EU-Kommission legt ihre Bewertung der Budget- und Reformvorhaben der Mitgliedstaaten vor.
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Brüssel/Wien. Ist die EU-Kommission mit dem aktuellen Haushaltsentwurf Österreichs zufrieden? Die Antwort gibt es am Freitag bei der Bewertung der nationalen Budgets durch die Behörde. Im Vorfeld der Präsentation sickerten jedoch bereits erste Details durch: Österreich lässt aus Brüsseler Sicht zwar einiges zu wünschen übrig, doch hat es den Anschein, als könne die EU-Kommission bei den Verfehlungen vorerst nachsichtig sein. Das für das Jahr 2017 vorgegebene Ziel eines strukturellen Defizits in maximaler Höhe von 0,45 Prozent ist mit 0,7 Prozent noch in Ferne. Auch die Gesamtverschuldung in Höhe von 87 Prozent liegt weit über den 60 Prozent, die der Stabilitätspakt für mehr Haushaltsdisziplin vorsieht.
Wenig hilfreich bei der Lösung des Problems ist, dass die Neuverschuldung in Höhe von 1,8 Prozent das Wirtschaftswachstum in Höhe von 1,2 Prozent klar übersteigt. Zwar bleibt Österreich noch die Übergangszeit von drei Jahren, doch "irgendwann wird man das beheben müssen", erklärte ein hochrangiger EU-Beamter am Mittwoch vor Journalisten in Wien. Ein Verfahren wegen Überschreitung der Defizit-Grenzen dürfte aber derzeit wohl nicht drohen. Im Fokus steht vielmehr die Frage, ob gegen Frankreich solche Maßnahmen eingeleitet werden oder nicht.
Der Streit über die Haushaltspläne in Paris aber auch in Rom schwelt schon seit längerem. Zwar ortet die Kommission sehr wohl die Gefahr, dass die beiden Länder die Regeln des Stabilitätspaktes verletzen könnten, weswegen Frankreich eine Strafe droht und Italien unter besonderer Beobachtung steht. Doch eine abschließende Bewertung könnte auf das kommende Jahr verschoben werden.
Parallel zu ihren Stellungnahmen zu den Budgetentwürfen veröffentlicht die Kommission ebenfalls den Bericht zum Frühwarnmechanismus. Dieser ist Teil des Europäischen Semesters, das der Überprüfung der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedstaaten dient.
Kontrolle für Reformpläne
Als eine Konsequenz der Finanzkrise vor drei Jahren eingeführt, soll die Übung den Ländern dabei helfen, ihre Budget- und Reformpläne zu koordinieren. Berücksichtigt werden etliche Faktoren, von Bildung über Beschäftigung bis zum Finanzwesen. Eines der Ziele dabei ist, frühzeitig Probleme zu erkennen wie beispielsweise Immobilienblasen, Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt oder sinkende Wettbewerbsfähigkeit - und damit Verwerfungen, die die Gemeinschaft aus der Balance bringen könnten.
Diese so genannten makroökonomischen Ungleichgewichte untersucht die Kommission als Erstes. Der am Freitag vorgelegte Bericht zum Frühwarnmechanismus beinhaltet aber noch keine Schlussfolgerungen, sondern soll jene Staaten identifizieren, in denen eine vertiefte Analyse notwendig erscheint. Diese soll dann bis März abgeschlossen sein und ersichtlich machen, ob es in den Ländern leichte oder schwerwiegende Ungleichgewichte gibt. Später im Frühling gibt die Kommission ihre Reform-Empfehlungen für die Mitglieder ab, über die diese noch beraten.
Ihre Vorschläge hat die Kommission aber bereits parat - ebenfalls für Österreich. Dort ortet sie als dringlichste erforderliche Maßnahme die Angleichung des Pensionsalters von Männern und Frauen. "Das ist auf Beamtenebene bereits erfolgt, nun sollte es auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt werden", hieß es gegenüber der "Wiener Zeitung".
Ein weiterer dringlicher - und immer wieder angesprochener - Punkt ist für die EU-Kommission der Abbau von Doppelgleisigkeiten im Bereich Finanzen zwischen Bund und Ländern. Parallelstrukturen führten hier zu einem enormen Mehraufwand: "Österreich hat um 30 Prozent höhere Verwaltungskosten als Dänemark." Das betreffe nicht zuletzt den Gesundheits- und Bildungsbereich.
Bund versus Länder
In Kreisen der EU-Kommission wird es als merkwürdig empfunden, dass etwa im Schulwesen das Geld vom Bund komme, die Entscheidungshoheit darüber, wie es verwendet wird, jedoch bei den Ländern liege. Überhaupt bestehe im Bildungsbereich Handlungsbedarf, vor allem, was niedere soziale Schichten betreffe. Im Klartext heißt das: mehr Kinderkrippen, mehr Kindergärten und die Einführung der Gesamtschule.
Auch beim Thema Wettbewerbsfähigkeit üben die EU-Beamten Kritik an Österreich. So seien zu viele Berufe - darunter beispielsweise Floristen - reguliert. Dringenden Reformbedarf gebe es bei der Bundeswettbewerbsbehörde. Diese sei sowohl personell als auch rechtlich viel zu schwach aufgestellt.
In einem Punkt sind die EU-Beamten jedoch voll zufrieden: bei der Beschäftigungspolitik. "Hier haben wir nichts zu bemängeln." Im Gegenteil. Mit seinem Lehrlingssystem könne Österreich anderen Ländern durchaus als Vorbild dienen.