Der ehemalige ÖVP-Chef in Kärnten, Reinhold Lexer, über die Wurzeln des Hypo-Desasters.
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Wien. Die Haftungen, die das Land Kärnten für die Kärntner Hypo Alpe Adria Ende der 90er Jahre übernommen hat, sind das Grundübel im Milliarden-Debakel. Erst durch sie hat die Kärntner Politik alle Steuerzahler in ganz Österreich in Geißelhaft genommen. Als Reinhold Lexer die Haftungen 2000 beenden wollte, war ihm noch nicht klar, welchen Schaden sie anrichten würden.
"Wiener Zeitung": Von wann bis wann waren Sie Obmann der Kärntner ÖVP?
Reinhold Lexer: Von September 1999 bis September 2000.
Welche Rolle spielte die Hypo da?
Die Bank war ein Schlüsselerlebnis. Als ich den ersten Budgetentwurf des Landes Kärnten vorgelegt bekam, waren dort 15 Millionen Schilling Provisionen ausgewiesen, die das Land von der Hypo Alpe Adria für die Haftung bekam. Mir war sofort klar, dass die Höhe der Provision in keiner Relation zum übernommenen Risiko stand. Wenn ich schon als Land hafte, dann will ich wissen, wofür. Außerdem sollten Haftungen, wenn man sie überhaupt eingeht, für sinnvolle Projekte, zum Beispiel für ein Familienskigebiet verwendet werden - und nicht einseitig bei einer Bank. Zudem sah ich nicht ein, dass nicht auch die Kärntner Sparkasse oder Raiffeisen von Haftungen profitieren sollte, wenn das Projekt regionalpolitisch wichtig ist. Da ging es um Chancengleichheit. Warum sollte nur die Hypo durch die Haftungen und das sich daraus ergebende Triple-A-Rating profitieren und billigere Finanzierungen anbieten können?
Außerdem kam mir die Bank Burgenland in den Sinn und was alles durch ein Triple-A-Rating passieren konnte. (Die Bank geriet Anfang 2000 in Schieflage,Anm.) Dass der Schaden in Kärnten das bei Weitem übertreffen würde, habe ich nicht geahnt.
Wissen Sie, wie hoch die Haftungen damals waren, die Kärnten für die Hypo übernommen hatte?
Nein, das wurde nie kommuniziert. Es hat nie eine konkrete Antwort darauf gegeben. Und wenn ich keine Antwort bekomme, dann stimme ich nicht zu.
Wie haben Sie dann reagiert?
Wir haben die Aussetzung der Haftungen im Präsidium der ÖVP Kärnten beschlossen und in einer Pressekonferenz thematisiert.
Wie waren die Reaktionen?
Am nächsten Tag um 7.30 Uhr hat mich der damalige Hypo-Chef Wolfgang Kulterer angerufen und gemeint, ich zerstöre sein Lebenswerk und solle damit aufhören. Um 11.30 Uhr rief mich der Chef von Kika/Leiner, Herbert Koch, an, der damals Hypo-Aufsichtsratspräsident war. Der meinte, ich solle das lassen, die Haftung sei wichtig für die Bank. Ich habe ihm gesagt, wenn Mitglieder der Kärntner Landesregierung bei Podiumsdiskussionen Kredite vergeben und bei jedem Projekt, das vorgeschlagen wird, sagen: Das macht die Hypo, das macht die Hypo, dann ist das wohl auch für unseren Eigentümervertreter nicht ohne Bedeutung.
(FPÖ-Klubobmann Martin Strutz protestierte damals so gegen die ÖVP: Das Land müsse sich als Mehrheitseigentümer der Bank "bedienen", um wirtschaftliche Impulse setzen zu können, Anm.)
Hat die ÖVP Kärnten im Landtag dann den Antrag auf Aussetzung der Haftungen gestellt?
Nein, die Pressekonferenz war Anfang Sommer. Und im September war ich schon weg.
Wie wurden Sie abmontiert?
