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Heikle Gespräche mit Warschau

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik

EU-Kommission und Europarat drängen die polnische Regierung zu einem Kompromiss im Verfassungsstreit.


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Warschau/Brüssel. Von der Wichtigkeit des Dialogs war viel die Rede. Doch einige der umstrittensten Punkte kamen kaum zur Sprache - zumindest laut Darstellung eines polnischen Regierungsmitglieds. Nach einem Treffen mit dem Vizepräsidenten der EU-Kommission, Frans Timmermans, erklärte der stellvertretende Außenminister Aleksander Stepkowski, dass weder das Verfahren der Brüsseler Behörde zur Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen noch die jüngsten Entwicklungen im Verfassungszwist im Mittelpunkt der Gespräche gestanden waren. Vielmehr sei es generell um verfassungsrechtliche Fragen gegangen, zitiert die polnische Nachrichtenagentur PAP. Und da gebe es noch einiges zu klären.

Zu diesem Zweck ist Timmermans denn auch nach Warschau gereist, wo er nicht nur mit dem Außen- und Justizminister zusammentraf, sondern auch mit dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes. Denn das Ringen um die von der Regierung geplanten Reformen für das Tribunal hat sich in den vergangenen Monaten zu einem erbitterten politischen und gesellschaftlichen Streit hochgeschaukelt.

Demonstrationen gegen PiS

Die nationalkonservative Fraktion PiS (Recht und Gerechtigkeit) von Jaroslaw Kaczynski, die seit der Wahl im Vorjahr die Mehrheit im Parlament stellt, will das Gericht umbauen; der aus ihren Reihen kommende Staatspräsident, Andrzej Duda, hat bereits die Vereidigung einiger der Regierung nicht genehmer Richter verhindert und stattdessen andere Amtsträger angelobt. Premierministerin Beata Szydlo wiederum weigerte sich zuletzt, ein Urteil des Verfassungsgerichts zu veröffentlichen, in dem dieses die geplanten Änderungen in eigener Sache als verfassungswidrig bezeichnet. Gegen das Vorgehen ihres Kabinetts demonstrierten schon zehntausende Menschen.

Die PiS-Reformideen, die Bereiche der Justiz, der Geheimdienste oder der Medien betreffen und teils in einem schwindelerregenden Tempo umgesetzt werden, haben aber auch außerhalb des Landes Besorgnis ausgelöst. Sie reichen nämlich weiter als die in vielen Staaten üblichen Personalrochaden oder Anpassungen nach einem Regierungswechsel. Vielmehr gibt es Befürchtungen, dass demokratische Prinzipien wie die Gewaltentrennung geschwächt werden. Das Verfassungsgericht beispielsweise warnt vor seiner eigenen Lähmung, sollte es die neuen Regeln befolgen müssen. Zu diesen gehören die Vorgaben, mit Zwei-Drittel-Mehrheit entscheiden und Fälle chronologisch statt nach ihrer Bedeutung bearbeiten zu müssen.

Das alles hat die EU-Kommission auf den Plan gerufen, die Anfang des Jahres die Prüfung der Rechtsstaatlichkeit eingeleitet hat. Auch Rechtsexperten der so genannten Venedig-Kommission, eines Gremiums des Europarates, wurden eingeschaltet. Ihre vor wenigen Wochen vorgelegte Bewertung der Lage gefiel der Regierung in Warschau nicht. Denn die Kritik war eindeutig: Solange der Zwist um das Verfassungsgericht nicht beigelegt sei und dieser nicht "auf effiziente Weise" seiner Arbeit nachgehen könne, "ist nicht nur die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr, sondern sind es auch Demokratie und Menschenrechte", heißt es in dem Bericht. Regierung und Parlament - was auch die Opposition umfasse - müssten eine Lösung für den Konflikt finden.

Dialog statt Sanktionen

Andernfalls riskiere Polen eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, erklärte der Generalsekretär des Europarates, Thorbjörn Jagland, vor kurzem bei einem Besuch in Warschau. Auch die EU-Kommission drängt auf einen Kompromiss. Mit der Ankündigung weiterer Schritte wie Sanktionen gegen das EU-Mitglied wollte sich Timmermans jedoch zurückhalten.

Es gebe noch Spielraum, das Problem im Rahmen eines Dialogs zu lösen, befand er nach seinen Treffen. Über diese will Timmermans am heutigen Mittwoch seinen Kommissionskollegen Bericht erstatten. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen der Behörde soll allerdings noch nicht fallen.