Dass eine Creme die Haut vor Umwelteinflüssen schützt, ist längst Mindestvoraussetzung. Heute wird zunehmend erwartet, dass Cremes und Lotionen die Haut auch jugendlich erhalten, dem Alterungsprozess vorbeugen und dass sie dabei weder Allergien noch sonstige Reizungen auslösen. Wenn es den großen Herstellern nun immer besser gelingt, diese Hoffnungen und Versprechungen zu realisieren, dann steckt dahinter eine langjährige High-tech-Entwicklung, von der primär die Medizin profitiert, die aber auch von der kosmetischen Industrie genützt wird: Die künstliche Haut aus menschlichen Zellen.
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Organrekonstruktion ist ein vordringliches Anliegen der biomedizinischen Forschung zum Ersatz, Wiederaufbau oder Erhalt humanen Gewebes, ja sogar ganzer Organe. Die Haut war das erste unter ihnen, das aus menschlichen Zellen rekonstruiert werden konnte. Sehr rasch weiteten sich die Anwendungsgebiete auf Dermatologie und Kosmetik aus. Unter den Pionieren dieses bahnbrechenden Unterfangens, Haut in vitro herzustellen und dafür menschliche Lederhaut- und Oberhautzellen (Corium und Epidermis) zu verwenden, waren Forscher des bekannten Kosmetikherstellers L'Oréal, eines der weltgrößten Unternehmen auf diesem Gebiet.
Das erste Hautmodell wurde 1979 unter ausschließlicher Verwendung von Keratinozyten hergestellt und bestand nur aus Oberhaut mit Hornhautschicht. Seither hat sich die Methode schrittweise weiterentwickelt und verfeinert, indem auch andere Zelltypen verwendet wurden. Durch die Integration von Melanozyten, die für die Hautpigmentierung verantwortlich sind, kann man den Prozess der Synthese von Hautpigmenten untersuchen. Ein anderes Modell beinhaltet Langerhans Zellen, die für das Immunsystem (Immunantwort) wichtig sind und ermöglicht die Erforschung von allergischen Hautreaktionen.
Das erste Modell mit all diesen drei Hauptbausteinen der Haut wurde 1997 in den L'Oréal-Labors rekonstruiert. Um die Funktion der Fibroblasten - der Zellen, die die Lederhaut aufbauen - untersuchen zu können, gelang es den L'Oréal-Labors, eine Oberhaut (Epidermis) auf einem der Lederhaut ähnlichem Konstrukt wachsen zu lassen. Mit seiner Hilfe kann man die Wirkung von ultravioletten Strahlen auf die Haut und den Hautalterungsprozesse durch Licht untersuchen. Die neueste Entwicklung aus dem Jahr 2004 ist die Rekonstruktion gealterter Haut, mit der bestimmte Mechanismen, die zur Hautalterung führen (wie eben UV-Strahlung), beobachtet werden können.
EPISKIN-Zentrum
Im Jahr 2000 gründete L'Oréal in Gerland in Frankreich ein eigenes Zentrum für die industrielle in vitro Rekonstruktion der Haut. Es trägt den Namen EPISKIN SNC. Dort wird in hochsensiblen Prozessen unter optimalen Bedingungen epidermales Gewebe hergestellt und vermarktet, das in drei Bereichen eingesetzt wird: Zum Testen der Verträglichkeit von Produkten und neuen Inhaltsstoffen und zur Validierung neuer Testmethoden als Alternative zu den früheren Tierversuchen.
Medizinische Forschung
Die medizinische Anwendung reicht von der Plastischen- und Wiederherstellungschirurgie nach Unfällen und Verbrennungen bis zur Dermatologie und Krebsforschung. Ein Beispiel für die dermatologische Anwendung ist die Erforschung der seltenen Krankheit Xeroderma Pigmentosis, einer pathologisch erhöhten Lichtempfindlichkeit der Haut. Die Folge ist die Bildung von Hautkrebs schon im Kindesalter. L'Oréal-Forscher stellten ein dem Krankheitsbild entsprechendes Hautgewebe künstlich her und analysierten es. Dabei wurde eine abnorme Zellteilung als genetische Ursache für die Entstehung erkannt. Dieses Forschungsergebnis wurde erstmals beim Kongress Skintechno 2004 im Oktober in Lausanne veröffentlicht.
Kosmetische Forschung
Bevor ein Produkt auf den Markt gebracht werden kann, muss seine Wirksamkeit und Sicherheit einwandfrei wissenschaftlich nachgewiesen sein. Diese Tests werden bei L'Oréal seit 1989 nicht mehr am Tier durchgeführt, sondern an der in vitro rekonstruierten Haut. Damit ist das Unternehmen führend bei der Entwicklung alternativer und zudem wesentlich verlässlicherer Testmethoden.
Stammzellen und Hormone
Epidermale Stammzellen sind nicht nur leicht zugänglich, sondern aus nahe liegenden Gründen besonders interessant für Forscher aus den Bereichen Kosmetik, Dermatologie und Stammzellbiologie. L'Oréal-Forscher haben verschiedene Untersuchungen an solchen Stammzellen durchgeführt, unter anderem zur Analyse bestimmter Merkmale gealterter Haut. Zusätzlich auf ihrem Programm stehen derzeit weitere Forschungen zum Einfluss der Hormone auf die Hautalterung.