Ein Kind erwarten - die natürlichste Sache der Welt? Das "Wiener Journal" begleitete zwei Hebammen bei ihrer Arbeit.
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es beginnt mit zwei Strichen beim Schwangerschaftstest und einem Ultraschallbild beim Frauenarzt. Aber wie geht es weiter? Den Frauenarzt wöchentlich anrufen wegen Fragen nach den wichtigsten Vitaminen oder der passenden Geburtsvorbereitung? Die Schwangere sehnt sich nach einer Vertrauensperson, die sie die nächsten Monate begleitet. Schließlich schwirren Fernsehbilder im Kopf herum: Frau liegt in den Wehen und erreicht den Partner am Handy nicht, usw. Hebammen sind solche Vertrauenspersonen für die Frauen.
Frauen stehen im Mittelpunkt. 140 Babys hat Margarete Hoffer schon auf die Welt gebracht - als Hebamme natürlich. Davon 70 bereits in der Ausbildung. Baby Nummer 117 der 27-jährigen Oberösterreicherin war der kleine Alexander. Drei Wochen nach der Geburt ging es Mutter und Baby prächtig. Hebamme Margarete kommt vorbei, wiegt das Baby in einer Storchenwaage ab und beantwortet etwaige Fragen der Wöchnerin. Außerdem ist eine ihrer Aufgaben die Kontrolle, ob sich Bauchdecke, Gebärmutter und Beckenbodenmuskulatur zurückgebildet haben (Schwangerschaftsrückbildungen).
"Ich habe schon in der Schulzeit gewusst, dass ich nach der Matura in einen sozialen Beruf will, aber welcher Beruf es werden sollte, war mir damals noch nicht klar. Als ich mit 17 in einem Krankenhaus auf verschiedenen Stationen geschnuppert habe, durfte ich zufällig eine Geburt im Kreißsaal erleben. Da wusste ich, das muss es sein." Also machte sie die Ausbildung an der Hebammen-Akademie in Mistelbach, damals dauerte die Ausbildung zwei Jahre. Mittlerweile wurde die Akademie in eine Fachhochschule umgewandelt. War der Wunsch mit Babys zu arbeiten so groß? "Nein, das soll sich jetzt nicht falsch anhören. Natürlich habe ich als Teenager gerne auf Kleinkinder aufgepasst, um mir Taschengeld dazuzuverdienen. Aber in meinem Job geht es in erster Linie nicht um die Babys, sondern um die Frauen!" Margarete Hoffer begleitet ihre Frauen bei Hausgeburten und nur zu bestimmten Terminen ins Spital.
und wider KAISERSCHNITT. Im Gegensatz zu Klein-Alexander, den das Blitzlichtgewitter wenig kratzt, beginnt sich der Sohn von Martina Koll im Bauch der Mutter heftig zu bewegen, als der Fotograf mit seiner Arbeit beginnt.
Hebamme Andrea Sandmair tastet anhand der sogenannten Leopoldschen Handgriffe ab, wie das Ungeborene liegt. Sandmair: "Bei Martina lässt sich das Baby leicht ertasten, weil sie so schlank ist. Ich habe damals bei meinem ersten Kind 22 Kilo zugenommen. Der Richtwert beträgt 8 bis 15 Kilo." Schon seit 12 Jahren ist Andrea Sandmair Hebamme. Bis zu ihrem ersten Kind arbeitete die Mutter zweier Kinder als Kindergärtnerin und Horterzieherin. "Schon damals dachte ich mir, was ein schöner Beruf Hebamme doch sei. Also sagte ich mir: Jetzt oder nie. Ich hatte Glück, dass ich gleich genommen wurde."
