Trockenheit und Krieg stellen die Bauern vor Probleme, die Lösungen finden nicht bei allen Anklang.
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Er wird sehnsüchtig erwartet - der Regen. Denn der März war im langjährigen Mittel zu trocken, und damit auch die Äcker und landwirtschaftlichen Flächen, vor allem im Osten Österreichs. "Wenn es diese Woche regnet, könnte das die Trockenheit beenden", sagt Josef Eitzinger Professor mit Forschungsschwerpunkt Agrarmeteorologie an der Universität für Bodenkultur Wien (Boku). 30 bis 40 Millimeter Regen bräuchte es, damit die neu ausgesäten Pflanzen ohne Trockenstress wachsen können, so Eitzinger.
Besonders wichtig sei der Niederschlag im April und Mai, wenn die Pflanzen den größten Biomasse-Zugewinn haben, sprich wachsen. Um ein Kilogramm Trockensubstanz zu entwickeln, brauche eine Pflanze bis zu 600 Liter Wasser. Wird dieses knapp, auch in den unteren Bodenschichten, reduziere das die Erträge, sagt Eitzinger. Ob die Trockenheit im März Auswirkungen auf die Ernte haben wird, könne man noch nicht abschätzen, da jetzt ein zu frühes Stadium in der Pflanzenentwicklung sei, sagt der Boku-Experte.
Bewässerungssysteme benötigt
Auch Josef Moosbrugger, Präsident der österreichischen Landwirtschaftskammer, sieht keine Prognosen für die heurige Ernte, sagt aber: "Die derzeitige Situation ist sehr besorgniserregend. Die Lage ist angespannt, aber noch besteht die Hoffnung auf eine normale Ernte." Die extremen Wettereignisse häufen sich, die Wasserverteilung sei schlechter. "In den Regionen, wo es zu extrem wird, müssen wir Bewässerungsmöglichkeiten und die nötige Netzinfrastruktur schaffen", so Moosbrugger.
Trockene Perioden erlebt die Landwirtschaft immer wieder und durch den Klimawandel immer öfter. Die Situation im heurigen Jahr verschärft sich allerdings aufgrund des Kriegs in der Ukraine, die als Kornkammer Europas gilt. Um Lebensmittelknappheit in der Welt und vor allem in Afrika, dem größten Importeur von ukrainischen Weizen, vorzubeugen, beschloss die EU vergangene Woche, Brachflächen zur landwirtschaftlichen Nutzung freizugeben. Während konservative Politiker und Verbände diesen Schritt gutheißen, sehen Umweltschützer darin keinen großen Nutzen und zudem einen Rückschritt in der Bekämpfung des Klimawandels. "95 Prozent aller Ackerflächen in der EU werden bereits bewirtschaftet. Beim kleinen Rest handelt es sich um wertvolle letzte Rückzugsräume für Tiere und Pflanzen", sagt Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace. "Im besten, nicht sehr realistischen Fall führt das zu einer Steigerung des global verfügbaren Getreides um 0,4 Prozent, wahrscheinlich deutlich weniger. Also minimaler Nutzen bei enormem Schaden für die Biodiversität inmitten einer dramatischen Klima- und Artenvielfaltskrise", so der Landwirtschaftsexperte der Umweltschutzorganisation.
Teller oder Trog
In Österreich machen die freigegebenen Brachflächen 9.000 Hektar aus, wovon laut Landwirtschaftskammer 5.000 Hektar wirklich nutzbar sind. Moosbrugger sieht keine Gefährdung der Biodiversität: "Der überwiegende Anteil der Flächen ist im Umweltprogramm gebunden, dort verändert sich auch nichts. Wir reden hier von einem verschwindend kleinen Teil der Fläche, der nutzbar gemacht wird. Was manche übersehen, ist, dass wir in Europa und der Welt in einer Notsituation sind. Jetzt geht es darum, wie wir den Hunger stillen können."
Kritik gibt es vor allem daran, dass Getreide zu einem Großteil an Tiere verfüttert wird. Zehn Prozent weniger Nutztierhaltung würde die Ausfälle aus der Ukraine - 18 Millionen Tonnen Weizen - großteils ersetzen, rechnet beispielsweise Greenpeace vor. Laut Moosbrugger gibt es eine klare Prioritätensetzung mit der Devise: "Zuerst Teller, dann Trog."
In Österreich landen vier von fünf Kilogramm Getreide nicht auf dem Teller. "In Österreich wurden laut Versorgungsbilanz für 2019/2020 47 Prozent des Inlandsverbrauchs verfüttert, 17 Prozent wurden für Nahrung verwendet und 31 Prozent wurden energetisch oder stofflich genutzt", sagte Stefan Hörtenhuber vom Institut für Nutztierwissenschaften an der Boku in Wien der Austria Presse Agentur (APA).
Den Bauern in Österreich wegen des Ukraine-Kriegs und einer deshalb drohenden Hungersnot in Afrika oder Asien vorzuschreiben, weniger Tiere zu halten, würde dennoch nicht funktionieren, so Hörtenhuber. Besser wären Handlungsempfehlungen, wie man etwa den Fleischkonsum reduzieret. "Wenn sich die Ernährung ändert und die Tierhaltung sich daran anpassen kann, würde das einige Probleme lösen", sagte Hörtenhuber laut APA. "Die Veränderung müsste halt so ablaufen, dass die Landwirtschaft dabei nicht auf der Strecke bleibt."