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Häufig wirksam, aber meist erst nach einiger Zeit

Von Christa Karas

Wissen

Gegen fast jedes Leiden ist ein Kraut gewachsen, auch wenn wir es vielleicht noch gar nicht wissen. Und selbst Skeptiker sind oft überrascht von der hohen Wirksamkeit so mancher "Kräutermedizin". Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das jeweilige Mittel den Standards der rationalen Phytotherapie entspricht. Und dass der Leidende etwas Geduld aufbringt, da Medikamente dieser Art so gut wie nie wie Bomben einschlagen.


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Die Chinesen, die oft schon Jahrhunderte vor uns bedeutende medizinische Erkenntnisse hatten, setzen noch heute rund 5.000 Heilpflanzen zur Therapie der verschiedensten Leiden ein. Ginseng spielt unter ihnen auf Grund seiner starken und vielfältigen Wirksamkeit faktisch die Hauptrolle. Bei den chinesischen Ärzten steht die Wurzel im Ruf, das Immunsystem zu stärken, den Herzmuskel anzuregen sowie Menstruations- und Wechselbeschwerden zu lindern.

Ginseng-Medikamente werden mittlerweile in vielen Ländern rund um den Globus von Arzneimittelfirmen vermarktet. Doch während diese den Bedarf meist aus kontrolliertem Anbau decken, gibt es vor allem in Asien immer noch Kundenkreise, die der Wildpflanze eine höhere Wirkung zuschreiben, weshalb der wild wachsende Ginseng mittlerweile unter die meistbedrohten Pflanzenarten eingestuft wurde.

Eine Groteske im Hinblick darauf, dass der kontrollierte Anbau unter strikten Auflagen erfolgt und dass nur die Standardisierung eine Garantie für die stets gleiche Wirkstoffmenge im Endprodukt darstellt.

Neben Ginseng kommt seit einiger Zeit auch Ginkgo in der rationalen Phytotherapie zum Einsatz. Ginkgo biloba-Extrakt wirkt in erster Linie durchblutungsfördernd und wird dem entsprechend etwa zur Behandlung von Hirnleistungsstörungen und von peripheren arteriellen Durchblutungsstörungen verwendet. Interessant ist er deshalb vor allem für die Geriatrie, etwa zur Therapie der Demenz oder von Gehschwierigkeiten durch arterielle Verschlusskrankheiten, aber auch für Sportler, da er auch die Lungenfunktion verbessert.

Zu den bedeutendsten Entdeckungen der letzten Jahre zählt aber zweifellos das Johanniskraut, dessen stimmungsaufhellende Wirkung zwar schon lange vorher bekannt war, das aber seine Wirksamkeit erst völlig entfalten konnte, seit sich die Pharmakologie seiner angenommen hat. Den zuletzt vereinzelt berichteten Fällen von Wechsel- bzw. Nebenwirkungen (siehe nebenstehenden Artikel) stehen klinische Studien an Tausenden Patienten gegenüber, deren Lebensqualität sich seit der Einnahme entschieden verbessert hat.

Allerdings sollte man ob all der Euphorie über die "sanften und natürlichen" Behandlungsangebote nicht ganz übersehen, dass Studien über die Wechselwirkungen von Phytopharmaka mit anderen Medikamenten naturgemäß schwierig durchzuführen und Dokumentationen aus diesem Grund eher spärlich sind. Und dass nur wenige Phytopharmaka im Akutfall eingesetzt werden können, da ihre Wirksamkeit üblicherweise erst nach einigen Wochen regelmäßiger Einnahme merklich wird (was freilich auch für viele andere Medikamente etwa in der neueren Behandlung von Depressionen gilt).

Und schließlich sind auch pflanzliche Medikamente nicht völlig harmlos. Schon deshalb, weil sie von jedem Menschen anders aufgenommen und vertragen werden, was vor allem für allergische Reaktionen (von einfachen Hautirritationen bis hin zum tödlichen Asthma-Anfall) gilt.