Tariferhöhungen nur bei Wasser | ausgeschlossen. | Tempo 50-Versuch: Es müssen nicht zwei Jahre sein. | Mit Kukacka keine Gespräche mehr. | Kassasturz vor Steuerreform.
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"Wiener Zeitung": Man hat den Eindruck, dass derzeit nicht alles sehr rund läuft. Sind Sie mit dem Start ihrer neuen Bürgermeisterperiode zufrieden?
Michael Häupl: Es läuft sehr gut. Ich erwähne etwa hier die gut abgeschlossenen Verhandlungen zur Frage der AKH-Finanzierung, und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Dass man die eine oder andere Kommunikationsgeschichte, wie etwa Tempo 50, besser machen hätte können, mag sein. Aber das ist keine Begründung dafür, dass man sagen könnte, es läuft nicht gut. Denn es läuft ausgezeichnet.
Was ist bei Tempo 50 schief gegangen?
Ich muss meinen Freunden zugute halten, dass die Tempo 50-Frage bereits im Wahlkampf angesprochen wurde. Dass man nach dem Wahlkampf das selbe sagt wie davor, halte ich für normal, denn alles andere würde man uns zum Vorwurf machen. Ich stehe jedenfalls zu dem Kompromiss mit den Autofahrerklubs. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich diese Diskussion ein für alle Mal beenden will. Man wird nun Messungen durchführen, um die Sinnhaftigkeit der Regelung zu prüfen. Wenn mir ein Wissenschaftler sagt, man kann das in einem Jahr machen, ist mir das recht. Es müssen nicht zwei Jahre sein. Und eine Maßnahme, die nicht wirkt, wird gestrichen, weil sie sinnlos ist. Eine völlig pragmatische Geschichte also.
Wo sehen sie in den nächsten vier Jahren die Partner der Wiener SPÖ?
Unsere wichtigsten Partner sind die Sozialpartner und die Bevölkerung. Was die Opposition macht, ist ihre Angelegenheit. Wir haben ein konstruktives Verhältnis mit den Grünen. Die ÖVP glaubt offensichtlich als Ministranten der Bundesregierung ihr Heil zu finden. Ich nehme das zur Kenntnis, bedaure es aber auch. Und der Herr Strache ist der Herr Strache.
Wie steht es um gemeinsame Vorhaben mit der ÖVP?
Ich werde in einer absehbaren Zeit mit dem Kollegen Hahn noch einmal darüber reden, bevor wir uns da noch irgendwelche Detailgeschichten antun. Und dann werden wir es entweder zu Grabe tragen oder wir sagen, okay, da gibt es sieben, acht, zehn oder zwölf Punkte, wo wir miteinander arbeiten können. Oder die dritte Möglichkeit ist, wir reden nach den Nationalratswahlen weiter.
Waren die Grünen ihrer Ansicht nach um soviel konstruktiver als die ÖVP?
Die Grünen waren von vorneherein gewillt, in diese durchaus nicht leicht zu vermittelnde Doppelrolle - nämlich Oppositionspartei zu sein, sich aber in eine gemeinsame konstruktive Projektbeziehung zu begeben - einzusteigen. Die ÖVP hat gleich relativ viele Tabuzonen erklärt. Vielleicht ist der Unterschied der Parteien der: Die einen interessieren Inhalte, die anderen nur Macht.
Gas und Strom werden teurer, was kommt noch?
Dass Gas und Strom teurer werden, ist ja nicht nur in Wien der Fall, sondern in ganz Österreich und hängt mit den Weltmarktpreisen zusammen. Wenn die Gaspreise in einem Jahr für den Einkäufer um 52 Prozent teurer werden, davon werden 17 Prozent weitergegeben und der Rest wird vom Unternehmen geschluckt, dann kann ich nichts Verwerfliches daran sehen.
Werden auch andere Preise steigen?
Das kann ich nicht sagen. Wir machen das ja nicht aus Jux und Tollerei. Keiner von uns sagt: Jetzt mache wir das, um jemanden zu ärgern oder um irgend jemanden ans Brieftascherl zu wollen oder einen Extra-Profit zu machen. Ausschließen kann ich höhere Gebühren nur beim Wasser.
Wie stehen Sie zu einem Gebührenstopp, wie ihn die Opposition fordert?
Gebührenstopp heißt Erhöhung der Ver- und Entsorgungs-Unsicherheit, heißt öffentliche Dienstleistungsbetriebe in eine wirtschaftlich unsichere Zukunft zu führen. Wenn die ÖVP garantieren kann, dass es auch einen Preisstopp bei den privaten Betrieben gibt, bin ich bereit, einem Preisstopp zuzustimmen.
