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Sonnwendviertel: Die ersten Bewohner haben das Baustellengebiet besiedelt.
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Wien. Baukräne ragen zwischen Häusergerippen in die Höhe, die Straße davor wird mit einem Presslufthammer bearbeitet. Eine Gruppe von Männern steht auf dem Balkon eines Hauskomplexes, raucht und trinkt Bier. Im Innenhof bildet ein giftgrüner Rasen einen Kontrast zu den grauen Gebäuden rings um. Hölzerne Liegen stehen auf der Wiese. Der Rasen ist mit einem rot-weißen Plastikband abgesperrt. Kinder spielen nebenan in einer betonierten Sandkiste und streiten ums Spielzeug.
Um den neuen Hauptbahnhof in Favoriten wird ein neuer Stadtteil gebaut. Mit dem Sonnwendviertel sollen 5000 Wohnungen entstehen. Im Sommer wurden die ersten 89 Wohneinheiten an ihre Bewohner übergeben. Weitere 171 Wohnungen werden noch im September bezogen. Das gesamte Sonnwendviertel soll bis 2019 fertig sein. Momentan wird der neue Stadtteil noch von Baustellen beherrscht.
1124 der 5000 Wohnungen sind gefördert
"Uns war bewusst, dass wir in ein Baustellengebiet ziehen werden, wir fühlen uns bisher aber sehr wohl hier. Und Hauptsache, die Wohnung ist billig", meint Christoph Teufl. Er ist mit seiner Lebenspartnerin und dem gemeinsamen Sohn Manuel vom 5. Bezirk hierhergezogen. "Wir haben uns für eine Wohnung hier entschieden, weil die Wohnungen gefördert sind. Vorher hatten wir zwei Zimmer zur Verfügung, und hier haben wir vier Zimmer und eine Dachterrasse. Für uns war es die richtige Entscheidung, hierher zu ziehen." Weil Christoph Teufl in Karenz ist und sich um den zweijährigen Manuel kümmert, ist seine Partnerin momentan Alleinverdienerin. "Am freien Markt hätten wir uns mit nur einem Gehalt so eine Wohnung nie leisten können. Wir haben auch überlegt, eine Wohnung zu kaufen, aber das wäre derzeit nicht möglich." 1142 der insgesamt 5000 Wohnungen, die im Sonnwendviertel entstehen, sind laut dem Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig gefördert.
300 kompakte "Smart Wohnungen"
"Hier an der Grenze zwischen 4. und 10. Bezirk sollen verschiedene Wohnformen entstehen", sagte der Wiener Wohnbaustadtrat bei der Begrüßung der ersten Bewohner im Sonnwendviertel. Zu den verschiedenen Wohnformen zählen etwa Mini-Lofts für Studierende und Arbeitnehmer. Auch 300 "Smart Wohnungen" sollen hier entstehen. "Bei den Smart-Wohnungen haben wir unsere Erfahrungen im Wohnbau angewendet: Der Grundriss ist besonders kompakt, um unnötige Mietkosten für nicht genutzte Wohnfläche zu vermeiden", erklärte Ludwig.
Lage und Preis waren für Constanze Jeitler die Gründe, hierher zu ziehen. "Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, so günstig so nahe am Zentrum zu leben. Mir gefällt’s supergut hier." Die 23-jährige Theaterwissenschaftsstudentin wohnt in einer Zweizimmerwohnung mit zwei Balkonen: Einer führt auf den Innenhof, der andere ist auf der Seite der Sonnwendgasse angebracht.
Robert Baumgartner ist Constanzes Nachbar. Er wohnt mit seiner Freundin in einer Dreizimmerwohnung "Für uns waren auch Lage und Preis ausschlaggebend. Die Wohnung ist sehr hell, und die Balkone sind toll", meint der 26-jährige Student.
Momentan schauen die Balkone noch unbenutzt aus. Blumen oder Gartensessel sind nicht zu sehen. Nur ein Balkon ist mit roten Blumen geschmückt. Die Pflanzen und ein rosa Schirm sind Farbtupfen in der grauen Umgebung. Zwei Frauen mit einem Baby stehen auf dem Balkon und schauen in den Innenhof hinunter. Dort hat sich der zweijährige Manuel in der Sandkiste zu schaffen gemacht. Vater Christoph wischt ihm Sand aus den Haaren: "Manuel ist im Kindergarten im Nebenhaus angemeldet, und später werden wir sicher den Bildungscampus nutzen. Der ist nämlich auch ein Grund, weshalb wir hierher gezogen sind."
Bildungscampus, Geschäfte und Büros
Neben dem Bildungscampus, der 2014 eröffnet wird, sollen im Sonnwendviertel eine Parkanlage, Büros und Geschäfte entstehen. Der Bau der ersten Wohnungen startete im Frühjahr 2012. Im Rahmen eines Bauträgerwettbewerbs musste auf soziale Nachhaltigkeit geachtet werden. Die Wohnbauten sollten unter anderem Platz für Begegnungen zwischen den Bewohnern bieten.
Den Platz gibt es zwar, die Begegnung aber noch nicht, sagen Constanze und Robert. "Ich glaube, dass momentan alle noch damit beschäftigt sind, sich einzurichten, zurechtzufinden und mit den kleinen Anfangsschwierigkeiten fertig zu werden. Ich habe mir aber schon einmal bei meinen Nachbarn einen Schraubenzieher ausgeborgt", meint Constanze.
Auch Christoph Teufl und seine Familie hatten in den ersten Wochen mit kleinen Problemen zu kämpfen: "Bei uns ging einmal das Licht nicht, und der Müllraum war verdreckt, aber das ist wahrscheinlich normal am Anfang." Sohn Manuel hat bereits Kontakt zu anderen Kindern hergestellt: Mit einem kleinen Buben spielt er in der Sandkiste und streitet um ein Sandschäufelchen.