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Die Gegenfinanzierung der Steuerreform wurde von Experten bezweifelt, doch das Budget hielt - aber aus anderen Gründen.
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Wien. Man kennt es vom Fußball. Da verordnet ein Trainer seiner Mannschaft eine bestimmte Taktik, um eine Partie zu gewinnen. Im Spiel selbst ist dann aber auf einmal alles anders. Wenig wird umgesetzt, der Gegner agiert auch anders als erwartet - und am Ende gewinnt man doch. Irgendwie. Das Phänomen ist vor allem als "Bayern-Dusel" bekannt, hierfür gibt es sogar einen eigenen Eintrag auf Wikipedia.
In gewisser Weise war die Gegenfinanzierung der größten Steuerreform seit Jahrzehnten genau das: Bayern-Dusel. Es gelang zwar 2016 beinahe eine budgetäre Punktlandung, aber eben anders als erwartet. "Man hat nur mit Glück das Ergebnis erreicht", sagt Bruno Rossmann, Budgetsprecher der Grünen und seit 1981 Experte für Öffentliche Finanzen in der Arbeiterkammer.
Wie eine Anfrage des FPÖ-Mandatars Axel Kassegger an das Finanzministerium ergab, sind durch die Registrierkassenpflicht im Vorjahr nicht die berechneten 900 Millionen Euro, sondern nur etwa 300 Millionen Euro eingenommen worden. Grund dafür sei vor allem das verspätete Inkrafttreten nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, heißt es in der Anfragebeantwortung.
Rossmann hält allerdings auch die 300 Millionen Euro für zu hoch gegriffen. "Ich vermute, es liegt nicht weit über 100 Millionen Euro", sagt er. Auch Friedrich Schneider von der Uni Linz kommt auf andere Zahlen als das Ministerium. "Großzügig gerechnet", wie er sagt, seien es 100 bis 120 Millionen Euro gewesen. Wirklich überprüfen lässt sich dies jedoch ohnehin nicht.
Und so verhält es sich, wie die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage zeigt, bei so gut wie allen Punkten, die damals als Gegenfinanzierungsmaßnahmen zwischen SPÖ und ÖVP vereinbart worden waren. So sollte sich etwa die Reform durch einen höheren Konsum zum Teil selbst finanzieren, also konkret 850 Millionen Euro durch Mehreinnahmen bei Verbrauchssteuern wieder zurückfließen. Der Konsum ist auch tatsächlich angesprungen, soviel lässt sich sagen, aber um wieviel? Und welcher Betrag floss tatsächlich zurück? Genau das lässt sich eben ex post nicht feststellen. Was man weiß: Es ist sich halbwegs ausgegangen.
Jahrelanges Streitthema
Ein Blick zurück: Die Steuerreform hatte die Innenpolitik über Jahre begleitet. Sie war zuerst Wahlkampfthema, danach koalitionärer Streitfall, der schließlich den Rücktritt von ÖVP-Obmann Michael Spindelegger zur Folge hatte. Nach dem Regierungswechsel wurde die Steuerreform konkreter, wenngleich es noch monatelanger Verhandlungen und einiger Neuwahldrohungen bedurfte, ehe sich die zwei Regierungsparteien auf eine Entlastung in der Größenordnung von fünf Milliarden Euro einigen konnten.
Im Gegensatz zu früheren Steuerreformen sollte diese jedoch gegenfinanziert werden, also das Defizit nicht vergrößern. Es hatte zwar auch bei vergangenen, kleineren Reformen die eine oder andere Einsparungsmaßnahme gegeben, diesmal aber stellte die Regierung auf Punkt und Beistrich dar, mit welchen Maßnahmen wieviel eingenommen oder eingespart werden soll, damit sich die Republik für die Entlastung von fünf Milliarden nicht zusätzlich verschulden muss.