Sollte Wien sich nicht mehr anstrengen, die geplante Elite-Uni zu bekommen?
Wieso? Es gibt die Doppellösung mit Niederösterreich oder Wien bekommt sie allein. Ich will, dass dieses Institute of Advanced Studies in Wien ist. Und dafür werden wir alles tun.
Nahverkehr für Häupl "Casus Belli"Was bedeutet das Moratorium im Bezug auf die umstrittene Garage am Neuen Markt?Michael Häupl: Es war die Idee des Bezirks, eine Garage zu bauen, nicht die der Stadt. Bei ihrem Antrittsbesuch hat mir die Bezirksvorsteherin mitgeteilt, dass der Bezirk in der Frage am Neuen Markt eine Meinungsänderung herbeigeführt hat. Das muss ich zur Kenntnis nehmen.
Die weitere Vorgangsweise?
Ich werde den Bezirk darauf aufmerksam machen, dass die Konsequenzen aus einer Absage an die Garage nicht nur in der Frage des Schadenersatzes bestehen, sondern auch in der Oberflächengestaltung. Diese würde der Garagenbetreiber bezahlen, jetzt müsste es der Bezirk zahlen. Aber das ist der neuen Bezirksmehrheit nicht bewusst.
Wo liegt letztlich die Entscheidungskompetenz?
Es liegt eine hohe Verantwortung beim Bezirk. Da geht es um die einfache Frage: Lieber Bezirksbürger, wollen sie dort eine Oberflächen-Neugestaltung mit einer Garage, die der Garagenbetreiber bezahlt oder wollen sie eine neue Oberflächengestaltung, die der Bezirk bezahlt. Ohne Garage. Keine Parkplätze oben, keine Parkplätze unten. Mir ist das alles recht. Ich habe keine Garagenideologie.
Wo liegen die Wiener Vorbehalte bei der geplanten Nahverkehrs-reform?
Ich halte sowohl Inhalt als auch Form, wie diese Nahverkehrsreform durchgeführt werden soll, für beispiellos. Staatssekretär Helmut Kukacka hat Vorschläge gemacht, die darauf hinaus laufen, dass es zu einer Finanzierungsverlagerung vom Bund auf die Länder kommt. Ich bin nicht mehr bereit, darüber mit dem Herrn Kukacka zu sprechen. Mit dem Herrn Bundesminister Hubert Gorbach schon. Persönlich attestiere ich ihm nämlich durchaus Handschlagqualität, dem Herrn Kukacka eigentlich nicht. Wenn Kukacka das so durchzieht, wie er das vor kurzem angekündigt hat, dann ist das ein klarer Casus Belli.
Was wäre die Konsequenz für Wien?
Die Konsequenz wäre eine entsprechende Rücknahme unserer Leistungen bei den von den ÖBB betriebenen Schnellbahn-Linien. Was für uns aber genau so wichtig ist, ist die Pendlerversorgung.
Wie sicher ist eine große Koalition nach den Nationalratswahlen?
Überhaupt nicht. Wir gehen alle in einen Wahlkampf hinein, in dem wir als eigene Parteien antreten. Und dann wird man schauen. Für mich ist alles offen, außer dass die SPÖ mit dem Strache sicher keine Koalition eingehen wird. Im Gegensatz zu früher, wo ich Präferenzen hatte, ist es heute für mich eine völlig offene Geschichte.
Was ist der Beitrag der Wiener SPÖ zum Wahlkampf?
Wir werden versuchen die Ergebnisse, die wir in anderen bundesweiten Wahlgängen erbracht haben, jetzt auch abzuliefern. Die Auseinandersetzung ist dabei mit jenen zu führen, die heute de facto als Alleinverantwortliche in der Regierung sitzen. Denn was heute Orange macht, ist ehrlich gesagt nur noch die Mehrheitsbeschaffung für die ÖVP. Es gibt eine ÖVP-Alleinregierung mit pomerandschenen Ministranten.
Wann sollte die nächste Steuerreform kommen?
Ich bin überzeugt, dass man nach den nächsten Wahlen einen Kassensturz zu machen hat, um zu schauen, was die Manövriermasse ist. Und dann gilt es, Prioritäten zu setzen. Eine wäre die Stärkung der Kaufkraft und damit die Steuerreform. Eine andere sind Investitionen im Bildungs-, Infrastruktur- und Gesundheitsbereich.
"Persönlich attestiere ich Gorbach durchaus Handschlagqualität."