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"Hauptsache, die Serben sind jetzt weg"

Von Erika Bettstein, Kosovo

Politik

Bis 31. August sind nach Daten des UNO-Flüchtlingshochkommissariates UNHCR rund 772.300 Kriegsflüchtlinge in die etwa 2.000 Städte und Dörfer des Kosovo zurückgekehrt. Kein Ort blieb verschont · | etwa 50.000 Häuser sind total zerstört, etwa ebenso viele gelten als reparabel. Mit 400 Mill. Schilling Spendengeldern aus der ORF-Aktion "Nachbar in Not" leisten HelferInnen von Caritas und Rotem | Kreuz in den Krisenregionen Suva Reka und Istok im Rahmen eines Wiederaufbauprogrammes Unvorstellbares, um das Überleben der Menschen im nahenden Winter zu sichern. "Und die großzügigen | österreichischen Spenderinnen und Spender können sicher sein, dass jeder Spendenschilling auch wirklich den Bedürftigen zukommt", betont "Nachbar in Not"-Initiator Kurt Bergmann aus Anlaß eines | Lokalaugenscheins im Kosovo.


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Rasche, sinnvolle und nachhaltige Hilfe, finanziert aus den großzügigen Spenden aus Österreich für die vom Krieg betroffenen Bewohner der Provinz haben sich die österreichischen Hilfs-

Organisationen vorgenommen · und Hilfe ist dringend notwendig: Wo immer man hinkommt, sieht man zerstörte und ausgeplünderte Häuser, abgebrannte, teilweise verminte Felder und überall Menschen, die

alles verloren haben.

2.300 Häuser sollen winterfest werden

Die ÖsterreicherInnen betreuen 77 Dörfer, in denen insgesamt 2.300 Häuser winterfest gemacht werden: Das wichtigste ist ein Dach über dem Kopf, dazu Fenster und Türen, damit pro Haus wenigstens

ein Raum wetterfest ausgestattet ist.

"Wir helfen, so gut wir nur können", sagt Caritas-Präsident Franz Küberl, "nur gegen die Wunden in den Seelen können wir fast nichts tun".

"Ich habe gedacht, sie sind unsere Nachbarn, sie werden uns nichts tun", erzählt Agim Sulej aus dem Bergdorf Bungu, er hat die serbischen Soldaten doch persönlich gekannt. Die Häuser wurden

zusammengeschossen und geplündert, junge Männer verhaftet. Wer konnte, floh in die Wälder. Dort drüben am Hügel, zeigt der alte Mann, sei das Massengrab, die Nachbarn wurden nicht verschont.

"Das werde ich nie vergessen", sagt er, "sie haben einige unserer Männer regelrecht massakriert, ihnen die Köpfe abgeschnitten, die Augen ausgestochen". Wie sieht er in die Zukunft? "Hauptsache, die

Serben sind weg", sagt er, und: "Danke, NATO und Danke, KFOR und Danke den Österreichern, die uns jetzt helfen zu überleben".

Am Bau: Soldaten und Zivilisten vereint

Die HelferInnen haben es in der Region noch "gut", berichtet Gheorge Zudik von der Caritas: Erstmals arbeiten dort deutsche KFOR-Truppen und Hilfsorganisationen im humanitären Einsatz zusammen.

Nördlich von Prizren liegt der Bauhof Landovica als zentrale Verteilstelle für Baumaterial. Mit Bundeswehr-Fahrzeugen wird Material in die abgelegenen Bergdörfer transportiert, die deutschen Pioniere

legen zusammen mit der Bevölkerung beim Wiederaufbau kräftig Hand an. Denn: Die Zeit drängt · ab Oktober ist in den bis zu 1.100 m hoch gelegenen Dörfern mit Schnee zu rechnen, im Winter fallen die

Temperaturen bis auf minus 35º.

In Suva Reka unterhält der Arbeiter-Samariterbund Österreichs (ASBÖ) eine mobile Ambulanz mit Apotheke vor einem zerstörten Spital. "Die Menschen kommen von überall her, zu Fuß, mit Pferdewagen, wie

es eben geht", erzählt Joachim Sallaberger vom ASBÖ. Die HelferInnen arbeiten von 8 Uhr Früh bis in die Abendstunden, zwei Ärzte und Krankenschwestern versorgen die Hilfesuchenden.

Die zerstörte Ambulanz soll wieder wiederhergestellt werden, "aber gehen Sie nicht hinein", warnt Sallaberger, "der Minensuchdienst war noch nicht drinnen, vorige Woche ist noch eine Mine

explodiert".

Jeder bekommt genau das, was er braucht

In der Region Istok können die HelferInnen nicht auf KFOR-Hilfe zurückgreifen, nach gründlichen Vorerhebungen wurden lokale Helfer engagiert. Aus "Nachbar in Not"-Geldern werden hier Dächer und

die Sanierung mindestens eines Wohnraumes finanziert.

"Wir haben eigens ein fälschungssicheres Bon-System entwickelt, mit dem die Menschen auf unserem Bauhof genau die Materialien beziehen, die sie auch wirklich brauchen", berichtet Klaus Schnopfhagen

vom Roten Kreuz.

Im Dorf Prekalle treffen wir eine Familie, die nach Shkodra flüchten und im Österreich-Camp Unterschlupf finden konnte. Jetzt sind die noch lebenden Familienmitglieder wieder bei ihrem Haus, das ·

wie alle anderen · von Granateneinschlägen zerstört und ausgebrannt ist. In Hof ist das Zelt aus Shkodra, das sie mitnehmen durften, aufgebaut und bietet provisorische Wohnstätte.

Im Hof wächst ein kleiner Apfelbaum, ein paar Früchte sind reif, "Bitte nehmen Sie", sagt sie, Gastfreundschaft ist ihr wichtig, den Österreichern gegenüber, die so viel helfen. "Dort, wo es keine

Männer in einer Familie mehr gibt, sorgen wir dafür, daß die Nachbarn den Frauen helfen", sagt Schnopfhagen.

"Wichtig ist, daß wir nicht aufhören mit der Hilfe", sagt Bergmann, "und dass Sie in Österreich berichten, wie sorgfältig und sinnvoll mit dem ,Nachbar in Not`-Spendengeld hier umgegangen wird". Die

Bitte kann man · vom Lokalaugenschein überzeugt · nur erfüllen.