Zum Hauptinhalt springen

Heimspiel in Feindesland

Von Katharina Schmidt

Politik
Niemanden im Regen stehen lassen will Eva Glawischnig vor allem in Kärnten.
© © gukra

Oberkärnten ist ein hartes Pflaster für die Grünen - aber es weicht sich auf.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Millstatt. Der Sommer wirkt schon ein wenig erschöpft. Zwar zeigt das öffentliche Thermometer in Seeboden noch 32 Grad, doch die ausgedörrte Farbe der Pflanzen und das blasse Graublau des Himmels über dem Millstättersee lassen den nahenden Herbst erahnen. Auch für Eva Glawischnig geht die Sommertour langsam zu Ende. Noch bis 3. September fährt die Grünen-Chefin im grünen Reisebus quer durch Österreich.

Eingeladen hat Glawischnig diesmal auf eine Schifffahrt am Millstätter See. Hier ist sie aufgewachsen, hier hat sie sich als Musikerin in der "Gerald Gaugeler Band" die ersten Sporen verdient. Ein Vierteljahrhundert später stehen die Fans vor der Schiffsstation in der brütenden Nachmittagshitze und warten auf ihr Eintreffen. Als sie auftaucht, hat die 42-Jährige schon eine Pressekonferenz und mehrere Interviews hinter sich. Man sieht es ihr nicht an. Sie trägt ein makellos crèmefarbenes Kleid und ist wohl die Einzige, auf deren Stirn keine Schweißtropfen glänzen. Vielleicht ist es auch dieser Umstand, der sie ein wenig distanziert wirken lässt. Die schulterklopfende, alkoholgeschwängerte Volksnähe ist nicht das ihre. Stattdessen nimmt sie ihren Mann und die beiden Söhne auf die Schifffahrt mit.

Viel Zeit bleibt allerdings nicht für die Familie. Schon taucht sie ein ins Händeschütteln und Small Talken. Es ist tatsächlich ein Heimspiel für Eva Glawischnig: Die meisten hier sind alte Bekannte oder Sympathisanten, zufällige Passanten kommen an diesem Tag kaum vorbei. "Hallo, das ist meine Hoffnungsträgergruppe", begrüßt sie etwa einige junge Menschen: Judith und Georg Oberzaucher haben erst im Mai eine grüne Ortsgruppe in Millstatt gegründet. In der 3300-Seelen-Gemeinde kommen die Grünen bisher nicht vor. Millstatt ist damit symptomatisch für den Rest der Gegend - im Bezirk Spittal an der Drau, wo die Scheuchs zu Hause sind, kam die Öko-Partei bei der Jörg-Haider-Gedächtnis-Landtagswahl im Frühjahr 2009 auf gerade einmal 3,11 Prozent, das BZÖ (heute FPK) schaffte indes fast 48 Prozent. Dennoch sind die Oberzauchers guten Mutes: "Die aktuellen Ereignisse werden einen guten Impuls bieten", glauben sie. Tatsächlich ist der Zulauf zu den Grünen in den vergangenen Wochen seit dem Geständnis des Steuerberaters Dietrich Birnbacher rund um das überteuerte Hypo-"Gutachten" und den damit zusammenhängenden Rücktritten in der FPK-ÖVP-geführten Landesregierung enorm gestiegen. Auch Glawischnig weiß, dass sie ohne den Hypo-Skandal wohl auf dem Kärntner Tourabschnitt relativ einsam dagestanden wäre.

90 Sympathisanten

So aber besteigt sie mit rund 90 Sympathisanten das Boot - und wird sofort in Beschlag genommen. "Die Situation in Kärnten müsst ihr jetzt nützen, hier wird gerade die Demokratie abgeschafft", meint ein älterer Mann, empört über die Weigerung der FPK, einem raschen Neuwahltermin zuzustimmen.

Am Oberdeck fachsimpelt Glawischnig mit einem Pärchen über Energiearmut, öffentlichen Verkehr und Elektromobilität. Da darf auch die Anspielung auf das Video nicht fehlen, das im Boulevard die Berichterstattung über die Sommertour dominiert hat. Darauf ist Glawischnigs Elektroauto zu sehen, wie es auf der Autobahn - angeblich mit 160 Stundenkilometern - auf der Überholspur drängelt. Vor allem das Tempo sei technisch völlig unrealistisch, meint Glawischnig, und die E-Bike-Fahrer geben ihr Recht.

Eher unbeteiligt mit am Tisch sitzt eine Deutsche, die sichtlich keine Ahnung hat, wer da vor ihr sitzt. Nachdem sich Glawischnig vorgestellt hat, wird die Frau von ihrem Sitznachbarn über die politische Lage in Kärnten aufgeklärt: "An der Macht sind die Blauen oder die Orangen, das weiß man nicht so genau, aber wenn man’s zusammenschüttet, wird braun daraus", sagt er. Er beschreibt sich selbst als "sozialistischen Grünen", seine Frau als "grüne Sozialdemokratin". Sie ist SPÖ-Gemeinderätin, will aber bei der kommenden Landtagswahl Grün wählen. "Die Stimmung hat umgeschlagen", sagt sie.

Anders sieht das der Eisverkäufer an der Millstätter Schiffstation, wo das Boot nach knapp einer Stunde wieder anlegt. "Die Kärntner sind zufrieden, wir hatten 40 Jahre sozialistische Diktatur, dann wurde alles besser und das ist es bis heute", meint er.

Blumen von Josef Jury (FPK)

Dann geht es im Bus weiter nach Gmünd. Dort wird sie von einem alten Bekannten herzlich empfangen. Josef Jury überreicht ihr einen Blumenstrauß. Er ist nicht nur Bürgermeister von Gmünd, sondern auch einer der drei orangen Nationalräte, die bei der FPK-Gründung aus dem BZÖ-Klub ausgetreten und im Herbst 2010 dem FPÖ-Klub beigetreten ist. Aber Jury ist auch jener Bäckermeister, der einst das Brot ins Gasthaus der Glawischnigs geliefert hat; er kennt die Grüne von Kindesbeinen an. "Das skizzierte Bild von Kärnten stimmt nicht", sagt Jury - man lasse sich "den ÖVP-Skandal nicht aufs Aug’ drücken". Selbstverständlich werde Dörfler auch nach den Wahlen Landeshauptmann bleiben: "Er hat sich als Landesvater positioniert und er bleibt es auch", meint er.

Das hofft eine Frau nicht. Sie arbeitet im Kulturbereich und will anonym bleiben, weil sie Angst um öffentliche Subventionen hat. "Ich muss mich ständig rechtfertigen, dass ich aus Kärnten bin", sagt sie. Das Problem sei, dass es hier zu wenige Wechselwähler und zu viele Verblendete gebe, meint sie. "Das könnte sich aber jetzt ändern", hofft sie.

Mittlerweile zieht ein Gewitter auf. Gmünd ist verwaist, als der Trupp die Kulturstadt durchschreitet, Glawischnig begrüßt da und dort einen alten Bekannten und beschließt den Abend mit einer Weinverkostung. Heute, Freitag, geht es weiter nach Osttirol, wo sie in St. Johann im Pongau Bundeskanzler Werner Faymann trifft. Am Ende wird der grüne Trupp 3500 Kilometer auf 60 Stationen zurückgelegt haben. Und wohl auch einige Sympathisanten mehr gewonnen haben. Selbst in Kärnten.