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Von Zuwanderungsstopp bis hin zu einem eigenen Integrationsministerium. Wie die Parteien die Asylpolitik gestalten wollen.
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Wien. Kaum ein anderer Bereich birgt so viel Konfliktpotential wie das Asyl- und Migrationsthema. Nach der Rekordzahl von fast 90.000 Asylanträgen im Jahr 2015 ist die Zahl der Anträge im vergangenen Jahr um mehr als die Hälfte auf rund 42.000 zurückgegangen. Heuer haben bisher rund 17.000 Menschen einen Antrag gestellt. Obwohl die Zahlen sinken, polarisiert das Thema noch immer stark. Wie viel Zuwanderung verträgt Österreich? Wie viel Geld sollen Asylwerber bekomme? Wo soll den Menschen am besten geholfen werden? Die Ideen der Parteien gehen weit auseinander. Ein Überblick.
FPÖ: Österreich ist kein Einwanderungsland
"Österreicher zuerst." Dieses Motto zieht sich wie ein roter Faden durch das Wahlprogramm der FPÖ. Und das Land der Österreicher gilt es zu schützen. Hier fallen Begriffe wie "autochthone Bevölkerung" und "österreichische Leitkultur". Darum pochen die Freiheitlichen auch gleich auf der dritten Seite ihres Wahlprogramms darauf, die Grenzen zu sichern. Österreich sei demnach kein Einwanderungsland, "der Islam ist kein Teil Österreichs" – obwohl die Zahl der Muslime im Land wächst und aktuell auf rund 700.000 geschätzt wird. Die Zuwanderung nach Österreich will die FPÖ radikal stoppen und illegale Asylwerber abschieben. Asyl sollen nur diejenigen bekommen, die aus "rassischen, religiösen und politischen Gründen verfolgt werden" – allerdings nur auf Zeit, also bis der Asylgrund wegfällt. Der Integration von Flüchtlingen wird im blauen Wahlprogramm kein Platz eingeräumt. Vize-Parteichef Norbert Hofer hält Integrationsbemühungen für sinnlos, Wertekurse, in denen Prinzipien wie Demokratie, Rechtsstaat und die Geschichte Österreichs näher gebracht werden, brauche es nicht.
Die gesamte Flüchtlingsbetreuung soll laut FPÖ in staatliche Hand. Bisher leisteten gerade nichtstaatliche Hilfsorganisationen wie Caritas, Rotes Kreuz oder Volkshilfe viel Arbeit in der Betreuung und Versorgung von Asylwerbern und Asylberechtigten. Die Freiheitlichen sprechen in diesem Zusammenhang häufig von "Asylindustrie", demnach werden mit der Unterbringung von Asylwerbern "gute Geschäfte" gemacht.
Die Freiheitlichen wollen im Asylverfahren alle staatlichen Geldleistungen an Asylwerber streichen. Derzeit haben Asylwerber Anspruch auf die Grundversorgung, das heißt es gibt bestimmte Tagessätze für Unterbringung und Verpflegung, außerdem etwa Geld für Kleidung und Schulbedarf. Laut FPÖ soll es nur noch Sachleistungen geben. Asylberechtigte sollen in der Grundversorgung bleiben, bis sie sich einen "Anspruch in der Versicherungsleistung" erarbeitet haben. Die Mindestsicherung sollen nicht mehr alle in Österreich lebenden Personen erhalten – denn das stelle einen "massiven Anreiz" für die weitere Zuwanderung dar. Sie soll nur noch abhängig von der Leistungsbereitschaft des Einzelnen ausbezahlt werden.