An meinem Geburtstag im September wurde ich ohne Angabe von Gründen des Amtes enthoben. Doch der Vorstand konnte mich eigentlich gar nicht entheben, da das Aufgabe eines Parteitages gewesen wäre. Aber dazu kam es nicht mehr. Die Rechtswidrigkeit der Enthebung wurde mir später von einem Gericht bestätigt.
Denken Sie, Ihre Haltung in Bezug auf die Hypo-Haftungen war der Grund für Ihren Hinauswurf?
Ich bin mir schon bewusst, dass ich die Parteifunktionäre etwas überfordert habe. Ich war vielleicht zu ungeduldig und habe auch unbeliebte Dinge gefordert, wie eine billigere Alternative zum Koralmtunnel über Marburg.
Wenn man politisch gesagt hätte, man will einen anderen Kurs und man ist mit meiner Arbeit unzufrieden, hätte man das auf einem Parteitag thematisieren können. Aber die Art und Weise und die Eile kann man schon in Zusammenhang mit dem Thema Landeshaftungen sehen.
Welche Rolle spielte der damalige ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel?
Ich rief ihn an und ersuchte ihn, dass wir gemeinsam einen außerordentlichen Parteitag vorbereiten. Aber er hat mich nicht mehr unterstützt und mich auflaufen lassen. Ich war dann schon enthoben und der Parteitag lief ohne mich ab.
Wie dominant war die Hypo damals in Kärnten?
Die meisten Projekte wurden automatisch der Hypo zugeordnet. Da war von 15-prozentigen Wachstumsraten die Rede. Andere Banken spielten keine wichtige Rolle. Als Wohnbaudarlehen verkauft wurden, habe ich alle Bankdirektoren eingeladen, damit das Kontingent fair aufgeteilt werden konnte, doch es kam nur die Hypo zum Zug.
Warum begehrten später weder SPÖ noch ÖVP gegen Haiders und Kulterers Großmannsucht auf?
Wenn die eine Partei ein Projekt von Jörg Haider ablehnte, konnte man gar nicht so schnell schauen und die andere stimmte zu - und umgekehrt. Haider wusste, wo die Parteien der Schuh drückt. Eine Schnellstraße für den roten Bürgermeister hier, eine Eishalle für den schwarzen Bürgermeister dort - Haider konnte die anderen perfekt ausspielen.
Ich wollte auch mit der SPÖ zusammenarbeiten. Wir hatten ja die Mehrheit im Landtag und hätten alles verhindern können. Deswegen ist die Schuld nicht einseitig bei Haider zu suchen. SPÖ und ÖVP waren insgesamt zu schwach und zu zerstritten.
Auch die Haftungen hätten Rot und Schwarz verhindern können?
Natürlich. Aber bei künftigen Sitzungen haben sie weder ÖVP oder SPÖ thematisiert. Deswegen noch einmal: Wenn sich jetzt alle aufspielen und sagen, der böse Haider war an allem schuld: Ja, die Hauptschuld liegt bei ihm und der FPÖ. Aber SPÖ und ÖVP können nicht sagen, sie wären nicht ausreichend informiert und gewarnt gewesen.
Wenn jemand es wissen wollte, hat er es gewusst. Es wäre vieles nicht so drastisch verlaufen, wäre man damals auf die Bremse gestiegen.
Zur Person
Reinhold Lexer (56) war zwischen 1980 und 1984 Landesobmann der Jungen ÖVP, von 1986 bis 1989 Landtagsabgeordneter, zwischen 1999 und 2000 Landesparteiobmann der ÖVP Kärnten und von Oktober 1999 bis Dezember 2002 Abgeordneter zum Nationalrat. Nach parteiinternen Querelen setzte ihn der Kärntner Parteivorstand im Jahr 2000 ab. Nachdem die ÖVP-Kärnten ein Parteiausschlussverfahren gegen Lexer angestrengt hatte, wurde der Streit Ende 2000 beigelegt und Lexer zum ÖVP-Sportsprecher im Parlament ernannt. Eine neuerliche Kandidatur für den Kärntner Landtag bei der Landeswahl 2009 scheiterte am Widerstand des Ex-ÖVP-Landeschefs Josef Martinz. Lexer ist Geschäftsführer von Lexer Immobilien.