Tschechiens Ex-Präsident Vaclav Havel will zurück in die Politik: Das vermelden zumindest die Prager Tageszeitungen. Demnach sucht der erst vor einigen Wochen in den Ruhestand getretene Politiker wieder eine "sinnvolle Aufgabe" und will als "Botschafter des guten Willens" die Integration seines Landes in die Europäische Union vorantreiben.
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Derzeit genießt Havel noch seine neu gewonnene Freiheit als Privatmann: Gemeinsam mit seiner Frau Dagmar tourt er in einem Geländewagen durch Europa um dieses abseits der "getönten Scheiben gepanzerter Staatskarossen" kennen zu lernen, wie die Tageszeitung "Pravo" den Ex-Präsidenten zitiert.
Mit der Beschaulichkeit soll es aber schon in einigen Wochen vorbei sein: Das tschechische Außenministerium hat sowohl Vaclav Havel, als auch seiner Gattin Dagmar bereits Diplomatenpässe ausstellen lassen, der Status eines "Sonderbotschafters" soll dem rastlosen Politiker und Literaten demnächst erteilt werden. An den formellen Einzelheiten wird in Prag noch gearbeitet.
Laut ersten Informationen soll Havel in seiner künftigen Rolle eng mit dem tschechischen Außenminister Cyril Svoboda zusammenarbeiten. Eine Reihe von gemeinsamen Projekten werde bereits geprüft. Im Vordergrund soll dabei die Unterstützung Tschechiens auf seinem Weg in die erweiterte Union stehen.
Die meisten tschechischen Zeitungen beurteilen diesen Schritt äußerst wohlwollend: Eine aktive Rolle in Sachen EU-Integration sei Havel "wie auf den Leib geschneidert", meint etwa die "Prager Zeitung": Der ehemalige Staatspräsident genieße im Ausland mehr Ansehen als jeder andere tschechische Politiker.
EU-Aushängeschild
Für viele Beobachter braucht Tschechien ein wirksames Aushängeschild nötiger denn je: Havels Nachfolger, Vaclav Klaus, gilt als Euroskeptiker und löst dabei sowohl bei der tschechischen Regierung wie in der EU Befremden aus. Unvergesslich wird den Tschechen wohl die verbissene Miene des Präsidenten nach dem erfolgreichen EU-Referendum bleiben: Erst mehrere Stunden nach Bekanntgabe des tschechischen "Ja" zu Europa ließ Klaus durch einen Sprecher schmallippig verkünden, dass er von dem Ergebnis "nicht überrascht" sei. Auch bei der anschließenden EU-Beitrittsfeier hielt sich Klaus betont im Hintergrund.
Die tschechische Regierung könnte deshalb darum bemüht sein, mit Havel einen "überzeugten Europäer" als Gegengewicht zu Klaus einzusetzen. Havel selbst gefällt sich bereits in dieser Rolle und ließ in den vergangenen Tagen keine Gelegenheit aus, seinen Nachfolger indirekt zu maßregeln: So bezeichnete er Tschechiens Euroskeptiker zuletzt als "arrogant und kurzsichtig". Die meisten Beobachter waren sich sicher, wen genau er damit meinte.