Optimistische Rechnung
Budgetexperten hielten diese Berechnungen jedoch für eher optimistisch - um es freundlich zu sagen. Für Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller waren die erwarteten Einnahmen aus dem Kampf gegen Steuerbetrug "sehr ambitioniert", wie sie damals sagte. Das war vermutlich besonders freundlich formuliert. Und doch: Es ging sich beinahe aus. Das Defizit erhöhte sich zwar auf 1,6 Prozent des BIP, lag jedoch nur knapp über dem erwarteten Minus von 1,4 Prozent. Außerdem erhöhte sich das Defizit auch durch eine Neuausrichtung der Regierungsarbeit nach dem Kanzlerwechsel. So erhielt etwa das Bundesheer deutlich mehr Mittel als ursprünglich veranschlagt.
Dass sich die Einnahmen aus der Registrierkassenpflicht deutlich schlechter entwickelt haben als budgetiert worden war, geht aus einem erklecklichen Minus im Budgetvollzug bei der Umsatzsteuer hervor. Das Finanzministerium hatte mit Einnahmen von 28,2 Milliarden Euro gerechnet, lukriert wurden dann um mehr als 1,1 Milliarden Euro weniger. Das hätte das Budget ziemlich zerrissen, aber - Bayern-Dusel - die Körperschaftsteuer entwickelte sich völlig unerwartet hervorragend und kompensierte diesen Ausfall bei der Umsatzsteuer. "Das hat das Budget gerettet", sagt Hans Pitlik vom Wirtschaftsforschungsinstitut.
Mehr als eine Milliarde Euro wollte man ursprünglich bei Förderungen und in der Verwaltung einsparen. Dazu sollte auch eine Monitoringstelle eingerichtet werden. "In einem halbjährlichen Monitoringbericht werden die Einhaltung der Verwaltungskostenbremse, die Einsparungen im Förderbereich und die Umsetzung und Umsetzbarkeit der Verwaltungsreformvorschläge dargestellt", hieß es damals in der Regierungsvorlage.
Geringerer Pensionszuschuss
"So einen Bericht habe ich noch nie gesehen. Diese Monitoringstelle gibt es definitiv nicht", sagt Rossmann. Was allerdings aus dem Budgetvollzug hervorgeht: Der Zuschuss zu den Pensionen aus dem Budget lag 2016 um 850 Millionen Euro unter den Berechnungen. Auch das sind Einsparungen, die sich im Nachhinein als Gegenfinanzierung der Reform herausstellten.
"Es gab hier zwei Effekte", erklärt Pitlik, "erstens war die Einnahmensituation der Pensionsversicherung enorm gut. Das war der Konjunktur geschuldet. Der zweite Effekt war ausgabenseitig. Da haben sich die Pensionsreformen ausgewirkt." Rossmann bezweifelt allerdings, dass nur die kaufmännische Vorsicht der Grund für den zu hoch angesetzten Bundeszuschuss war: "Der Finanzminister versucht durch Überbudgetierung, seine regelmäßigen Forderungen nach einer Pensionsreform zu bekräftigen."
Heta als Budgetrettung
Für mehr als eine Milliarde Euro an Einsparungen im budgetären Vollzug haben dann auch nur zwei der 58 Untergruppen beigetragen: Finanzmarktstabilität und Bundesvermögen. Dahinter steckt in dem einen Fall die Heta, die Abbaugesellschaft der Hypo Alpe Adria. Im Bundesvoranschlag hatte das Finanzministerium mit Kosten von 770 Millionen Euro gerechnet, im Vollzug waren es dann lediglich 44 Millionen Euro.
Der zweite günstige Fall betrifft Ausfuhrförderungen. Der Bund übernimmt gewisse Haftungen für Unternehmen, die exportieren. Schadensfälle passieren selten, weshalb sich dieser Posten auch immer wieder als Budgetretter in der Not erweist. So auch 2016, dem Jahr der Steuerreform.
Für einen Forscher, sagt Pitlik, sei es zwar ärgerlich, wenn man ex post nicht überprüfen könne, in welchem Ausmaß die Gegenfinanzierung realisiert wurde, es sei aber politisch sinnvoll, es vorab zu berechnen. "Man kann keine Steuerreform ohne die Ankündigung machen, wie man sie finanzieren will", sagt Pitlik. Und da ist man wieder beim Fußball. Man kann nicht ohne Strategie in ein Spiel gehen. Doch auch ein Sieg sagt dann wenig darüber aus, ob die Taktik richtig war.