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Heillos uneinig

Von WZ-Korrespondent Manuel Meyer

Politik

Ein Machtkampf zwischen den Separatisten stoppt Kataloniens Unabhängigkeitsprozess. Spaniens wirtschaftsstärkste Region steuert auf Neuwahlen im März zu.


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Madrid/Barcelona. Es sei schon etwas paradox, meint Joan Botella. "Aber die vielleicht radikalsten Separatisten bringen gerade den Unabhängigkeitsprozess in Katalonien zum Stillstand", versichert der Politikprofessor der Universität Barcelona.

Am Sonntag haben die linksextremen Unabhängigkeitsbefürworter der Candidatura d’Unitat Popular (CUP) nach wochenlangen parteiinternen Debatten endgültig beschlossen, Kataloniens separatistischen Ministerpräsidenten Artur Mas nicht im Amt zu bestätigen. Drei Monate nach den katalanischen Regionalwahlen vom 27. September ist damit immer noch keine Regierungsbildung möglich. Mas hatte die Regionalwahlen zu eine Art Ersatz für das im November 2014 vom spanischen Verfassungsgericht verbotene Unabhängigkeitsreferendum gemacht.

Das separatistische Mehrparteien-Bündnis Junts pel Sí (Gemeinsam für das Ja) aus Mas konservativen Konvergenz-Partei (CDC), den Linksrepublikanern (ERC) und den Grünen (ICV) konnte zwar die Wahlen gewinnen, verfehlte aber die absolute Mehrheit. Mas bräuchte zwei Stimmen der kleinen CUP-Partei.

Wirkungslose Zugeständnisse

Die anti-kapitalistische Linke weigert sich jedoch, den Konservativen Artur Mas zu unterstützen. Seine sozial unverträgliche Sparpolitik, aber auch die Korruptionsskandale seiner CDC-Partei und die ideologischen Gegensätze machen eine Unterstützung unmöglich. Schon vor den Wahlen war Mas der Grund, warum die nach Unabhängigkeit strebenden Neomarxisten nicht der separatistischen Parteien-Allianz beitraten.

Sie verstehe nicht, warum Mas so vehement an seiner Macht festhalte, habe er doch selber gesagt, der Unabhängigkeitsprozess hänge nicht von einer Person, sondern vom Willen des Volkes ab, versicherte am Montag die CUP-Abgeordnete Anna Gabriel.

"Natürlich wollen wir die Unabhängigkeit Kataloniens und würden problemlos Oriol Junqueras oder Raül Romeva als Ministerpräsidenten der Junts pel Sí Koalition unterstützen", versprach Gabriel mit Blick auf die Parteivorsitzenden der Linksrepublikaner (ERC) und der Grünen, die ebenfalls der Parteispitze des Mehrparteien-Bündnisses angehören. Dabei versuchte Mas wochenlang, die CUP mit politischen Zugeständnissen für sich zu gewinnen. Bereits Ende Oktober war der im Regionalparlament eingeleitete "Prozess zur Schaffung eines unabhängigen katalanischen Staates in Form einer Republik" als klare Annäherung an die CUP zu verstehen. Sogar der Aufruf der radikal separatistischen CUP zu zivilem Ungehorsam wurde in die feierliche Parlamentserklärung aufgenommen. So hieß es in der Erklärung schließlich, der Unabhängigkeitsprozess werde sich "den Entscheidungen der Institutionen des spanischen Staates, insbesondere des Verfassungsgerichts, nicht unterordnen".

Warum bringt die CUP den Unabhängigkeitsprozess nun durch die Ablehnung von Mas in Gefahr? Politologe Botella geht davon aus, der linksextreme Flügel der CUP-Partei spekuliere darauf, dass es durch die Abnutzung von Mas und seinen Konservativen bei Neuwahlen eine neue separatistische, diesmal ausschließlich linke Mehrheit aus CUP, Linksrepublikanern der ERC, Grünen und Spaniens Protestpartei Podemos (Wir können) geben könnte.

Diese Strategie - sollte sie denn stimmen - könnte aber auch zum Eigentor werden, meint der spanische Wahlforscher José Pablo Ferrándiz. Es wären die vierten Regionalwahlen in nur sechs Jahren, sollte es nun zu Neuwahlen kommen, gibt Ferrándiz zu Bedenken. Mal suchten die Separatisten neue Mehrheitsverhältnisse, mal wollten sie den Unabhängigkeitsforderungen Nachdruck verleihen, indem man der spanischen Zentralregierung in Madrid durch Wahlen zeigte, dass eine Mehrheit der 7,5 Millionen Katalanen für die Abspaltung von Spanien sei.

Doch Fakt ist, so der Wahlforscher: "Die Katalanen werden der ständigen Wahlen müde. Zudem zeigen sie, dass die Unabhängigkeitsforderungen wenig Erfolg haben und weder im Parlament noch innerhalb der Bevölkerung auf eine ausreichende Mehrheit zählen können."

Zwar bleibt formal noch Zeit bis zum 10. Jänner. Aber das "No" der CUP-Partei macht Neuwahlen für Anfang März so gut wie sicher. In einem öffentlichen Erklärung stellte Junts pel Sí am Montag klar, Artur Mas werde der einzige Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten sein.

"Ich bin nicht das Problem. Doch wenn wir das Bild vermitteln, die CUP könne bestimme, wie der Unabhängigkeitsprozess aussehen müsse, dann haben wir ein Problem", schloss am Montag auch Mas in einem Radiointerview mit Catalunya Ràdio seinen Verzicht auf das Amt aus.

Verhärtete Fronten

Unterdessen verschlimmern sich die Grabenkämpfe zwischen den separatistischen, aber ideologischen verfeindeten Parteien. Jeder versucht, dem anderen Schuld am drohenden Ende des Unabhängigkeitsprozesses zu geben. Die Fronten zwischen linken und konservativen Separatisten könnten verhärteter kaum sein.

Vor allem die starke separatistische Bürgerinitiative ANC, die jährlich die bis zu zwei Millionen starken Unabhängigkeitsdemos organisiert und die ebenfalls dem Bündnis Junts pel Sí angehört, übt Druck auf die CUP aus.

"Wir haben vor den Wahlen am 27. September darum gebeten, egal für welche separatistische Partei zu Stimmen. Das war ein Fehler und wir bitte um Entschuldigung", erklärte ANC-Vorsitzender Jordi Sánchez mit Blick auf die CUP per Twitter.

"Ich dachte immer, die CUP würde letztlich doch noch helfen, das demokratische Mandat vom 27. September zu verwirklichen. Dem ist nicht so. Ich habe mich sehr getäuscht", schrieb auch die ehemalige ANC-Präsidentin und heutige Parlamentsvorsitzende Carme Forcadell per Twitter.