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Madrid · Fast klammheimlich hat der spanische Ministerpräsident José Maria Aznar den Kurs seiner Regierung geändert und sich auf den "Marsch zur politischen Mitte" gemacht. Dem | konservativen Premier ist es offensichtlich auf der Rechten des politischen Spektrums in Europa etwas einsam geworden. Spanien ist seit dem Regierungswechsel in Deutschland neben Irland das einzige | Land in der Europäischen Union, in dem eine Mitte-Rechts-Regierung an der Macht ist und die Sozialisten sich in der Opposition befinden.
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Aznar, der den Sozialisten Felipe Gonzalez im Mai 1996 abgelöst hatte, hat nun ein bemerkenswertes Experiment begonnen. Der Vorsitzende der konservativen Volkspartei (PP) will einen Kurswechsel
durchsetzen, ohne daß die Regierung gestürzt und ohne daß auch nur ein einziger Minister entlassen wird.
Smarte Ablöse
Der erste Schritt war im Juli die Ablösung des Regierungssprechers Miguel Angel Rodriguez, der mit seinen Seitenhieben auf die Sozialisten nicht zum Bild einer "Regierung der Mitte" passen wollte.
Den unbeholfen wirkenden Rodriguez löste Aznar durch den smarten Katalanen Josep Pique ab, einen parteilosen Chemie-Industriellen.
Zunächst hieß es noch, dies sei nur Kosmetik. Aber schon bald folgte der nächste Schritt. Francisco Alvarez Cascos, bisher "Aznars rechte Hand" und "Mann für das Grobe", wurde im Kabinett zunehmend
an den Rand gedrängt und entmachtet. Offiziell bleibt Cascos, von den Sozialisten (PSOE) gern als "Bulldozer" oder "Dobermann" beschimpft, stellvertretender Regierungschef. Aber er tritt im Parlament
kaum mehr auf und verschwand auch in der Öffentlichkeit fast von der Bildfläche.
"Cascos befindet sich im freien Fall", schrieb das regierungsnahe Blatt "El Mundo". Das nächste Opfer des Kurswechsels steht schon fest: Der PP-Politiker Fernando Lopez-Amor wird als Chef des
staatlichen Rundfunks und Fernsehens RTVE entlassen. An seine Stelle tritt Pio Cabanillas, ein Mann, der früher für die linksliberale Mediengruppe Prisa gearbeitet hatte.
Erfolgreich und
unbeliebt
Der Auslöser des Kurswechsels waren die Ergebnisse der Meinungsumfragen. Trotz einer blendenden Wirtschaftslage liegt die PP in der Wählergunst kaum besser als die PSOE. Nun will Aznar Stimmen in
der politischen Mitte hinzugewinnen. "Dazu lernte er das Erfolgsrezept des britischen Premiers Tony Blair auswendig", schrieb "El Pais". "Blair eroberte von der Linken aus eine riesige
Wählerschaft. Aznar und die PP glauben, daß ihnen von der Rechten Ähnliches gelingen kann."
Als nächstes soll die Regierungspartei vom Image der Rechtslastigkeit befreit werden. Zu den Begründern der PP hatten auch Politiker des diktatorischen Franco-Regimes gehört. Beim Parteitag im Jänner
1999 will Aznar sie nun in eine moderne Reformpartei der Mitte verwandeln, die weniger auf Konfrontation und stärker auf den Dialog setzt.
Liberale PP-Führer wie Wirtschafts- und Finanzminister Rodrigo Rato oder Arbeitsminister Javier Arenas sollen dann in der Partei ein stärkeres Gewicht erhalten. Cascos hatte schon vor Monaten
angekündigt, daß er das Amt des Generalsekretärs abgeben wird.