"Will mich in der Krise auf die Bahn konzentrieren." | Privatisierung des Güterverkehrs: Staat müsste Finanzlücke schließen. | "Wiener Zeitung": Warum sind Sie in der neuen Regierung nicht Sozialminister geworden?
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Wilhelm Haberzettl: Das ist leicht zu beantworten. Ich habe schon vorher gewusst, dass ich nicht weiter in die Politik hineingehe. Das war immer klar. Im Zuge der Regierungsbildung ist es noch klarer geworden.
Was meinen Sie damit?
Die Wirtschaftskrise wird an den ÖBB nicht spurlos vorübergehen. Außerdem hätten mir die Eisenbahner das nie verziehen. Und schon bald wird die Belegschaftsvertretung der Bahn neu gewählt, kein ÖBBler hätte meine Entscheidung für das Ministeramt verstanden.
Inwiefern ist die Bahn von der Krise betroffen?
In sehr vielen Bereichen. Nicht nur im Güterverkehr wird es Rückgänge geben, sondern auch im Personenverkehr. Das ist vielen noch nicht bewusst. Wenn es 30.000 Arbeitslose mehr gibt, dann werden das in erster Linie Pendler sein, die als Bahnkunden wegfallen. Dass ein Pendler in der Arbeitslose recht viel im Land herumfährt, kann ich mir nicht vorstellen.
Stichwort Güterverkehr: Bei der Deutschen Bahn ist davon die Rede, dass im Monat Dezember in Teilbereichen 40 Prozent weniger Fracht transportiert wurde. Wie schlimm kommt es bei uns?
Ich hoffe, dass Österreich nicht so stark betroffen sein wird. Trotzdem wird der Rückgang im Güterverkehr deutlich ausfallen. Machen wir uns nichts vor: Das BMW-Werk in Steyr etwa ist extrem von der deutschen Wirtschaftslage abhängig.
Warum wird der Güterverkehr nicht verkauft? Sind Sie prinzipiell ein Privatisierungsgegner?
Nein. Ich bin nur dann dagegen, wenn eine Privatisierung nicht sinnvoll ist. Den Güterverkehr zu verkaufen hieße, dass der Bahn Einnahmen entgehen. Mit Fracht kann man in der Regel mehr verdienen als mit Personenbeförderung. Die Gewinne des Güterverkehrs würden im Gesamtkonzern fehlen, der Personenverkehr käme unter Druck. Die Finanzlücke müsste letztlich der Staat als Eigentümer der Bahn schließen. Der Staat hätte kurzfristig einen Privatisierungserlös, müsste jedoch nach einigen Jahren wieder Geldmittel bereitstellen.
Warum hat Kanzler Werner Faymann eine mögliche ÖBB-Privatisierung zustimmend kommentiert?
Das müssen Sie ihn fragen. Aber ich bin froh, dass die Eigentümervertreterin (Verkehrsministerin Doris Bures, Anm.) hier eine klare Haltung gegen eine Privatisierung einnimmt.
Die ÖBB haben die ungarische Güterbahn MAV Cargo um rund 400 Millionen Euro gekauft. Manche sagen, man hätte diese große Summe im Inland investieren sollen. Hätten Sie als Belegschaftsvertreter nicht gegen die Auslandsakquisition mobilisieren müssen?
Der Kauf der MAV Cargo war richtig. Denn die Alternative wäre eine Kooperation mit den Ungarn gewesen. So können die ÖBB den Prozess federführend gestalten. Die Staatsbahnen in Osteuropa sind für die ÖBB interessant, weil es die Osteuropäer meist nicht geschafft haben, aus den Staatsbahnen moderne Logistikdienstleister zu machen. Da haben wir die Chance, unser Know-how einzubringen.
Was erwarten Sie von der Zusammenlegung der beiden Infrastrukturgesellschaften, also der Teil-AG ÖBB-Infra-Bau und der Teil-AG ÖBB-Infra-Betrieb?
Die Zweigleisigkeit zwischen Bau und Betrieb wird beseitigt - ein grundsätzlicher Fehler der Bahnreform von 2003 wird somit korrigiert. Die ÖBB können effizienter und sparsamer arbeiten. Allerdings gibt es Bestrebungen, eine neue GmbH als Baudienstleister zu gründen. Die GmbH wäre eine Tochter der neuen Infra-AG und soll eng mit den externen Baufirmen zusammenarbeiten. Da bin ich dagegen. Denn damit hätten wir eine Neuauflage der alten Schnittstellenprobleme und Doppelgleisigkeiten.