Die UNO verfolgt in Krisen einen eigenen Zugang. Der ist unendlich mühsam, aber ohne Alternative.
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Der wichtige und gerade deshalb so heikle Besuch von UNO-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in China wirft ein Schlaglicht auf die Rolle der Vereinten Nationen in der allgemein prekären Lage. Wobei man sagen muss, dass am New Yorker Hauptsitz ein durchaus eigener Blick auf die Welt und ihre Herausforderungen besteht, der sich von dem im Weißen Haus, in Paris oder Brüssel und noch deutlicher von dem in Moskau oder Peking unterscheidet.
Der Unterschied liegt weniger in der Wahrnehmung der Fakten. Dass die Welt derzeit von einem dreifachen Schock durchgerüttelt wird, der neben dem Krieg in der Ukraine und der weiter grassierenden Corona-Pandemie auch die noch nicht im Ansatz bewältigte Klimakrise umfasst, ist unbestritten. Es sind die addierten Folgen dieser Krisen, die unterschiedlich wahrgenommen werden und deshalb auch zu unterschiedlichen Strategien führen.
Für die Vereinten Nationen - nomen est omen - ist die Aufrechterhaltung des Kontakts zu allen Beteiligten einer Krise oder eines Kriegs entscheidend. "Mit allen reden, mit denen man reden kann", hat das kürzlich ein hochrangiger österreichischer UNO-Beamter auf den Punkt gebracht. Einen Staat zu boykottieren, wie es auf zwischenstaatlicher Ebene mitunter geschieht, widerspricht diesem Selbstverständnis. Nicht einmal den russischen Beschuss Kiews während des Besuchs von Generalsekretär Antonio Guterres wollte man bei der UNO persönlich nehmen.
Das ist notwendig, wenn die UNO sich ihren Zielen zumindest schrittweise annähern (oder jedenfalls nicht zurückfallen) will: Im Falle von Krieg und Gewalt heißt das, schnellstmöglich die Waffen zum Schweigen zu bringen; bei Krisen, die Folgen für die Schwächsten abzufedern. Tatsächlich sind es die am wenigsten entwickelten Staaten der Welt, die diese am stärksten spüren.
Gewalt ist auch das dominante Thema beim Besuch von Bachelet in China. Die Lage der muslimischen Minderheit der Uiguren in Xinjiang steht dabei im Fokus, Peking regiert hier mit harter Hand, dazu zählen auch Folter, erzwungene Geburtenkontrolle und Umerziehungslager. Die EU wie die USA haben deshalb - relativ gelinde - Sanktionen verhängt, was Peking mit Gegenmaßnahmen vergilt.
Bachelet kann es sich nicht so einfach machen. Der Erfolg ihrer Mission muss sich daran bemessen, ob die Uiguren deswegen Aussicht auf ein Leben in größerer Freiheit haben - oder eben nicht. Dabei zählen auch kleinste Fortschritte. Einzig ein diplomatischer Showdown und Säbelrasseln zählen nicht. Die sind nämlich meist nur für die Galerie.