Bei dem Thema "Wunsch-Kaiserschnitt" kann die zierliche Hebamme ganz schön unrund werden: "Die Frauen werden viel zu wenig aufgeklärt. Natürlich spricht nichts gegen einen Kaiserschnitt, wenn er medizinisch indiziert ist. Für alle anderen gilt aber: Ein Kaiserschnitt ist eine schwere Bauch-Operation", stellt Hebamme Andrea klar. Frauen, die natürlich gebären würden, könnten viel schneller aufstehen und das Krankenhaus verlassen. Die Wahlhebamme für den Göttlichen Heiland und das Goldene Kreuz weiß, wovon sie spricht: Sie selbst hat sowohl eine natürliche Geburt hinter sich als auch einen Not-Kaiserschnitt in der 29. Woche. Andrea Sandmair machte in den vergangenen Jahren die Beobachtung, dass sich die Fragen der Frauen vor allem um Ernährung und Sport in der Schwangerschaft drehen. Früher sei hingegen für Schwangere klar gewesen, solange sie keine Beschwerden haben, können sie alles machen.
alternativen zu schmerzmitteln. Menschen neigen heutzutage dazu, bei kleinen Schmerzen bereits zu Medikamenten zu greifen. Hoffer und Sandmair setzen lieber auf Traditionelle Chinesische Medizin und auf Akupunktur. Die feinen Nadeln würden Schwangerschafts-Übelkeit lindern, Ischias-Schmerzen bekämpfen und auch bei Wassereinlagerungen Abhilfe leisten. Gute Erfahrungen haben beide mit dem sogenannten Moxen gemacht. Bei einer Beckenendlage (Baby hat sich nicht mit dem Kopf nach unten gedreht) wird eine kleine Menge von getrockneten Beifußkräutern bei einem Akupunktur-Punkt am Fuß abgebrannt. Die Wärme und das Kraut fördern die Durchblutung - das Baby dreht sich.
Zu unterscheiden sind angestellte Hebammen in einem Krankenhaus und Wahlhebammen, die schon vor der Geburt die Frauen betreuen und sie bei der Geburt ins Krankenhaus begleiten oder selbst die Hausgeburt organisieren. Apropos Hausgeburt: In Österreich bringen nur zwei Prozent der Frauen ihre Babys zu Hause zur Welt. In Holland liegt dieser Wert hingegen bei 40 Prozent. In Österreich gibt es rund 1800 Hebammen, in Holland rund 2000 Hebammen. Der Unterschied zu Holland liegt darin, dass die Schwangerenbetreuung durch den Hausarzt und die Hebamme erfolgt. Auch die allgemeine gesundheitliche Betreuung liegt dort beim Allgemeinmediziner - ins Krankenhaus geht nur, wer wirklich krank ist.
binsenweisheiten. Rund um die Schwangerschaft gibt's viele Mythen: Bei einem runden Bauch wirds ein Mädchen, bei einem spitzen Bauch ein Bub. Süßes und Saures wird wild durcheinander gegessen. Bei einem großen Bauch wird es ein großes Baby, kleiner Bauch - kleines Baby. Stimmen diese Binsenweisheiten? "Nein, alles Ammenmärchen", meinen beide Hebammen unisono. Obwohl die zwei Frauen hunderte Babys auf die Welt gebracht haben, konnten sie keine dieser Weisheiten beobachten. In der Geburtshilfe gibt es eben nichts, was es nicht gibt.
Info
Kostenersatz.
Die Krankenkasse refundiert 80 Prozent des Kassentarifs, wenn eine Hausgeburt oder eine ambulante Geburt gewählt
wird oder wenn das Spital vor dem
4. Tag nach der Geburt verlassen wird.
Für diese Entbindungen gewährt die Kasse eine unterschiedliche Anzahl an Hausbesuchen. Ein Beispiel: Wer eine ambulante Geburt plant (Entlassung am ersten Tag), bekommt bis zu 17 Hausbesuche zu 80 Prozent des Kassentarifs ersetzt.
Für einige Angebote wie Schwangeren-
gymnastik gibt es keinen Kostenersatz.
www.hebammenzentrum.at
KONTAKT.
Margarete Hoffer
T: 0650 / 610 82 04
E-Mail: hebammeM@gmx.at
www.deinehebamme.at
Andrea Sandmair
T: 0664/14 33 135
E-Mail: andrea.sandmair@a1.net
www.wir-hebammen.at