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Regierungssprecher Kovacs weist politische Motivation bei der Schließung von "Nepszabadsag" zurück, beklagt aber deren politische Agenda.
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Wien/Budapest. Bei einer Veranstaltung zum Thema Pressefreiheit in Ungarn kochten in Wien am Abend regelrecht die Gemüter über. Ungarns Regierungssprecher Zoltan Kovacs lieferte sich Wortgefechte mit Marton Gergely, dem Vize-Chefredakteur der kürzlich eingestellten Zeitung "Nepszabadsag", der Journalist erhielt wiederum Schützenhilfe von der ungarischen Anwältin für Menschenrechte, Dalma Dojcsak von der ungarischen Gesellschaft für Freiheitsrechte (TASZ) .
Anlassfall für das Treffen auf quasi-neutralem Boden (in den Räumen der Austrian Press Agency), das von dem Österreichischen Presserat sowie dem Presseclub Concordia mitveranstaltet wurde, war die Einstellung der Zeitung "Nepszabadsag" Mitte Oktober. Die linksgerichtete Zeitung hatte die größte Auflage unter den überregionalen Qualitätszeitungen in Ungarn. Den Journalisten wurde erklärt, dass sie in eine neue Redaktion umziehen werden, sie sollen bitte ihre Sachen umzugsbereit einpacken. Am nächsten Tag standen sie vor verschlossenen Türen und konnten nicht einmal mehr auf ihre Festplatten oder E-Mails zugreifen. Zwei Wochen nach der unorthodoxen Schließung wurde bekannt, dass die Zeitung (nämlich die Aktien des Eigentümerverlags Mediawork) vom österreichischen Unternehmer Heinrich Pecina zu 100 Prozent an die als regierungsnahe Firma Optimus Press verkauft worden ist. Das Ende des Blattes gilt damit als besiegelt. Laut Gergely wurden durch die plötzliche Einstellung rund 30 für die Regierung unbequeme Artikeln nicht veröffentlicht.
Für die Gründe des Verkaufs und der damit einhergehenden Einstellung gibt es zwei Erklärungsmodelle. Das der Regierung: Die Zeitung wäre nicht mehr wirtschaftlich gewesen. Und das der Zeitung und vieler NGOs: Die unbequeme Zeitung wurde mit dem Aufkauf einfach mundtot gemacht. Die Stilllegung der Zeitung sei definitiv politisch motiviert, erklärt die Juristin Dojcsak am Podium.
Auf der Rangliste der NGO Reporter ohne Grenzen rangiert Ungarn in dem im April veröffentlichten Ranking zuletzt auf Rang 67 (von 180 Ländern). Bulgarien belegt übrigens Platz 113.
Regierungssprecher Kovacs will am Podium mit der Lesart aufräumen, dass "Nepszabadsag" die "wichtigste Tageszeitung Ungarns" war, das ist "einfach nicht wahr". Die Frage, welches Medium denn die wichtigste Zeitung sei, kann er aber dann nicht beantworten: Das wisse er nicht.
Die Pressefreiheit in Ungarn sei jedenfalls lebendig und gedeihe. Die Proteste zeugen davon. Und zu dem Verkauf der Zeitung könne er nur sagen: "Willkommen im Kapitalismus." Er wehre sich gegen diesen "schmerzhaften Narrativ der vergangenen sechs Jahre" (die konservative Fidesz-Regierung von Viktor Orban ist seit 2010 im Amt, Anm.), dass in Ungarn die Regierung an allem schuld sei. Zudem dürfe man doch die Medien-Eigentümerschaft nicht mit Pressefreiheit vergleichen. Dieser Narrativ sei doch von der Opposition fabriziert worden, und er ist "sehr schmerzhaft anzusehen", wiederholt Kovacs.
Watchdog-Funktion behindert
Dojcsak sowie Gergely widersprechen Kovacs: Pressefreiheit definiere sich nicht nur über das Recht, Dinge zu sagen, sondern auch über die Möglichkeit, sie zu sagen, sprich die Erhaltung von Plattformen. Kovacs weigert sich zwar rundheraus politisches Kalkül in der Stilllegung der Zeitung zu verneinen, denn er wolle in seinen eigenen Worten "diesem Narrativ nicht assistieren", kann es sich aber nicht verkneifen zu erwähnen, dass er "keine ausländische Presse aufheulen" gehört habe, als "rechtsgerichtete Medien in den 1990er Jahren in Ungarn schließen mussten". Auch erwähnt Kovacs an einer anderen Stelle, dass "Nepszabadsag" nicht objektiv war, und seit Jahren gegen konservative Parteien agitiere. Trotzdem habe die Stilllegung keinen politischen Hintergrund.
Später erklärt Kovacs allerdings, dass Medien "leider manchmal versuchen, Politik zu machen". Fassungslos erwidert Dalma Dojcsak: "Das ist die öffentliche Watchdog-Funktion. Ich verstehe nicht, wie es als Kritik an Medien zu verstehen sein soll, wenn sie die Geschäfte der Regierung hinterfragen."
Dojcsak erwähnt auch, dass durch eine neue Gesetzesänderung in Ungarn Journalisten nun für die Erlangung von öffentlichen Daten zahlen müssen. Eine Regelung, die Kovacs verteidigt: "Sie ist eingeführt worden, weil die Anfragen Millionen von Forint in der öffentlichen Verwaltung gekostet haben."