EU-Kommission drängt Österreich zum Abbau von Hürden für ausländische Dienstleister.
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Brüssel/Wien. Bei der Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich durften nicht alle mitspielen. Und das betraf nicht nur Sportler, sondern auch - Fotografen. Nur solche mit einer speziellen österreichischen Autorisierung durften von der Großveranstaltung berichten. Das aber schloss etliche ausländische Bildreporter davon aus, ihrer Tätigkeit in Wien und an den anderen Austragungsorten nachzugehen.
Dieses Beispiel nennen EU-Beamte, wenn sie von der Notwendigkeit sprechen, den europäischen Binnenmarkt auch für Berufe zu öffnen. Das Motto ist: Wenn in der Union Menschen ungehindert reisen und Waren über Grenzen hinweg bewegt werden können, sollte diese Freiheit auch für Dienstleistungen und professionelle Tätigkeit gelten. In der Praxis gibt es dafür aber etliche Hürden, wie es eben ausländische Fotografen in Österreich erfahren haben. In keinem anderen Mitgliedstaat gebe es solch eine Beschränkung - und all die anderen Länder können anscheinend ohne sie auskommen, heißt es in der EU-Kommission.
Die Brüsseler Behörde hat eine Strategie für einen "vertieften und gerechteren" Binnenmarkt präsentiert. Dieser wird als eine der wichtigsten europäischen Errungenschaften dargestellt, doch haben noch immer Klein- und Mittelbetriebe aber auch andere Dienstleister manches Mal Probleme, sein Potenzial auszuschöpfen. Die Gründe dafür liegen in der Bürokratie, im erschwerten Zugang zu Finanzierung, in der Nicht-Anerkennung beruflicher Qualifikationen oder den Schutzmechanismen, die jedes Land für seine Wirtschaftstreibenden entwickelt hat. "Wir haben 28 Formen nationaler Barrieren in den 28 Mitgliedstaaten", kritisiert die für den Binnenmarkt, Industrie und Unternehmertum zuständige EU-Kommissarin Elzbieta Bienkowska: "Für kleine oder Start-up-Unternehmen ist es schwierig bis unmöglich, sich in 28 Regulierungsrahmen zurechtzufinden." Daher sollen nicht in erster Linie neue Regeln geschaffen, sondern jene umgesetzt werden, auf die sich die Länder vor Jahren geeinigt haben, betonte die Polin bei der Vorstellung der Strategie.
Die Pläne beziehen sich auf Vereinfachungen bei der Gründung und Registrierung von Betrieben, den Abbau von Diskriminierung mancher Konsumenten durch unterschiedliche Preise für Kunden aus unterschiedlichen Ländern, die Förderung innovativer Geschäftsmodelle oder der Mobilität von Arbeitnehmern. Diese freilich ist durch die Gewerbe-Reglementierung beschränkt.
Dabei ist Österreich nicht das einzige Land, das eine Reihe geschützter Berufe kennt, ob im Handwerk, im Bereich der Gesundheit oder der Rechtsberatung. Doch gehört es zu jenen Staaten, die regelmäßig für die Nicht-Öffnung ihres Marktes gerügt werden. Im Juni etwa forderte die Kommission die österreichischen Behörden dazu auf, ein Gesetz zu ändern, das in Tirol nur heimische Skilehrer zulässt. Ausländer dürfen ihre Dienste nicht vor Ort anbieten.
Die Brüsseler Behörde hat auch Verfahren gegen Österreich wegen Verletzung der EU-Verträge eingeleitet. Das Land halte die sogenannte Dienstleistungs-Richtlinie bei reglementierten Berufen unzureichend ein, da seine Vorschriften "unverhältnismäßige und nicht gerechtfertigte Hindernisse im Bereich der freiberuflichen Dienstleistungen" beinhalten. Die Kommission kritisiert unter anderem die Verbote der berufsübergreifenden Zusammenarbeit für Architekten, Ingenieure oder Patentanwälte sowie verbindliche Mindestpreise für die Dienste von Tierärzten.
Wirtschaft verteidigt Regelung
Die Vorwürfe treffen in österreichischen Wirtschaftskreisen kaum auf Verständnis. Die Wirtschaftskammer etwa hat zur Verteidigung der reglementierten Gewerbe nicht zuletzt das Argument des "vorbeugenden Konsumentenschutzes" parat. In diesen Berufen werde durch "zielgerichtete Ausbildung" eine "besonders hohe Qualität" der Dienstleistungen gewährleistet, "die den Verbrauchern zugutekommt und auf die sie vertrauen können", heißt es in einem Positionspapier. "Die Anforderung, beim Start eines Unternehmens eine bestimmte Qualifikation nachzuweisen, stellt in diesen Fällen keine Behinderung des Binnenmarktes dar, sondern sichert die Qualifikation des Anbieters sowie die Qualität und Sicherheit der Leistung." Nach Ansicht der Wirtschaftskammer sollten die Staaten daher nicht dazu gedrängt werden, die Zahl der geschützten Berufe zu senken.
Viel mehr als Drängen bleibt aber der Kommission nicht übrig. Zumindest kann sie auch noch Informationen einfordern: Die Mitgliedstaaten sollen nachweisen, dass ihre Beschränkungen noch zeitgemäß sind.