Neos: Schnellere Asylverfahren
Die Neos suchen laut eigenen Worten den Mittelweg zwischen "linken Träumen" und "rechter Hetze". Um das zu bewerkstelligen, brauche es ein eigenes Integrationsressort in der Regierung – bisher liegen die Integrationsagenden im Außenressort. Die Neos wollen schnellere und effizientere Asylverfahren: Der Staat soll in zweiter Instanz (also nach der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht) innerhalb von 180 Tagen ein Asylverfahren abschließen. Teilweise dauern Asylverfahren derzeit bis zu zwei Jahre. Kriegsflüchtlinge sollen direkt subsidiären Schutz auf Zeit ansuchen können – nicht erst nach einem negativen Asylbescheid.
Bei einem positiven Asylbescheid soll es eine "rasche Integration inklusive der Möglichkeit zu arbeiten" geben.Das war jedoch bisher auch so: Asylberechtigte haben vollen Zugang zum Arbeitsmarkt. Allerdings sind viele aufgrund ihres geringen Bildungsniveaus für das AMS schwer vermittelbar. Im September 2017 waren knapp 30.000 anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte ohne Job – ein Anteil von 7,8 Prozent aller vorgemerkten arbeitslosen Personen.
Laut NEOS lässt sich die Asylfrage nur im gesamteuropäischen Kontext beantworten. Daher fordern sie eine gemeinsame EU-Asylpolitik. Die "Dublin-Regelung" soll abgeschafft und dafür ein faires Quotensystem eingeführt werden. Finanzielle Leistungen sollen die Erfüllung der Aufnahmequote gekoppelt werden. Es soll gemeinsame Erstaufnahmezentren geben, Asylanträge sollen bereits in den EU-Botschaften der Krisenregionen gestellt werden.
ÖVP: "Mindestsicherung light"
Die Partei von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz will – wie die FPÖ – keine illegale Migration mehr zulassen. "Wir sprechen hier von einer Obergrenze gleich null", heißt es in Teil Drei des Wahlprogramms "Ordnung und Sicherheit". Menschen, die aufgrund von religiösen und ethnischen Gründen verfolgt werden, sollen nur durch Resettlement-Programme in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen wie dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) nach Österreich kommen können. Das Motto lautet aber grundsätzlich: Hilfe vor Ort leisten. Willkommen wären nach Ansicht der Volkspartei "absolute Schlüsselarbeitskräfte", also gut ausgebildete Fachkräfte, die Österreich im internationalen Wettbewerb voranbringen. Sie sollen "unbürokratisch angeworben" werden.
ÖVP-Chef Sebastian Kurz sprach sich in der Vergangenheit des Öfteren für eine Schließung der Mittelmeerroute aus. Daher sollen Menschen, die auf hoher See gerettet werden, nicht mehr nach Europa, sondern in "Rescue Center" außerhalb der EU gebracht werden. Illegale Migranten, die trotzdem in die EU einreisen, sollen in ein "Protection Center" in einen Drittstaat gebracht bzw. in deren Herkunftsländer abgeschoben werden.
Asylwerbern und subsidiär Schutzberechtigten will Sebastian Kurz nur noch eine "Mindestsicherung light" zuerkennen. In den ersten fünf Jahren soll diese bei maximal 560 Euro pro Einzelperson liegen – ausbezahlt werde sie nur, wenn die Integrationsziele (diese sind hier nicht näher definiert) erreicht werden. Die Mindestsicherung will Kurz generell bundesweit auf 1500 Euro deckeln – bisher liegt sie je nach Bundesland zwischen 830 und 924 Euro.
SPÖ: Zusammenarbeit mit Nord- und Westafrika
"Die Anzahl der Flüchtlinge müssen wir auf ein Niveau reduzieren, das Integration ermöglicht", heißt es im "Plan A". Die Sozialdemokraten sehen die Vermittlung von Asylberechtigten am Arbeitsmarkt als eine der zentralen Herausforderungen. Dies funktioniere laut SPÖ am besten durch die eingeführten Kompetenzchecks, Sprachmaßnahmen und das verpflichtende Integrationsjahr. Die Asylverfahren sollen beschleunigt werden. In Zukunft soll nur noch eine Behörde vom Asylantrag bis hin zur Integration bzw. Rückführung verantwortlich sein.
