Lob vom verbrecherischen Regime in Teheran, zufriedene Gesichter in Moskau: Die Republik Österreich zeigt außenpolitische Kontinuität. Leider.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Österreich, so hat es erst unlängst der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi in Wien formuliert, sei "Irans Tor zur Europäischen Union". Nun mag es in islamofaschistischen und/oder antisemitischen Milieus zwischen Islamabad und den nordafrikanischen Wüsten eine Art Kompliment sein, vom judenfeindlichen Menschenschinder-Regime in Teheran als eine Art Loch in der Mauer der Sanktionen gegen persische Atomwaffen-Ambitionen bezeichnet zu werden. Auch nur halbwegs anständige Menschen hingegen werden sich zweifellos bekümmert fragen, was sie eigentlich falsch gemacht haben, wenn sie sich von Teheran derartige Komplimente anhören müssen.
Hätte freilich weiter im Norden Litauens Außenminister Remigius Simasius dieser unguten kleinen Episode etwas Aufmerksamkeit gewidmet, hätte ihn die nicht minder schmierige Affäre rund um den von Österreich unter merkwürdigen Umständen zuerst festgenommenen, dann aber schnell freigelassenen russischen Kriegsverbrecher Michail Golowatow kaum überrascht.
Denn sowohl das unwillkommene Lob aus dem Iran als auch die unbürokratische schnelle Freilassung des immerhin per EU-Haftbefehl gesuchten Kriegsverbrechers folgen letztlich der gleichen außenpolitischen Matrix. Auf der einmal als moralisch richtig erkannten Seite der Geschichte zu sein, auch wenn dadurch möglicherweise gewisse wirtschaftliche Nachteile verbunden sind, war noch nie die Maxime der Wiener Regierungen seit 1945, ganz im Gegenteil.
Außenpolitik wird von Wien weitgehend auf Außenwirtschaftspolitik reduziert: Hauptsache, der Umsatz stimmt. Und notfalls muss dann eben auch die Justiz als Instrument dieser Außenwirtschaftspolitik herhalten: Was schert uns schon der litauische Freiheitskampf gegen die Sowjetunion, wenn es um ein paar Kubikmeter russisches Erdgas für unsere Heizungen geht? Zwar ist nicht bewiesen, dass die Justiz auf eine Intervention aus Moskau hin Golowatow so schnell laufen ließ - aber die Indizien dafür, vor allem aus seriösen Moskauer Quellen, wurden in den vergangenen Tagen nicht eben dünner.
Österreich beweist damit ein hohes Maß an politischer Stetigkeit und Berechenbarkeit, an die sich vor allem unsere Freunde in Osteuropa gut erinnern werden. Schon unter Bruno Kreisky stand die Republik verlässlich auf der Seite der polnischen Diktatur und nicht etwa der Solidarnosc-Bewegung: Dieser bedeutete man aus Wien, dass ihre dauernden Streiks vor allem die Fähigkeit Polens beeinträchtigten, seine Schulden in Österreich zu bedienen. Geht’s was hackeln, hieß die Botschaft an den Widerstand. Von wenigen Ausnahmen wie etwa Erhard Busek abgesehen, pflegte das offizielle Österreich bis zum letzten Tag der kommunistischen Herrschaft die Beziehungen zu den östlichen Diktaturen und zeigte der demokratischen Opposition die kalte Schulter. Mit diesen Leuten waren schließlich keine Geschäfte zu machen.
Litauen muss sich jetzt also schon die Frage gefallen lassen: Warum sollte Österreich, das während des ganzen Kalten Krieges letztlich auf der Seite der Diktaturen stand, jetzt plötzlich ein besonderes Verständnis für Litauens Gefühle gegenüber seinem blutigen Freiheitskampf an den Tag legen?
Dieser Gastkommentar gibt ausschließlich die Meinung des betreffenden Autors wieder und muss sich nicht zwangsläufig mit jener der Redaktion der "Wiener Zeitung" decken.