Einen sprachlichen Kompromiss dürfte die FPÖ in der Frage des Vorziehens der Steuerreform gefunden haben. FPÖ-Chef Vizekanzler Herbert Haupt will eine Steuerreform "im Gleichklang mit einem Konjunkturaufschwung". FP-Finanzsprecher Thomas Prinzhorn geht davon aus, dass ein Konjunkturaufschwung schon vor der Tür steht und eine Vorverlegung der Reform auf 2004 daher möglich ist. Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider ortet unterdessen "zusätzliche Überlegungen der ÖVP" in dieser Frage. Wobei ÖVP-Klubobmann Wilhelm Molterer gestern dabei blieb: Steuerreform erst 2005.
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Die SPÖ blieb gestern dabei: Eine Vorverlegung der Steuerreform auf 2004 sei unbedingt notwendig. So verwies SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer auf die schlechten Arbeitsmarktdaten: "Es gibt die Notwendigkeit für einen wirtschaftlichen Impuls." Das Konzept der SPÖ liege seit eineinhalb Jahren auf dem Tisch. In der Nationalrats-Sondersitzung am Dienstag will die SPÖ die FPÖ-Abgeordneten auf den Prüfstand stellen: Sind sie jetzt für oder gegen eine Vorverleung auf 2004? Sein Bundessprecher Norbert Darabos hofft ebenfalls weiter auf eine Mehrheit für eine Vorverlegung der Steuerreform: "Maßgebliche Kräfte in der FPÖ sind auf unseren Kurs eingeschwenkt."
Haupt jedenfalls will eine Abstimmung seiner Mandatare mit der Opposition verhindern. FPÖ und ÖVP arbeiteten an einem gemeinsamen Initiativantrag zu diesem Thema, der in der Sondersitzung eingebracht werden soll. Den Inhalt des Initiativantrages wollte Haupt gestern in einer Pressekonferenz noch nicht verraten. Klar ist für den FPÖ-Chef, dass die Steuerreform an einen Konjunkturaufschwung gekoppelt sein muss. Wann der komme? Er sich auf die Wirtschaftsforscher und seine Beamten: "Ich bin kein Prognostiker."
Auch Haider gab sich gestern moderater: Die FPÖ-Mandatare würden dann nicht mit der Opposition für die Vorverlegung der Steuerreform stimmen, wenn Parteiobmann Haupt versuche, den Koalitionspartner von einer Kompromissvariante zu überzeugen, so Haider. Er zeigte sich "froh" darüber, dass die ÖVP mit zusätzlichen Überlegungen in die Debatte um eine Steuerreform eingestiegen sei. Es könne nicht sein, dass die Opposition zur Steuerreform "vernünftige Vorstellungen" habe und sich die Regierung "einbunkert". Welche ÖVP-Überlegungen er damit meint, ließ Haider offen. Die FP-Obmanndebatte wurde gestern ausgespart.
VP-Klubobmann Molterer bestätigte gestern zwar, dass ein gemeinsamer Antrag mit der FPÖ in der Sondersitzung geplant ist, wollte aber von einem Vorziehen der Steuerreform auf 2004 nichts wissen: Der große Wurf mit einer Vereinfachung des Systems, Tarifkorrekturen und steuerlichen Entlastungen im Unternehmensbereich komme erst 2005. Der gemeinsame Antrag werde sich daher am Arbeitsprogramm orientieren. Molterer verwies auch auf das bereits beschlossen Maßnahmenbündel für 2004 mit einer Steuerfreiheit für Jahreseinkommen bis 14.500 Euro.
Unterdessen kündigte der Dritte Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn die Präsentation eines Steuerreformkonzeptes "in den nächsten Tagen". Er interpretierte die Aussagen seines Parteichefs so, dass Haupt "wenn auch indirekt, das Vorziehen der Steuerreform in Erwägung zieht", da ja die Wirtschaftsforscher für 2004 bereits einen Konjunkturaufschwung prognostiziert haben.
Geharnischte Kritik am Vizekanzler gab es vom Grünen-Budgetsprecher Werner Kogler: "Haupt schließt sich in seiner unüberbietbaren Hilflosigkeit der Schüssel-Grasser-Null-Politik an". Das weitere Warten auf einen Konjunkturaufschwung als Voraussetzung für längst notwendige Steuersenkungen diene als bloße Legitimation für anhaltendes wirtschaftspolitisches Nichtstun", meinte Kogler in einer Aussendung.