Pröll lobt den Beschluss als "Meilenstein". | Großbritannien lenkt vorerst ein. | Vor harten Verhandlungen mit EU-Parlament. | Brüssel. Das goldene Zeitalter der Hedgefonds, Private-Equity- und anderer Spezialfinanzgesellschaften in einem Europa ohne jede Regulierung könnte sich tatsächlich bald dem Ende zuneigen. Denn wie erwartet haben sich die EU-Finanzminister bei ihrem Treffen am Dienstag auf strengere Regeln für die bisher völlig unerfassten Milliarden-Spekulanten geeinigt. | Wifo sieht nicht den großen Wurf
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Es sei gelungen, die Hedgefonds und deren Manager an die Leine zu nehmen, freute sich der österreichische Finanzminister Josef Pröll. Das sei eine klare Perspektive, dass es so wie bisher nicht weitergehen könne. Keiner habe zuvor erwartet, dass Großbritannien zustimmen werde. Doch mit dem neuen britischen Kollegen George Osborne von den Tories gebe es eine ganz "neue Diskussionsqualität", lobte Pröll.
Und tatsächlich war Großbritannien bisher immer gegen die Pläne der anderen Mitgliedstaaten Sturm gelaufen. Fürchtete es doch stets um Nachteile für seinen Finanzplatz London, wo rund 80 Prozent aller Hedgefonds in der EU operieren. Schatzkanzler Osborne hatten die derzeit der EU vorsitzenden Spanier aber schon vorab ausrichten lassen, dass er einfach überstimmt werde, wenn sich Großbritannien erneut querlege. Schließlich ist für einen Beschluss der Finanzminister abseits von Steuer- und Budgetfragen oft die qualifizierte Mehrheit ausreichend.
Verzicht auf Aufstand
Daher verzichtete Osborne in Brüssel auf einen Aufstand, die spanische Finanzministerin und EU-Ministerratsvorsitzende Elena Salgado dafür auf eine Abstimmung. Als sie fragte, ob alle mit dem Vorschlag für eine strengere Überwachung für die Hedgefonds einverstanden seien, gab es keine gegenteiligen Wortmeldungen - alle hatten ihr Gesicht gewahrt.
Osborne sei allerdings keineswegs ein Fan der angestrebten Fondsregulierung, hieß es unter der Hand. Im Gegenteil wollten die Briten ihre Offshore-Fonds am liebsten weiter ohne Beschränkungen in der Union vertreiben. Doch habe der Schatzkanzler die Ausweglosigkeit der Situation bei seinem ersten Finanzministertreffen erkannt und wolle seine Kraft für den Kampf gegen die Verschärfung der Finanzaufsicht in der Union sparen.
Auch dort gehen Großbritannien die Wünsche der meisten anderen Mitgliedstaaten zu weit. Zudem erhoffe London noch eine Korrektur des Ministerbeschlusses in den Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament. Denn in der Kernfrage der Behandlung von Hedgefonds aus Drittstaaten gefällt Großbritannien der Standpunkt des Parlaments scheinbar besser. Der dortige Wirtschaftsausschuss hatte am Montagabend eine Art Stufenregelung für die Tätigkeit der Fremdfonds in Ländern der Union vorgeschlagen.
"Systemisches Risiko"
Für die Minister machte Pröll dagegen klar, dass künftig nur Hedgefonds, die in einem Mitgliedsland die Zulassungsbedingungen erfüllt haben, auch in den anderen EU-Staaten tätig werden dürfen. Für Fonds aus Drittländern sei ein bilateraler Vertrag mit jedem einzelnen Mitgliedstaat nötig; es gebe keinen EU-Pass, der den Zutritt zur Spekulation in der gesamten Union gewähre.
