Folter darf "nicht zulässig" werden. | "Richtige Reaktion" bei Überflug. | Warnung vor Panik in Europa.
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"Wiener Zeitung": Das Verhältnis zwischen Europa und den USA scheint heute schwieriger denn je.BP Heinz Fischer: Wir haben derzeit einzelne heikle Fälle auf dem Tisch. Deren exakte und an der Einhaltung der Menschenrechte orientierte Diskussion darf nicht gleich als Beeinträchtigung des Verhältnisses zwischen den USA und Europa gesehen werden. Sonst dürfte man ja überhaupt nichts diskutieren. Tatsache ist, dass wir die Menschenrechte weltweit nur dann glaubwürdig vertreten können, wenn man auch in diesem Punkt sehr konsequent und sensibel ist. Alle jene schwer erkämpften Vereinbarungen, dass Folter im 21. Jahrhundert nicht zulässig ist, müssen eingehalten werden. Ich lehne es ab zu sagen: Ja, das gilt schon grundsätzlich, um dann ein Aber hinzuzufügen.
Ich lege auch Wert darauf, dass die Souveränität der europäischen Staaten und im besonderen Österreichs geachtet wird. Daher ist hier ein kameradschaftlich-kritischer Dialog notwendig.
Wie sehen Sie denn dann den Überflug dieser mutmaßlichen CIA-Maschine?
http://www.wienerzeitung.at/Images/2005/12/9/948_008_153125_101203fiobe.jpg Ich habe mich vom Verteidigungsminister genau informieren lassen. Es hat sich um ein Flugzeug gehandelt, das aufgrund der Orte des Starts und der Landung auffällig war. Das war der Grund, warum österreichische Luftraumüberwachungsflugzeuge aufgestiegen sind und das Flugzeug eskortiert haben. Das war richtig. Ich entnehme den glaubwürdigen Informationen des Verteidigungsministers, dass damals aufgrund der vorhandenen Informationen kein Grund gewesen ist, schärfere Maßnahmen zu ergreifen, wie etwa den Flieger zur Landung zu zwingen.
Für den Fehler, dass die Überflugsgenehmigung für ein Staatsluftfahrzeug nicht eingeholt worden ist, haben sich die Amerikaner entschuldigt. Landungen oder gar illegale Gefängnisse in Österreich gibt es selbstverständlich nicht, das heißt, das neutrale Österreich ist von dem ganzen Komplex nicht weiters betroffen. Es ist aber ein gesamteuropäisches Problem. Gespräche mit dem polnischen Staatspräsidenten haben mir gezeigt, dass andere vielleicht stärker betroffen sind von dieser Problematik.
Aber auch Polen sagt, es gab keine Gefängnisse.
http://www.wienerzeitung.at/Images/2005/12/9/948_008_153126_101203fimit.jpg Auch Polen sagt, es gab keine Gefängnisse. Aber manche Überflüge und Landungen sind ja sicher nicht nur erfolgt, um sich die Füße am Flugplatz vertreten zu können.
Wie soll man überhaupt mit Terroristen umgehen?
Es gibt viele Varianten, Terrorismus zu definieren und zu bekämpfen. Für mich ist Terrorismus eine gesetzlose Gewaltanwendung, die willkürlich Militärpersonen, Zivilpersonen, Erwachsene und Kinder zum Ziel hat. Dieser Terrorismus muss, darf und soll bekämpft werden wie ein Verbrechen, auch wie ein organisiertes Verbrechen. Aber Terrorismus legitimiert nicht die Außerkraftsetzung von Grundrechten.
Sie sehen das Instrumentarium ausreichend, um gegen Terrorismus vorzugehen?
http://www.wienerzeitung.at/Images/2005/12/9/948_008_153127_101203fiunt.jpg Ob das Instrumentarium ausreichend ist, ist damit noch nicht gesagt. Über seine Ausweitung im Rahmen eines parlamentarischen Prozesses und bei gerichtlicher Überprüfung kann man natürlich diskutieren. Das findet ja auch statt. Aber der Kampf gegen den Terrorismus bleibt an demokratische Verfassungen gebunden. Er ist kein Zauberwort, um Errungenschaften eines Rechtsstaates außer Kraft zu setzen.
