen.
Es wird oft gesagt, dass dieses Gesetz auch positive Auswirkungen auf andere Strukturen, wie etwa Kindergartenplätze haben wird oder dass es zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben führen wird...
Man hört schon manchmal solche Geschichten. Individuelle Anekdoten hauptsächlich. Aber Frauen, die in solche Positionen gelangen, sind genauso privilegiert wie ihre männlichen Gegenüber. Sie haben ein Kindermädchen und brauchen überhaupt keine Kindergartenplätze. Ich glaube nicht, dass es in diesem Bereich Veränderungen gegeben hat. Viele Frauen, die ich zu ihrer Tätigkeit in Aufsichtsräten interviewt habe, fanden, dass gerade Aufsichtsräte der ideale Ort für Frauen sind, um Karriere zu machen, weil man die Möglichkeit hat, besser im Voraus zu planen.
In Norwegen hat sich nach Einführung der Quote ein interessantes Problem entwickelt. Sehr wenige Frauen, die sogenannten Goldröcke, hatten plötzlich sehr viele Aufsichtsratpositionen inne...
Am Anfang war dieser Effekt ganz natürlich, denn ein Hauptkriterium für die Bewerbung um solche Aufsichtsratsposten war, dass man bereits über Erfahrung in einer ähnlichen Position verfügen sollte. Das war eine Anfangsschwierigkeit des neuen Gesetzes. Die Goldröcke werden bereits deutlich weniger und die Aufsichtsratposten teilen sich auf mehr Frauen auf als zu Beginn.
Als "Goldröcke" bezeichnet man in Norwegen Frauen, die mehrere Firmen-Aufsichtsratssitze gleichzeitig innehaben. Sie gelten als eine Nebenwirkung der 2002 eingeführten Frauenquote. Zu den bekanntesten Goldröcken zählt etwa die frühere Unternehmensrecht-Professorin Mimi Berdal. Nach Einführung des Gesetzes bemühten sich über 500 Firmen um sie. Die 52-Jährige hielt bereits 90 Aufsichtsratsitze gleichzeitig. Heute sind es immerhin noch etwa neun. Sie gilt als eine Kritikerin der bindenden Frauenquote. Ihrer Meinung nach wäre es für die Firmen besser gewesen, die Quote hätte sich auf natürlichem Wege entwickelt.