Rafsanjani will die Macht der Hardliner eindämmen.
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Im Iran geht nach dem Atom-Deal der interne Machtkampf zwischen moderaten und ultrakonservativen Kräften in die nächste Runde. Einer zieht im Hintergrund die Fäden: Der Chef des Schlichtungsrates, Akbar Hashemi-Rafsanjani, wegen seiner Wendigkeit und seines diplomatischen Geschicks auch sehr oft als Irans Kardinal Richelieu bezeichnet, hat mit der Ankündigung, bei den Expertenratswahlen 2016 antreten zu wollen, großes Aufsehen ausgelöst.
"Wahl vor der Wahl"
Worum geht’s? In der Islamischen Republik bringt das Jahr 2016 mit der Parlaments- und Expertenratswahl die Basis für die Zukunft des Systems. Wichtig hierbei ist, dass beide Institutionen direkt vom Volk gewählt werden, allerdings mit der Einschränkung, dass es im Iran quasi eine "Wahl vor der Wahl" gibt und der für alle Wahlen zuständige mächtige Wächterrat die Kandidaten vorher approbieren muss. Von Analysten werden die beiden Urnengänge gar als "wichtigste in der Geschichte der Islamischen Republik" bezeichnet. Zum einen werden die 290 Abgeordneten neu gewählt. Die derzeitigen Volksvertreter müssen im Herbst - nach dem US-Kongress - darüber abstimmen, ob sie den Atom-Deal und dessen Implementierung billigen und sind auch sonst sehr mächtig. Sowohl in den USA als auch im Iran gilt am Ende des Tages eine Zustimmung für den Deal als wahrscheinlich. Hitzige Debatten bis dahin sind aber in beiden Ländern vorprogrammiert.
Die Wahl 2016 im Iran jedenfalls könnte ein Ende der Dominanz der Hardliner bedeuten. Nach der moderaten Regierung unter Hassan Rohani bangen seine Widersacher um Einfluss. Beim Expertenrat, jenem Gremium aus 86 Gelehrten, die die Arbeit des Obersten Führers beurteilen und auch für seine (Ab)-Wahl zuständig sind, geht es mittelfristig um die Nachfolge von Khamenei. Hier kommt Rafsanjani ins Spiel. Er will die Mehrheit der ultrakonservativen Kräfte in den Schlüsselinstitutionen brechen und nach der Regierung, die von seinem politischen Ziehsohn Rohani geführt wird, auch die anderen Spektren des iranischen Machtapparates in seine Hände bringen. Seine politischen Widersacher haben sich wieder einmal auf Rafsanjani eingeschossen.
Gründe finden sie genug: Mehdi, einer seiner Söhne, sitzt derzeit wegen "systemschädigenden Verhaltens" und angeblicher Korruption im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis. Rafsanjanis Kritiker lassen keine Gelegenheit aus, um ihm und seiner Familie "unislamische und regimefeindliche Propaganda" vorzuwerfen. Kardinal Richelieu lässt sich nicht unterkriegen. So hat er es gewagt, in einem kürzlich in der britischen Zeitung "Guardian" erschienenen Interview eine mögliche Wiedereröffnung der US-Botschaft im Iran in Betracht zu ziehen. Allem Druck der Hardliner zum Trotz hat die Inhaftierung seines Sohnes die Feierlichkeiten zu seinem 81. Geburtstag am 25. August nur bedingt getrübt. Immerhin ist er aus der politischen Isolation zurück, in die er 2009 nach der umstrittenen Wiederwahl von Ex-Präsident Mahmoud Ahmadinejad geraten war, weil er die Vertreter der Opposition, Mehdi Karroubi und Mir Hossein Moussavi, die beide nach wie vor unter Hausarrest stehen, offen unterstützte. Derzeit setzt er sich für ihre Freilassung ein.
Hardliner formieren sich
Dabei ist der Ex-Präsident und politische Wendehals selbst bei seinen Fans alles andere als unumstritten. Als der politische Überlebenskünstler selbst Präsident war, hat er viele Perser enttäuscht, die in ihm heute "einen Retter der Nation" sehen. Er galt unter ihnen als korrupt, machtgierig und berechnend. Irans Oberster Führer Ali Khamenei (76) hat Rafsanjani einiges zu verdanken, auch wenn ihr Verhältnis in den letzten Jahren getrübt ist. 1989 wurde er durch Kardinal Richelieus Initiative zum Nachfolger von Revolutionsvater Ruhollah Khomeini gewählt. Rohani und Khamenei gratulierten Rafsanjani persönlich zum Geburtstag und wissen, dass er noch lange nicht an eine Politpension denkt.
Es wird spannend werden, inwieweit sich Rafsanjani mit seinen Zielen durchsetzen kann, denn die Hardliner haben sich stark formiert und werden nichts unversucht lassen, um ihre Machtbasis zu verteidigen. Ein Teheraner Politologe traut Rafsanjani alles zu: "Er ist so ein gefinkelter Fuchs und kann noch in der 91. Minute eines Fußballspiels etwas hervorzaubern, das den gesamten Ausgang des Spiels verändert." Die zentrale Frage lautet: Kann Rohani mit der Rückendeckung Rafsanjanis seinen Kurs durchsetzen? Schafft er es, die Hardliner von weiteren Schlüsselpositionen zu verdrängen, oder muss er - wie bereits der ehemalige Reformpräsident Khatami - die deutlichen Grenzen seiner Macht einsehen? Denn Khamenei hat zwar den Atom-Deal gebilligt, ist aber per se bei Gott kein Freund der moderaten Kräfte und will auch nicht, dass sie zu mächtig werden.