Experten raten: Arbeit gerechter verteilen und über Senkung der Lohnnebenkosten billiger machen.
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Wien. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit in Österreich scheint kein Ende zu nehmen. Ende Juli waren bereits 376.522 Menschen ohne Job - um gut sieben Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Die Arbeitslosenrate (nach nationaler Definition) kletterte damit um 0,7 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent. Als Hauptgrund für die Misere - seit mehr als drei Jahren geht es mit den Arbeitslosenzahlen sukzessive nach oben - nennt Sozialminister Rudolf Hundstorfer einmal mehr das nach wie vor zu schwache Wirtschaftswachstum. Dieses sei nicht imstande, das steigende Angebot an Arbeitskräften zu absorbieren.
Im EU-Vergleich belegte Österreich mit seiner Arbeitslosenquote, die bis vor einem Jahr noch die niedrigste war, zuletzt nur mehr Platz sechs. Von Juni 2014 bis Juni 2015 war die Alpenrepublik gemeinsam mit Finnland mit dem höchsten Anstieg bei der Arbeitslosigkeit konfrontiert, ihre Rate (nach EU-Definition) stieg von 5,7 auf 6,0 Prozent. Die niedrigste Arbeitslosenrate in der Europäischen Union hatte im Juni mit 4,7 Prozent Deutschland (die Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat für Juli liegen noch nicht vor).
Vor Arbeitsmarktgipfel
Geht es nach Experten, sollte sich die Situation am heimischen Arbeitsmarkt erst im Laufe des kommenden Jahres etwas entspannen. Positive Impulse für die Konjunktur und damit auch für die Beschäftigung werden vor allem in der Steuerreform und dem Wohnbaupaket der Regierung gesehen. Flankierend dazu hat die Bundesregierung einen Arbeitsmarktgipfel für Anfang September angesetzt. Dort wollen sich die Koalitionsparteien nach Möglichkeit auf Maßnahmen einigen, die das Problem der steigenden Arbeitslosigkeit entschärfen sollen.
Walter Pudschedl, Ökonom bei der Bank Austria, plädiert in diesem Zusammenhang unter anderem dafür, "Arbeit über eine Senkung der Lohnnebenkosten billiger zu machen". Unternehmer pochen darauf schon lange. Sinnvoll wäre es auch, einen Rahmen zu finden, um "Arbeit gerechter aufzuteilen", so Pudschedl. "Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich kann’s nicht geben, ansetzen könnte man aber bei den Überstunden."
Aus Sicht des Volkswirts bleibt auch Bildung und Qualifizierung ein zentrales Thema im Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Nach Angaben des AMS und des Sozialministeriums haben rund 45 Prozent der Arbeitslosen - also fast jeder Zweite - nur einen Pflichtschulabschluss. Wenn Unternehmen jedoch Arbeitskräfte suchen, dann sind es im Regelfall solche, die in Sachen Qualifikation über ein mittleres oder höheres Anforderungsprofil verfügen.
Daneben sieht Pudschedl aber auch in mehr öffentlichen Investitionen eine geeignete Maßnahme zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Konkret spricht er damit Investitionen in die Infrastruktur - und da vor allem im technischen Bereich, Stichwort: Breitbandausbau - an. Fraglich ist allerdings, ob das die öffentlichen Finanzen momentan zulassen.
Bonus-Malus-System
Wie Pudschedl spricht sich auch Wifo-Arbeitsmarktexperte Helmut Mahringer für eine Senkung der Lohnnebenkosten aus, damit mehr Unternehmen neue Mitarbeiter einstellen. Zudem wäre die Realisierung des Bonus-Malus-Systems wünschenswert, um eine stärkere Teilnahme älterer Personen am Arbeitsleben zu erreichen. Vor allem bei Älteren (ab 50 Jahren) stieg auch im Juli die Zahl der Arbeitslosen überdurchschnittlich - mit 15,4 Prozent. Ältere Personen, so Mahringer im ORF-Radio, sollten aber auch stärker in Weiterbildungsmaßnahmen einbezogen werden.
Grundsätzlich sieht der Experte das Problem, dass die Zahl der Jobsuchenden aufgrund der Pensionsreform und des Zuzugs aus dem Ausland stärker steigt als die Zahl der offenen Stellen. Damit sei es - nicht zuletzt auch wegen der flauen Konjunktur - schwieriger, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Vor diesem Hintergrund glaubt Sozialminister Hundstorfer auch nicht, dass schärfere Zumutbarkeitsbestimmungen zur Annahme eines Jobs die Arbeitslosigkeit merklich senken würden.