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Hausaufgaben für den Kandidaten

Von Martyna Czarnowska

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"Vielleicht kommen wir rein, vielleicht auch nicht." Wenn Drago auf die Pläne seines Landes zum EU-Beitritt angesprochen wird, bleibt er völlig gelassen. Der 25-jährige Kroate arbeitet als Empfangschef in einem Hotel in Rijeka; fast unmerklich lehnt er sich an die Rezeption, wenn er erzählt. "Kroatien ist noch nicht reif für eine EU-Mitgliedschaft", sagt er. "Wir sind es vielleicht in zehn Jahren. Und bis dahin müssen wir noch viel arbeiten." Als erstes fällt Drago die Korruption ein. "Es gibt noch immer so viel davon. In der Polizei, in der Verwaltung. Wir müssen etwas dagegen tun."


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Und dann lässt er sich doch ein wenig aus der Ruhe bringen - als er den Einwand hört, dass es Rumänien und Bulgarien ja auch geschafft haben, der Europäischen Union beizutreten. "Ach die!" ruft Drago aus. "Die wären auch in hundert Jahren nicht reif dafür. Die haben doch nicht einmal 50 Kilometer Autobahn."

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Die Begeisterung der Kroaten über den möglichen EU-Beitritt ihres Landes ist mit den Jahren gesunken. Am populärsten war die Idee im März 1998, als laut einer Umfrage 88 Prozent der Menschen die Mitgliedschaft befürworteten. Sieben Jahre später war schon fast jeder zweite dagegen. Mittlerweile liegt die Unterstützung für einen EU-Beitritt bei etwas mehr als 50 Prozent.

Diesen Trend gab es bei den meisten Beitrittskandidaten. Je greifbarer eine EU-Mitgliedschaft wird, je mehr Information darüber verbreitet wird, umso größer werden die Sorgen. "Die Lebensmittel werden teurer, aber die Löhne steigen nicht." "Die besten Grundstücke werden an Ausländer verscherbelt." "Wir werden unsere Produkte aufgeben müssen und bekommen nur noch Joghurt aus Deutschland." All die Befürchtungen äußerten vor einem EU-Beitritt schon Menschen in Spanien, Polen, Tschechien, Bulgarien - und genauso in Österreich.

Eines ist in Kroatien aber anders: Es ist noch nicht einmal festgelegt, wann das Land EU-Mitglied wird. Denn dass es ein Fehler war, Kandidaten wie Rumänien und Bulgarien ein fixes Beitrittsdatum zu geben, räumen Diplomaten in Brüssel mittlerweile nicht nur hinter vorgehaltener Hand ein. Rückte das Datum näher, ließ der Reformeifer nach.

So muss sich die kroatische Regierung selbst ein Ziel stecken. Bis Ende 2008 möchte sie die Verhandlungen mit der Union abschließen und noch in diesem Jahrzehnt die EU-Mitgliedschaft erreichen. Bereits davor könnte Kroatien ein Nato-Staat werden.

Die EU-Kommission hat dem Land aber noch einige Aufgaben erteilt. Wie die Justizmüsse auch die Verwaltungsreform beschleunigt werden. Die Behörden stünden nämlich weiter unter politischem Einfluss - bis hin zur Rekrutierung von technischem Personal.

Ebenso drängt die Brüsseler Behörde auf Restrukturierungen in den Schiffswerften, die tiefrote Zahlen schreiben. Die Verluste der fünf großen Unternehmen "3. Maj" und "Uljanik" (Rijeka), "Brodosplit" und "Brodotrogir" sowie der Werft in Kraljevica seien auf 5,2 Milliarden Kuna (710 Millionen Euro) gestiegen, berichtete das Belgrader Blatt "Biznis". Laut der kroatischen Zeitung "business.hr" machten die staatlichen Subventionen im Vorjahr 2,6 Milliarden Kuna aus.

Dass die Regierung in Zagreb vor der Parlamentswahl daran nicht rütteln würde, war abzusehen. Immerhin beschäftigen die Werften an die 11.000 Mitarbeiter.

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Wer auch immer die kroatische Regierung nach der Wahl am vergangenen Sonntag bilden wird, muss sich dem Problem der Schiffsindustrie stellen. Welche Partei das aber sein wird - die konservative regierende HDZ oder die zweitstärkste Fraktion, die Sozialdemokraten - ist noch offen. Staatspräsident Stjepan Mesic will den Auftrag zur Regierungsbildung offenbar erst erteilen, wenn das offizielle Wahlergebnis bekannt ist.

Das wäre frühestens am 11. Dezember der Fall. Zwei Tage zuvor muss nämlich das Votum in zwei Wahllokalen in Zadar und Negoslavci wiederholt werden. Nach den Wahlen am Sonntag waren dort mehr Wahlzettel aufgetaucht, als Wähler registriert waren.