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Häupl: "Verstehe die Hektik nicht"

Von Christian Rösner

Politik

Schwenk Richtung Position der ÖVP. | "Thema sollte Chefsache werden." | Wien. Eigentlich war es der Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der vor der Wien-Wahl im Herbst 2010 die Wehrpflichtdebatte ins Rollen gebracht hatte. Dieser komplette Schwenk in der SPÖ-Parteilinie wird seitdem - mit Rückendeckung von Bundeskanzler Werner Faymann - von Verteidigungsminister Norbert Darabos ohne Wenn und Aber umgesetzt.


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Jetzt geht es dem Wehrpflicht-Debatten-Initiator offensichtlich wieder zu schnell. Man solle doch lieber zuerst eine Einigung über eine Sicherheitsdoktrin erzielen und dann erst über die Wehrpflicht reden, erklärte Häupl am Dienstag in Wien vor Journalisten - und schloss sich damit indirekt der Argumentation der Bundes-ÖVP an.

Einen vernünftigen Ansatz für eine Sicherheitsdoktrin gebe es bereits - "wenn man die Papiere der SPÖ und der ÖVP übereinanderlegt, erkennt man eine Kongruenz". Bei "gutem Willen" sei man mit einer Sicherheitsdoktrin schnell fertig, meinte Häupl. Danach sollte auch tunlichst mit der Opposition gesprochen, ein entsprechendes Gesetz vorgelegt und das Ganze dann zu einer Volksabstimmung oder Volksbefragung gebracht werden. "Dafür muss man sich aber Zeit nehmen - ich verstehe die Hektik nicht", so der Wiener Bürgermeister.

"Emotionale Abrüstung statt einander wehtun"

Ob er damit den Verteidigungsminister meine, winkte er mit den Worten "lassts mir doch den armen Darabos in Ruhe" ab. Er stehe für eine Zukunftsdiskussion zur Verfügung, aber nicht für ein "Darabos-Ba shing", wie er betonte. Auch dass er an der Situation von Darabos nicht ganz unschuldig sei, bestritt Häupl. "Ich habe vor der Wahl nur ein Thema angesprochen, das mich schon meine gesamte politische Laufbahn begleitet."

Und die Frage, wieso es nach seiner Äußerung plötzlich eine Änderung der bisherigen SPÖ-Parteilinie gegeben hat, beantwortete Häupl mit der Gegenfrage: "Was ist Parteilinie?" Für ihn sei viel wichtiger, dass die Bundesregierung wieder zu den Sachfragen zurückkehre. "Ich bin für eine emotionelle Abrüstung", betonte Häupl. Es solle ein Dialog mit den Fachleuten geführt und eine gemeinsame Lösung gefunden werden - "anstatt sich zu überlegen, wie man sich gegenseitig wehtun kann". Wenig hält er allerdings vom Vorschlag der Volkspartei, die Wehrpflicht auf fünf Monate zu verkürzen: "Das ist jedenfalls kein Beitrag zur Frage Wehrpflicht ja oder nein." Zu seiner Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht stehe Häupl nämlich nach wie vor: "Was in ganz Europa gemacht wird, kann für Österreich nicht ganz verkehrt sein."

Sicherheitskooperationmit Nachbarländern

Mit dem Modell eines Freiwilligenheeres würde laut Häupl der Beitrag zur Hilfe gesteigert. "Mir kann niemand erklären, dass Präsenzdiener, die nach ein paar Monaten pfutsch sind, besser sind." Auch die Vorschläge von Sozialminister Rudolf Hundstorfer zum Zivildienst seien für Häupl sinnvoll: "Ein Jahr Rettungsfahrer- oder Sanitäter-Ausbildung ist nicht nix - das kann man ein ganzes Leben lang brauchen." Die Panzerschlacht im Marchfeld werde es jedenfalls nicht mehr geben, betonte Häupl. Aber das österreichische Bundesheer habe viele Stärken, die in eine gemeinsame Sicherheitspolitik mit den Nachbarländern einfließen könnten, meinte der SPÖ-Politiker. Er könne sich etwa eine Zusammenarbeit in Form von Aufgabenteilung in den verschiedenen militärischen Bereichen oder eine gemeinsame Luftraumverteidigung vorstellen. "Wenn ich mir anschaue, dass Österreich nicht in den Schweizer Luftraum eindringen darf und umgekehrt, dann sage ich, da ist noch Potenzial drinnen", meinte Häupl.

Als potenzielle Partner nannte der Wiener Landeshauptmann auch Slowenien oder Tschechien. Dabei gelte es die Stärken eines jeden Landes zu bündeln, wobei Häupl etwa bei Tschechien den Sanitätsbereich nannte und in Österreich die ABC-Abwehr sowie den Lawinen- und Pionierbereich hervorhob.

Geht es nach dem Wiener Landeschef, sollte die "Causa Wehrpflicht" endlich zur Chefsache und somit direkt von Faymann und Vizekanzler Josef Pröll in die Hand genommen werden: "Viele andere Möglichkeiten sehe ich nicht."