Die Fragen der Standardisierung, Ausbildung, Berichtspflichten und staatlichen Aufsicht würden künftig klar geregelt, erklärte der Vizekanzler: "Ein wirklicher Meilenstein" im Ringen um die Regulierung der Fonds sei das, die allein in der EU 2000 Milliarden Euro verwalten sollen. Denn bisher waren die alternativen Investmentfonds überhaupt nicht von EU-Recht erfasst. Sie werden zwar nicht direkt für die Finanzkrise verantwortlich gemacht. Binnenmarktkommissar Michel Barnier bezeichnete sie wegen der riesigen Geldbewegungen aber erst dieser Tage als "systemisches Risiko".
Anmeldepflichten
Ausnehmen wollen die Finanzminister Gesellschaften, die mit bis zu 500 eigenen Millionen Euro jonglieren. Wetten Fonds auf Kredit, werden sie schon ab 100 Millionen Euro Umfang erfasst. Dabei zeichnet sich eine erste Bruchlinie mit dem EU-Parlament ab, das keine finanziellen Beschränkungen für Ausnahmen gelten lassen will.
Betroffen von der Regulierung sind übrigens nicht die Fonds selber, sondern die Fondsmanager, die sich künftig bei den nationalen Aufsichtsbehörden anmelden und gewisse Eigenkapitalstandards halten müssten. Die Behörden erhielten Einblick in die Geschäftsmodelle und -abwicklung der Fonds. Um den Hebel bei besonders riskanten Geschäften zu kürzen, könnten sie zu motivierten Kreditaufnahmen einen Riegel vorschieben.
Wissen: Hedgefonds
(kle) Oft mit Heuschrecken verglichen, gelten Hedgefonds als Mitverursacher der globalen Finanzkrise. Die 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) haben deshalb beim Weltfinanzgipfel Mitte November 2008 eine stärkere Kontrolle dieser speziellen Art von Investmentfonds beschlossen. Neben der EU wollen auch die USA den Hedgefonds - meist jonglieren diese mit Schwindel erregenden Geldbeträgen - ein regulatorisches Korsett verpassen.
Hedgefonds verfolgen in der Regel äußerst riskante Strategien, die im Erfolgsfall auch sehr hohe Gewinne versprechen. Sie nutzen alle möglichen Derivate (Finanzwetten), um Gewinne sowohl in steigenden als auch fallenden Märkten zu erzielen.
Typisch für solche Fonds sind Leerverkäufe, bei denen große Aktienpakete gegen Provision von Fondsgesellschaften oder Banken ausgeliehen und an der Börse verkauft werden. Das drückt in der Regel den Kurs. Zu den dann niedrigeren Bewertungen kaufen die Hedgefonds die Papiere zurück und reichen sie an Banken oder Fondsgesellschaften weiter.
Ein wesentliches Element ist außerdem die weitgehende Finanzierung solcher Geschäfte durch Kredite. Durch den so erzielten Hebel- oder Leverage-Effekt wird der mögliche Gewinn noch weiter erhöht, allerdings auch das finanzielle Risiko für die Anleger beim Scheitern der Spekulation erheblich vergrößert.
Meist sind Hedgefonds in Finanzoasen angesiedelt. Auf den Kaiman-Inseln oder den Bermudas etwa nutzen sie die niedrigen Steuersätze und lockeren Kapitalmarktregeln. Ihre Manager freilich sitzen an großen Finanzplätzen wie New York oder London. Anleger sind vor allem Institutionen wie Pensionsfonds, Lebensversicherungen oder Stiftungen, aber auch wohlhabende Privatleute.
Schätzungen zufolge verwalten Hedgefonds derzeit ein weltweites Anlagevolumen von mehr als 1,9 Billionen Dollar (1539 Milliarden Euro). In der Finanzmarktkrise nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers war das Volumen auf rund 1,5 Billionen Dollar gesunken, mittlerweile hat es sich aber wieder erhöht.
Hedgefonds-Manager sorgen auch immer wieder für Schlagzeilen, was ihre Gagen betrifft. 2009 kamen die 25 besten Verdiener im Schnitt auf jeweils gut eine Milliarde Dollar. Spitzenreiter war der Amerikaner David Tepper, der vier Milliarden Dollar kassierte.