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Haushaltsbücher als Kulturtechnik

Von Brigitte Suchan

Reflexionen
© Bilderbox

Über Geld spricht man nicht, heißt es, man hat es. Um vorhandene Mittel zu kontrollieren, empfiehlt es sich, ein Haushaltsbuch zu führen.


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Die Queen hat eins und die Ägypter hatten auch schon welche: Aufzeichnungen über den Mehlverbrauch im Ägypten des 7. Jahrhunderts finden sich etwa im Papyrusmuseum. Haushaltsbücher zu führen, ist eine alte Kulturtechnik. Von jeher waren sie dazu bestimmt, den Fluss der vorhandenen Mittel nachzuvollziehen. Nicht viele Menschen können freilich so aus dem Vollen schöpfen wie die Königin von England. In ihrem Haushaltsbuch sind Gartenpartys mit 850.000 Euro, Möbel mit 240.000 Euro, Essen und Küche mit 600.000 Euro veranschlagt. Auch ein jährliches Einkommen von 9,6 Millionen Euro verbraucht sich relativ rasch, wenn man die Kosten nicht im Auge behält…

Ein Haushaltsbuch zu führen, ist auch der erste Ratschlag, den die Schuldenberatung ihren Klienten gibt. Neun Prozent, das sind 748.000 Personen, leben in Österreich in einem Haushalt mit Schuldenproblemen, über 50.000 suchen jährlich Unterstützung bei anerkannten Schuldenberatungen. Das zeigen aktuelle Daten im von der Dachorganisation der Schuldenberatungen veröffentlichten Schuldenreport 2010.

Die Soziologin und Erwachsenenbildnerin Esther Egger-Rollig beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Thema Haushaltsbuch. Haushaltsbücher im historischen Kontext geben Auskunft über das tägliche Leben der Menschen, vor allem der Frauen. Es war und ist die Aufgabe der Frauen, den "Mangel zu verwalten", wie es in einer Broschüre des "abz austria" ¹? euphemistisch formuliert wird. Vom Instrument der Kontrolle über Untergebene bis zu tagebuchähnlichen Aufzeichnungen reicht die Bandbreite der Haushaltsbücher. "Oft sind in die Ausgaben-Einnahmen-Tabellen ganze Schicksale hineinverwoben", erzählt die Soziologin, die ein besonderes Interesse an diesen Frauenbiografien hat.

Das bekannte Haushaltbuch der Elsa Chotzen etwa dokumentiert das Schicksal einer jüdischen Familie in Berlin von 1937 bis 1946. In ein großformatiges Haushaltsbuch trug "Mutti Chotzen" auf den Pfennig genau sämtliche Einkünfte und Ausgaben ihrer sechsköpfigen Familie ein. Zu den Schätzen der "Sammlung Frauennachlässe" am Institut für Geschichte der Universität Wien gehören die Aufzeichnungen einer Müllerin aus Niederösterreich, die von 1941 an im Laufe von drei Jahrzehnten mehrere Tagebücher verfasst hat, in dem sie das damals übliche "Mahl- und Schrotbuch" und ihre Haushaltsbücher mit persönlichen Erlebnissen anreicherte.

Wenn man sich so anschaut, was die Dinge des täglichen Lebens kosten und die in Österreich üblichen Löhne dagegen hält, wird rasch klar: Das kann sich nicht ausgehen. "Tut es auch nicht", bestätigt Esther Egger-Rollig. Mit ihren Kursen "Kraftquelle Haushaltsbuch" wendet sie sich vor allem an Frauen. 72 Prozent der Konsumausgaben werden in Österreich von Frauen getätigt. Es handelt sich dabei vor allem um Einkäufe des täglichen Bedarfs oder des Bedarfs von Kindern. Aber auch Entscheidungen über notwendige langfristige Konsumgüter werden oft von Frauen getroffen. Wer einen Großteil der Konsumentscheidungen trifft, hat auch die Macht, durch das eigene Konsumverhalten Einsparungspotentiale zu nützen und sich gewissen Konsumzwängen zu widersetzen. Und genau da setzt Esther Egger-Rollig mit ihrer Arbeit an. Mit dem Führen eines Haushaltsbuchs sollen Frauen in die Lage versetzt werden, ihre Mittel eigenverantwortlich zu verwalten, es als Steuerungsinstrument zu verwenden. Dabei geht es keineswegs ums Sparen, sondern um die Kontrolle der zur Verfügung stehenden Mittel, stellt sie klar. "In meinen Kursen merke ich oft, wie sehr es die Frauen entlastet, wenn sie bemerken, dass andere mit ihrem Geld auch nicht auskommen, dass das nichts zu tun hat mit einer persönlichen Fehlleistung. Wenn zu wenig Geld da ist, stellen die Frauen oft ihre eigenen Wünsche hintan.

Aber das muss nicht sein. Wenn ich die Kontrolle über die Ausgaben behalte, kann ich gezielt steuern, wo das Geld hinfließt. Dann regiert nicht das Geld mich, sondern ich bestimme darüber." Ihre Kurse sind jeweils in vier Einheiten gegliedert mit maximal acht Teilnehmerinnen. Wer wie viel verdient, wird nicht verraten. Aber es wird zum Beispiel heftig diskutiert über Konsumzwänge.

Esther Egger-Rollig trägt beim Interview ein elegantes Kostüm, Aufsteckfrisur und zurückhaltenden Schmuck. Keine Marken. "Wenn man weiß wie, kann man gut sozial schummeln", lächelt sie. Das Gespräch nimmt eine philosophische Wendung. "Theoretisch sind wir Menschen gleich, die Gesellschaft konstruiert die Unterschiede. Aber müssen wir uns so unterscheiden?"

Das Thema Haushaltsbuch geht in ihrer Definition weit über die einfache Ausgaben-Einnahmen-Auflistung hinaus. Ein besonderes Anliegen ist es ihr, Frauen vom Konsumzwang, den die Werbung oft vermittelt, zu befreien. Die Fragestellung sollte lauten: Wer will ich eigentlich sein, und brauche ich unbedingt eine Marke, um mich zu definieren? Nach ihren Seminaren seien Frauen oft viel frecher gegenüber den Marketingstrategien diverser Konzerne, stellt sie fest und lächelt spitzbübisch. "Frecher und freier." Als Konsumverweigerin sieht sie sich dennoch nicht, aber es liegt ihr daran, die Frauen kritischer zu machen und Entscheidungen "vom eigenen Territorium aus zu treffen." Damit das Geld dorthin fließt, wo frau es will und nicht durch die Finger rinnt.

Info & Kontakt.

Termine für Esther Egger-Rolligs Kurs "Kraftquelle Haushaltbuch"

Kurs B: Montag, 17 bis 20 Uhr; 4 Einheiten: 20. Sept., 4., 25. Okt., 8. Nov.

Kurs C: Mittwoch, 9 bis 12 Uhr; 4 Einheiten: 29. Sept., 13., 27. Okt., 10. Nov.

Kosten: 60 EUR

Veranstaltet vom Bildungszentrum Wien Nord-Ost, Donaucitystraße 2

Anmeldung erforderlich: T: 01/263 09 52 oder 01/27 15 023-22

Begrenzte Teilnehmerzahl: 5-8

www.robust-haushalten.at