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Heinz Fischer 60 · Eine Nachlese

Von Berndt Ender

Politik

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Die Szene hätte den Titel "Auftritt des Jubilars" haben können. Gewohnt eiligen Schritts strebte Heinz Fischer mit seiner Frau Margit durch die Säulenhalle zum Empfangssalon des

Parlaments. Es war ein Festakt, gewidmet der langjährigen Ehe des Nationalratspräsidenten mit der Politik · im rituellen Rahmen seines 60. Geburtstages.

Als Gastgeber dieses politischen Geburtstagsfestes trat Heinrich Neisser in Erscheinung · ein langjähriger politischer Kontrahent des Hausherrn im Hohen Haus. Neisser würdigte Heinz Fischer wie einen

alten Freund und Weggefährten.

"Es ist kein Problem, den 60er zu überschreiten", beruhigte Neisser den Jubilar. Neisser ist zwei Jahre älter als Fischer. Es war ein Geburtstags-Empfang, bei dem niemand fehlte: Die Gästeliste las

sich wie ein Who-is-Who der Innenpolitik.

Der amtierende Bundespräsident, seine Vorgänger Kurt Waldheim und Rudolf Kirchschläger, die ehemaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky und Fred Sinowatz und Fischers langjähriger Dialogpartner Kardinal

Franz König · das politische Establishment gratulierte fast geschlossen dem "Homo Politicus", wie Heinrich Neisser den Jubilar liebevoll nannte.

Der Jurist Neisser, der den Juristen Fischer seit Studententagen kennt, hielt eine Laudatio mit viel Gefühl und Respekt. Bei politischen Meinungsverschiedenheiten mit Fischer habe er, Neisser, die

Faszination des Gegensätzlichen kennengelernt. Überdies gebe es niemanden in der Zweiten Republik, der so sehr mit dem Parlamentarismus und dem Hohen Haus verbunden sei wie Heinz Fischer.

Gefühle und Komplimente

Gefühle und fundierte Komplimente waren zugelassen bei Heinz Fischers rundem Geburtstag im Hohen Haus an der Wiener Ringstraße. Konsens unter den Festgästen herrschte gewiß auch in jenen

Punkten, die Heinz Fischer in seiner Antwort auf die Laudatio als Maxime seines politischen Handelns formulierte: So sei es wichtig, in der Politik zu differenzieren, Freundschaften und Loyalität

seien unverzichtbar und es bedürfe der Toleranz gegenüber anderen Standpunkten, auch wenn das manchmal als Schwäche ausgelegt werde · aber das schade nicht, sagte Heinz Fischer.

Heinrich Neisser hatte sich für seinen Präsidialkollegen ein rares historisches Geschenk ausgedacht: Ein Faksimile der Gründungsurkunde der Ersten Republik. Es handelt sich um das Gesetz vom 12.

November 1918 über das damalige Staats- und Regierungssystem von Deutsch-Österreich. Für Margit Fischer gab es einen Sonnenblumen-Strauß als "kleines Dankeschön für ihre Geduld und ihr Verständnis",

die, wie Neisser aus eigener Erfahrung zitierte, "ein Politiker dringend braucht".

Dezent im Hintergrund der Gratulanten im Empfangssalon saßen Heinz Fischers Vorgänger im Amt des Nationalratspräsidenten · Leopold Gratz und Anton Benya.

Ein Fest mit Freunden

Zu ebener Erd, im Vestibül des Museums für Angewandte Kunst, dann die richtige Party · "ein Fest der persönlichen und politischen Freunde", wie der SPÖ-Klubobmann Peter Kostelka das Fest für Heinz

Fischer nannte, das von der SPÖ-Spitze von Bundeskanzler Viktor Klima bis zu ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch im sogenannten MAK ausgerichtet wurde.

Zu diesem Ereignis kamen viele Wegbegleiter Fischers aus Politik, Wirtschaft, Sport und Kultur: Schriftsteller Milo Dor, die Skilegende Karl Schranz und der Ex-Fußballteamchef Karl Decker.

Komplimente und nochmals Komplimente für Heinz Fischer von seinen Parteifreunden. So bekräftigte Viktor Klima die Auffassung von Heinz Fischer, daß die Freundschaft doch eine "politische Katego

rie" sei. Im Kampf gegen "politische Unkultur" habe das Wort des Nationalratspräsidenten Gewicht.

Es gebe niemanden, der nicht von Fischers persönlicher Integrität überzeugt sei, sagte ein geradezu schwärmerischer Parteivorsitzender Klima und der Fischer-Schüler Peter Kostelka nannte den

Geburtstags-Jubilar eine "Bastion des Parlamentarismus" und einen "Meister der Schlachten ohne Wunden".

Heinz Fischer war auf Klimas Geschenk sichtlich nicht vorbereitet. Der Bundeskanzler überreichte Fischer mit der Victor-Adler-Plakette in Gold die höchste Auszeichnung, die die SPÖ an ihre Mitglieder

zu vergeben hat. Und danach ein intellektuelles Geschenk für Fischer, organisiert von seinem langjährigen Mitarbeiter Bruno Aigner.

Es war eine Art Lesebuch für Heinz Fischer, ein Band, das die Reichweite der Interessen des "Homo Politicus" einzufangen versucht · Beiträge von Kardinal Franz König bis Peter Handke · extra zum

Geburtstag bestellt. Ein Diskurs mit Herz und Verstand.

Ein gutgelaunter Kanzler und SPÖ-Vorsitzender versuchte, die Vorlieben seines Freundes verständlich zu machen: Man habe extra eine Jazzband für diesen Geburtstagsabend bemüht, um ja den

Musikgeschmack Heinz Fischers zu treffen, wobei Viktor Klima nicht verhehlte, daß er mit Heinz Fischer immer nur kurze Zeit im Auto mitfahren könne, weil dieser ständig und nur Jazz spiele.

Nun, mit Jazz wurde Heinz Fischer an jenem Abend reichlich eingedeckt · "doch es war nicht möglich, auch noch die Alpen für den begeisterten Bergsteiger ins MAK zu schaffen", bedauerte Chef-Gratulant

Viktor Klima, "nicht einmal die Hohe Wand haben wir geschafft".Õ

Berndt Ender ist Mitarbeiter der ORF-Parlamentsredaktion

NOVEMBER 1998