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Heimlich trinken im Gottesstaat

Von Arian Faal

Politik

Iranische Ärzte orten zunehmendes Alkoholproblem. | Vor kurzem starben zwölf Menschen durch gepanschte Drinks. | Teheran/Wien. Es hätte eine außergewöhnliche Party in der südiranischen Hafenstadt Bandar Abbas werden sollen. Mit allem, was dazugehört: Mädchen ohne Kopftuch, iranische Popmusik und jede Menge Alkohol. Alles verboten, aber dennoch nicht außergewöhnlich bei Jugendpartys im Iran. Dass der "Tempel der Sünde" (so bezeichnen die Sittenwächter solche Feste) zum Todestempel werden würde, darauf war am Mittwoch niemand gefasst. Zu perfekt war alles vorbereitet worden. Sogar ein Wachposten, der kontrolliert, ob Sittenwächter in der Nähe sind, war bezahlt worden, um in Ruhe feiern zu können.


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Doch der "Schrei nach Europa" hatte einmal mehr fatale Konsequenzen. 92 der rund hundert Gäste erlitten durch den schwarzgebrannten und gestreckten Alkohol, der auf der Party serviert wurde, Vergiftungen. Während bei 23 von ihnen eine medikamentöse Behandlung ausreichte, mussten 69 Menschen stationär behandelt werden. Zwei Patienten erblindeten, neun fielen ins Koma und zwölf starben. Nicht unweit des Hauses, wo das Fest stattfand, wurden fünf Menschen unter dem Verdacht festgenommen, den gepanschten Alkohol verkauft zu haben.

350 Euro pro Flasche

Nun schlägt die lokale Universitätsklinik der Provinz Hormusgan Alarm und macht damit indirekt auf Irans Alkoholproblem aufmerksam: Die Regierung müsse den Verkauf von gestrecktem Alkohol rigoros bekämpfen, so der Appell eines Facharztes der Klinik. Die Regierung hat bereits eine "Aktion scharf" gegen den illegalen Handel mit dem gepanschten Alkohol angekündigt. Dass die Perser aber deshalb künftig weniger trinken werden, darf bezweifelt werden.

Der jüngste Vorfall ist nur die Spitze des Eisberges. "Fast wöchentlich sterben im Iran junge Menschen an Alkoholvergiftungen", sagt der 25-jährige Ali. Dem Teufelskreis rund um "Mashrub Gholabi" - was auf Persisch so viel heißt wie Fake-Alkohol - könne man aber nur schwer entkommen, ist der Student aus Teheran überzeugt.

Die jüngste Wirtschaftskrise und die daraus resultierende Inflation hat auch die Preise für Alkohol auf dem Schwarzmarkt explodieren lassen. So kostet eine Flasche "echter und guter" Whisky zwischen 250 und 350 Euro. Da sich das aber die überdurchschnittlich junge Bevölkerung - 54 der 72 Millionen sind unter 27 Jahre alt - nicht leisten kann, greifen viele Iraner zu "Mashrub Gholabi".

Auch Ali selbst gönnt sich ab und zu eine Flasche Pseudo-Wodka. "Was soll ich denn sonst tun?", fragt der Student. "Sollen Sie es uns doch erlauben zu trinken, dann müssen wir nicht diesen Mist trinken und daran verrecken."

Alis Wunsch wird sich freilich nicht erfüllen: Offiziell ist der Konsum von Alkohol, der den Grundsätzen des muslimisches Glaubens widerspricht, seit der Islamischen Revolution 1979 im Iran strengstens untersagt. Herstellung, Verkauf und Konsum werden mit Gefängnisstrafen oder Peitschenhieben bestraft.

Zwei Ausnahmen gibt es allerdings: Touristen und die jüdische Minderheit, die aufgrund der "mit der Religion verbundenen Bräuche, Wein zu trinken", eine Sonderstellung hat. Ausländer erhalten in ausgewählten Hotels alkoholische Getränke, wenn sie sich ausweisen. Gern gesehen wird es aber nicht.

Bar im Geheimschrank

Von den Einheimischen wird das Alkoholverbot aber immer wieder auf alle möglichen Arten unterlaufen. Während aber die ärmere Bevölkerung mit "Mashrub Gholabi" vorlieb nehmen muss, besitzen fast alle Villenbesitzer im reichen Norden Teherans - natürlich versteckt - Edelspirituosen und ausgewählten Alkohol, der europäischen Cocktailbars durchaus zur Ehre gereichen würde. 200 bis 300 Flaschen im Geheimschrank hinter den Wandpaneelen sind keine Seltenheit.

Auf lange Sicht versteckt wird aber wohl auch das iranische Alkoholproblem bleiben. Denn auch wenn der traurige Ausgang der Party in Bandar Abbas das Thema in den Mittelpunkt des medialen Interesses gerückt hat, scheint eine grundlegende politische Auseinandersetzung darüber unmöglich. Am Freitagabend wird allerdings an hunderten Orten des Landes erneut unerlaubt gefeiert werden. Wieder mit einer ganzen Menge "Mashrub Gholabi".. .