Bei "Sicherheit zuerst" sind Auslandseinsätze künftig passé.
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Wien. Es ist schon seltsam: Während die Politik versucht, das Fundament des Bundesheeres, den Grundwehrdienst (Artikel unten), zu sanieren, ist sie auf dem besten Weg dazu, dem Heer die militärische Existenzberechtigung, die Auslandseinsätze, zu entziehen. Das nämlich droht als mögliche Konsequenz der Entscheidung zum Golan-Abzug.
Noch ist aber unbestritten, dass Auslandseinsätze mangels realer Bedrohungsszenarien die zentrale militärische Aufgabe des Bundesheeres bilden; für das Inland ist dies der Einsatz im Katastrophenfall. Das ist Konsens und so steht es auch in der neuen Sicherheitsstrategie, die demnächst vom Parlament beschlossen wird.
Doch mit dem Abzug vom Golan haben SPÖ und ÖVP womöglich die Axt an die Auslandsmissionen des Bundesheeres gesetzt. Dass dies höchstwahrscheinlich politisch unbeabsichtigt erfolgte, ändert nichts an den möglicherweise fatalen Konsequenzen.
Bald nur noch
200 Soldaten im Ausland?
Bis zum Abzug der 380 Soldaten am Golan befanden sich rund 1240 österreichische Soldaten auf Auslandseinsätzen im Dienste von UNO, Nato oder EU; diese Zahl will man, so ist es politischer Konsens, auch in Zukunft beibehalten. Den Planungen im Zuge der Bundesheerreform liegt die Maßzahl von immerhin 1000 Soldaten auf internationaler Mission zugrunde.
Diese Latte zu überspringen, könnte allerdings schwierig werden. Die Missionen in Bosnien mit 314 und im Kosovo mit 361 Soldaten werden eher früher als später auslaufen, weil schlicht die Notwendigkeit einer militärischen Präsenz durch die politische Entwicklung wegfällt.
Ohne die Präsenz am Balkan und Golan würde Österreich nur noch knapp 200 Soldaten, das Gros davon in Zypern, für Auslandseinsätze abstellen. Ohne Ersatzmissionen eine Bankrotterklärung in Sachen internationaler Solidarität, zumal wenn auch die im internationalen Vergleich weit unterdurchschnittliche Entwicklungshilfe der Republik bei der Bewertung berücksichtigt wird.
Ohne Auslandseinsätze aber ist das Heer seiner militärischen Existenzberechtigung beraubt, es stellt sich die grundsätzliche Sinnfrage - schließlich lässt sich ein effizienter Katastrophenschutz auch ohne ein Bundesheer organisieren.
Neue Missionenwerden gefährlicher
Wer ein solches Szenario nicht anstrebt, der muss sich recht bald auf die Suche nach neuen Einsatzmissionen begeben. Dabei lässt sich eines schon heute relativ gefahrlos vorhersagen: Weniger gefährlich für Leib und Leben als die Missionen am Balkan und auch am Golan werden neue Einsatzgebiete kaum sein. In erster Linie wird es dabei um Afrika gehen, das zum strategischen Hinterhof Europa zählt, womöglich - nach Verstreichen einer gewissen Zeit - auch eine Rückkehr nach Nahost.
Ob eine neue Regierung den Willen und die Überzeugungskraft aufbringen wird, Soldaten durch solche Missionen zu gefährden? Immerhin wurde beim Golan damit argumentiert, dass für die Koalition die Sicherheit absolute Priorität genieße. Zwar spricht viel dafür, dass neue Missionen unter einem robusteren UNO-Mandat stattfinden, schließlich geht der Trend eindeutig in Richtung friedenschaffender Missionen; Beobachten und Melden, wie noch am Golan das Mandat lautet, gehört der Vergangenheit an. Der Satz der jetzigen Regierung zur Sicherheit der Soldaten steht dennoch in Stein gemeißelt. Demgegenüber steht, dass jede neue Koalition vor der Aufgabe steht, Schadensbegrenzung in Sachen internationale Reputation zu leisten. Allzu oft wird man deshalb nicht nein sagen können, wenn die UNO um Soldaten anfragt.
Oder aber man lässt es gleich und beschließt, sich auf die Erhöhung der Entwicklungshilfe zu konzentrieren.