Er hat die Schlacht gewonnen, aber nicht den Krieg. Damit Barack Obama US-Präsident werden kann, braucht er jetzt vor allem einen politischen Haudegen für das Amt des Vizepräsidenten, der effizient umsetzen kann, was Obama wortreich verspricht.
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Nach einem der längsten Vorwahlkämpfe der US-Geschichte, nach den Entbehrungen und Attacken der letzten Monate sehen ihn viele Kommentatoren ausgeblutet und am Boden. Leichte Beute für John McCain?
Wer weiß. Das zähe Ringen von Obama und Hillary Clinton und die damit verbundene Medienvorherrschaft könnten die Chancen der Demokraten aufs Präsidentenamt aber auch gestärkt haben. Über Monate hinweg trotzten sie dem Sperrfeuer der wechselseitigen Besudelungskampagnen, überlebten die Strategien feindlicher Spin-Doktoren und die Beutezüge investigativer Reporter, die auf der Suche nach Skandalen ihre Vergangenheit durchwühlten. Inzwischen kennen die Wähler Obamas Schwächen genau. Doch weder seine politische Unerfahrenheit noch der Umstand, dass er sich als erster Afroamerikaner für das Amt des Präsidenten bewirbt, konnten ihm etwas anhaben. Jetzt neue Munition gegen Obama zu finden, könnte schwierig sein.
Ob Obama Präsident wird, ist jedoch alles andere als fix. Sein Erfolg wird maßgeblich von der richtigen Wahl seines Vize abhängen.
Er muss einen Kandidaten finden, der das kompensiert, was ihm fehlt. Ein erfahrener Politiker muss es sein, gewitzt im Umgang mit der mächtigen Bürokratie auf dem Capitol Hill. Ein Taktiker mit Ellbogen, der Obamas Versprechen durchboxen kann. Nicht zuletzt auch, um in vier Jahren wieder gewählt zu werden, benötigt Obama jemanden in Washington, der auf der Machtmaschine spielt wie Paganini auf der Geige. Auch um gegen den Kriegsheldenstatus und den Guter-Onkel-Charme seines gereiften republikanischen Widersachers zu punkten, muss er einen Haudegen aufbieten. Derzeit werden die ehemalige Präsidentschaftskandidaten Bill Richardson aus New Mexiko, Joe Biden oder Chris Dodd genannt.
Hillary Clinton wäre zwar durch ihre Erfahrung bestens qualifiziert und hätte mit Bill einen der gewieftesten Politiker an ihrer Seite. Doch verbindet sie mit Obama ihr (politischer) Außenseiterstatus. Für die Wähler wäre es wohl zu viel des Fortschrittes, erstmals einen Afroamerikaner und eine Frau wählen zu müssen.
Allerdings braucht Obama die 17 Millionen demokratischen Wähler, die für Clinton votiert haben. Nach Meinung der "Washington Post" muss er sie jedoch nicht zur Stellvertreterin machen, damit sie ihn unterstützt: "Um Bill Clintons Erbe fortzuführen und ihre eigenen Ideen zu verwirklichen, muss sie ohnehin alles in ihrer Macht stehende unternehmen, damit Obama Präsident wird. Ob sie nun als Vizepräsidentin kandidiert oder nicht."