Auf EU-Ebene kann die Flüchtlingsproblematik nur mit einer Zusammenarbeit mit den Ländern Nord- und Westafrikas gelöst werden. In Niger soll etwa in Kooperation mit dem UNHCR ein Verfahrenszentrum entstehen – Asylanträge würden dann direkt dort gestellt statt wie bisher in Österreich. Illegale Migranten sollen laut Sozialdemokraten in diese Zentren abgeschoben werden. Damit würde man die Schlepperei im Mittelmeer beenden.
Den Ländern Nordafrikas soll mit einem "Marshall-Plan" geholfen, die "gesellschaftliche Entwicklung wieder in Gang gebracht" werden. Darüber hinaus brauche es effektiven Schutz der EU-Außengrenzen, eine grundsätzliche Reform des europäischen Asylsystems, einheitliche Asylverfahren und gerechte Lastenverteilung. Die SPÖ will außerdem einen EU-Posten schaffen, um die Abschiebungen auf EU-Ebene besser zu koordinieren. Diese Person solle sich dann zum Beispiel verstärkt um Rückübernahmeabkommen bemühen.
Liste Pilz: Ein Jahr Flüchtlingslager als Vorbereitung auf Österreich
Die Partei von Peter Pilz stellt sich in der Flüchtlingspolitik ein dreistufiges System vor ("Ja, es geht. Ein Weg nach Europa und für Europa"). Flüchtlinge mit den besten Integrationschancen sollen bereits vor Ort ausgewählt werden. Danach sollen sie in einem von den Vereinten Nationen betreuten Flüchtlingslager ein Jahr auf Österreich vorbereitet werden: Deutsch lernen und auf den Beruf vorbereiten. Erst dann sollen die Menschen legal nach Österreich kommen. Menschen, die hingegen mit Schleppern kommen, haben keine Chance auf ein Bleiberecht. Abschiebungen sollen konsequent durchgeführt werden, wenn das Asylverfahren negativ endet. Allerdings mit der Ausnahme, dass nicht in alle Staaten abgeschoben werden darf.
Neben diesem speziellen Flüchtlingsprogramm stehen bei der Liste Pilz die einzelnen Kandidaten für konkrete Inhalte. So kandidiert etwa Alma Zadic für die Liste Wien.Sie soll für Integration, Migration und Asyl zuständig sein. Als Ziele formuliert sie etwa ein eigenes Ministerium für Integration (siehe Neos). Besonders die Sprachförderung für Kinder und Jugendliche soll ausgebaut werden. Sie fordert 2000 zusätzliche speziell ausgebildete Lehrkräfte mit Schwerpunkt Integration. Bei Sicherheitsbehörden wie der Polizei sollen verstärkt junge Menschen mit Migrationshintergrund aufgenommen werden.
Die Grünen: Asyl in der Botschaft beantragen
Die Grünen wollen ein "neues, faires und nachhaltiges EU-Asylsystem" statt der "Festung Europa". Menschen sollen künftig über die österreichischen und EU-Botschaften um Asyl ansuchen können. Wenn sie in der EU angekommen sind, sollen sie in gemeinsame Erstaufnahmezentren gebracht und danach zügig auf alle 28 Mitgliedsstaaten (nach dem Brexit: EU-27) verteilt werden.
In Österreich sollen Integrationsmaßnahmen gleich greifen. Um die Menschen schnell auf dem Arbeitsmarkt vermitteln zu können, sollen mitgebrachte Qualifikationen rasch und unbürokratisch anerkennt werden. Dazu soll das Berufsanerkennungsgesetz novelliert werden.
Die Wahlprogramm der Parteien zum Download:
FPÖ: Österreicher verdienen Fairness
Neos: Zukunftsmanifest
ÖVP: Der neue Weg. Ordnung und Sicherheit
SPÖ: Plan A
Grüne: Das ist Grün