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Häuserkampf - auch für Frauen

Von Michael Schmölzer

Politik

Interview mit der österreichischen Politologin Saskia Stachowitsch.


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US-Soldatinnen sollen künftig auch an vorderster Front kämpfen dürfen. Verteidigungsminister Leon Panetta hob am Donnerstag ein generelles Verbot für Frauen auf, in Kampftruppen zu dienen. Nach einer "ausgiebigen Untersuchung" hätten sich ranghohe Militärs einstimmig dafür ausgesprochen, Soldatinnen "so weit wie möglich" in die Kampftruppen aufzunehmen, sagte Panetta. Die "Wiener Zeitung" hat die Politologin Saskia Stachowitsch zum Thema befragt.

"Wiener Zeitung":Frauen bei der kämpfenden Truppe: Ist das eine sinnvolle Sache?Saskia Stachowitsch: Es wird so getan, als hätten Frauen bis jetzt nicht in Kampfpositionen gedient. Das stimmt nicht. In der Navy und der Airforce dürfen Frauen schon länger alle Positionen einnehmen. Was jetzt gefallen ist, ist der Bodenkampf. Es gibt die Tendenz, Frauen immer dann zu integrieren, wenn es Rekrutierungsprobleme gibt. Das betrifft spezialisierte Einheiten, wo man eine Qualifikation braucht. Da sind Männer oft Mangelware. Bei den kämpfenden Bodentruppen ist es schwieriger, Frauen zu integrieren, weil hier der geringste Qualifikationsgrad vonnöten ist. Auch bei den prestigeträchtigen Toppositionen in der Armee, die gut bezahlt sind, gibt es die Tendenz, Frauen auszuschließen.

Bei der Infanterie gibt es keinen Personalmangel, weil das jeder kann. Warum also jetzt die Öffnung hier für Frauen?

Man lässt Frauen schon lange mitmachen, gleichzeitig beschränkt man sie auf einen bestimmten Bereich. Da stellt sich die Frage, wo ziehen wir die Grenze? Wieso dürfen Frauen einen Kampfjet fliegen, was ja körperlich sehr anstrengend ist, und wieso dürfen sie nicht am Häuserkampf teilnehmen? Oder in Spezialeinheiten dienen? Die Widersprüche werden einfach immer größer. Und dann hat man die Probleme mit der Front-Etappen-Teilung, die in den modernen Kriegen überhaupt keinen Sinn mehr macht. Im modernen Kriegsgeschehen wird schnell eine Versorgungseinheit angegriffen und die ist dann mitten im Kampfgeschehen.

Bei den Spezialeinheiten ist ein extrem hartes Training vonnöten, da geht es um Nahkampf, wie passen Frauen da rein?

Das kommt auf die Stereotypen an. Wenn man Frauen mit Friedfertigkeit und den "schönen Seelen" assoziiert, dann passt es natürlich nicht. Es gibt sicher viele kulturelle Vorstellungen, die diese gesetzliche Möglichkeit für Frauen, wenn sie dann in Kraft ist, noch einmal unterlaufen.

Wie ist das mit sexuellen Übergriffen, wenn Frauen in Kampfeinheiten dienen?

Diese Übergriffe sind immer dann besonders stark, wenn Frauen irgendwo starten und wenig integriert sind. Je mehr Frauen auf allen Ebenen vertreten sind, desto seltener diese Übergriffe. Es wird dieses Argument oft als Ausschlussgrund gehandelt. Wenn so etwas von der Führung nicht akzeptiert wird, dann kommt das auch nicht vor.

Wenn das Kreise zieht, gehen dann bald Frauenkompanien gegen Frauenkompanien los, schaut dann Krieg nicht irgendwann völlig anders aus, als wir es jetzt kennen? Oder ist das dann genauso brutal wie immer?

Es gibt viele Feministinnen, die die Hoffnung haben, dass sich etwas ändert, wenn Frauen in bestimmte Institutionen vordringen. Es gibt auch Leute, die sagen, für die moderne Kriegsführung brauchen wir den verstehenden Ansatz. Für Peace-Keeping und Peace-Building sind ganz andere Kompetenzen gefragt, da muss man Frauen reinbringen, die diesen sozialen Aspekt stärker abdecken können. Ich glaube nicht, dass sich an der Institutionslogik durch das Geschlecht der teilnehmenden Leute etwas ändert. Die institutionalisierten Werte bleiben die gleichen. Die sind männlich geprägt, schon historisch gesehen. Frauen können rein durch ihr Frausein da nichts Antimilitaristisches einbringen. Ich glaube, das ist ein bisschen viel verlangt von den Frauen.

Werden sich viele Frauen für Kampfeinsätze melden?

Es sind, glaube ich, viele Frauen, die sich dafür interessieren würden. Wie viele dann wirklich beitreten, ist eine andere Frage.

Sie begrüßen also die Reform der US-Armee?

Die Frauen in der US-Armee erkennen sehr wohl, dass dieser letzte Ausschluss verhindert, dass sie in der Institution gleichgestellt sind und auch als Gleiche anerkannt werden. Die bestehenden Ausschlüsse rechtfertigen, dass Frauen in der Armee als geringer angesehen werden.

Saskia Stachowitsch arbeitet am Institut für Politikwissenschaft, ein Forschungsschwerpunkt ist Geschlecht und Militär. Publikationen: "Gender Ideologies and Military Labor Markets in the U.S.", London, und "Fighting Women. Der Einfluss von Entwicklungen am militärischen Arbeitsmarkt auf Geschlechterideologien am Beispiel USA", in: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft, Nr. 2.