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Heilfasten nach Art der schwäbischen Hausfrau

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Neue ökonomische Befunde belegen: Die US-Politik des Gelddruckens bringt kein zusätzliches Wachstum, Merkels Spar-Diät hingegen ist besser als ihr Ruf.


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Die US-Wirtschaft scheint laut allerneuesten Daten das Allerschlimmste hinter sich zu haben. Mit etwa 2,5 Prozent wächst die größte Volkswirtschaft der Welt derzeit zwar nicht gerade brüllend und schon gar nicht so kräftig, wie das nach einer Rezession in aller Regel der Fall ist, aber immerhin deutlich besser als die Eurozone, wo noch immer mehr oder weniger Stagnation herrscht.

Das ist vor allem eine erfreuliche Nachricht für jene, die es schon seit Ausbruch der Krise 2008 für richtig erachten, massiv Geld zu drucken, Schulden mit noch mehr Schulden zu bekämpfen und damit "die Wirtschaft anzukurbeln", wie sie es gerne euphemistisch nennen. Die USA scheinen zu zeigen: Das funktioniert. Weniger erfreulich hingegen ist das für die vor allem europäischen Anhänger einer Austeritätspolitik, wie sie Angela "schwäbische Hausfrau" Merkel predigt.

Doch so simpel ist das nicht, wie zwei jüngst publik gewordene interessante ökonomische Tiefenuntersuchungen zeigen. Die eine stammt ausgerechnet von der Fed selbst und untersucht die Auswirkungen der Politik des Geldruckens aufs Wirtschaftswachstum im Jahr 2010, in dem die Fed immerhin Staatsanleihen für stolze 600 Milliarden Dollar mit frisch gedrucktem Geld kaufte. Genau 0,13 Prozent zusätzliches Wachstum habe das gebracht, errechneten nun Ökonomen der kalifornischen Fed-Filiale in San Francisco - ein mehr als überschaubares Ergebnis angesichts der erheblichen Risiken, die derartige Geldvermehrung naturgemäß in sich birgt. Ein hartes Argument zugunsten der Politik des Gelddruckens, "bis die Banknotenpresse raucht", ist das nicht wirklich; und dass die (fachlich unumstrittene) Untersuchung direkt aus der Höhle des Löwen stammt, gibt ihr einiges Gewicht.

In dieselbe Richtung weisen ganz andere Daten, die zugleich aus der Eurozone publik wurden. Dort haben sich nämlich die Zahlungsbilanz-Defizite (also grob gesagt die Differenz zwischen den Ausfuhren und den Einfuhren von Waren und Dienstleistungen eines Landes) der meisten Krisenländer jüngst deutlich verbessert. Das ist die wichtigste Voraussetzung für eine Genesung dieser Staaten, vor allem aber auch für die Wiederherstellung ihrer Kreditwürdigkeit auf den Finanzmärkten. Dazu kommt, dass sowohl in Spanien als auch in Irland die Lohnstückkosten, die ausschlaggebend für die Wettbewerbsfähigkeit sind, deutlich gesunken sind. Auch das wird sehr hilfreich sein, diese Volkswirtschaften wieder flottzukriegen. Man kann das als kräftiges Indiz dafür verstehen, dass Merkels extrem unbeliebter Austeritätskurs zumindest zum Teil besser wirkt, als dessen Gegner behaupten. Entschieden ist der Kulturkampf der beiden verfeindeten wirtschaftspolitischen Lager damit freilich längst nicht. Es gilt vermutlich viel eher jene weise Einsicht, die der legendäre vietnamesische Kommunist Le Duc Tho Mitte der 1970er einem französischen Journalisten mit auf den Weg gab. Gefragt, welche Auswirkungen die Französische Revolution (1789) auf die Gegenwart habe, antwortete Le Duc Tho: "Es ist vermutlich noch zu früh, das zu beurteilen."