Sie sehen keinen Krieg der Kulturen?
Sicher nicht. Europa hat trotz allem die längste und stabilste Friedensperiode der Geschichte. Die Terroristen dürfen nicht die Genugtuung haben, Europa in Panik und den Ausnahmezustand versetzt zu haben.
Angesichts wachsender Meinungsverschiedenheiten zwischen Europa und Amerika stellt sich in einer gemeinsamen europäischen Außenpolitik die Frage, ob auf Dauer US-Truppen in Europa stationiert sein sollen.
Erstens glaube ich nicht, dass die Meinungsverschiedenheiten zwischen Europa und Amerika im Wachsen sind. Es hat eine Meinungsverschiedenheit gegeben zwischen den USA und einigen europäischen Staaten, die bedauert haben, dass der Irak-Krieg ohne Zustimmung der Vereinten Nationen und ohne ein wirklich schlüssiges Konzept für die Zeit nach dem Krieg begonnen worden ist. Aber seither ist sehr ernsthaft an der Überwindung dieser Meinungsverschiedenheiten gearbeitet worden. Wenn jetzt Fragen der Rechtsstaatlichkeit, der Folter und des Aktionsradius eines amerikanischen Geheimdienstes außerhalb der Grenzen der USA diskutiert werden, so muss das zwischen guten Freunden möglich sein.
Das ist ein fairer und wichtiger Diskussionsprozess, von dem vielleicht beide Seiten Nutzen haben. Die USA haben ja auch inzwischen wichtige Klarstellungen vorgenommen.
Was die Präsenz amerikanischer Truppen betrifft: So lange jene europäischen Länder, die sie im Land haben, einverstanden sind, kann das so bleiben. Für Österreich ist die Situation anders. Unsere Neutralität macht die Stationierung ausländischer Truppen unmöglich und auch das wird so bleiben. Das ist gut, dass es so bleibt.
Wenn wir in Hunderten Erklärungen den Wert der gemeinsamen europäischen Sicherheit betonen, müssen wir doch eine Meinung haben, ob diese US-Truppen gut oder störend sind.
Die gemeinsame europäische Sicherheitspolitik hat viele Anwendungsbereiche und viele Felder, wo sie entwickelt werden kann. Aber sie kennt auch Felder, wo auf die nationalen Besonderheiten und auf besondere verfassungsrechtliche Gegebenheiten Bedacht zu nehmen ist. Deshalb ist eine Truppenstationierung in Deutschland oder auch in anderen Staaten möglich, aber in Österreich nicht. Das ist in meinen Augen kein Hindernis für Gemeinsamkeiten in der Sicherheitspolitik der EU und ist auch kein Hindernis für die Zusammenarbeit der NATO-Staaten. Ich habe gegen diese Zusammenarbeit einschließlich Truppenstationierungen zwischen NATO-Staaten nichts einzuwenden. Ich sage nur, Österreichs Situation ist anders.
Wollen wir also nur eine teilweise gemeinsame Außenpolitik in der EU?
Es gibt eine weitgehende, aber auf unterschiedliche verfassungsrechtliche Gegebenheiten Bedacht nehmende gemeinsame Sicherheitspolitik und eine noch größere Gemeinsamkeit in der Außenpolitik.
Glauben Sie, dass die EU heute imstande ist, auf dem Balkan ohne USA den Frieden aufrecht zu erhalten?
Die Aufgaben auf dem Balkan sind nach wie vor beträchtlich und ich glaube, dass ein Zusammenwirken Europas mit den USA in diesem Bereich für alle Beteiligten nützlich ist. Die Tendenz geht aber dahin, dass sich die USA langsam aus der Region zurückziehen, weil sie darauf vertrauen, dass diese Aufgaben von Europa erfüllt werden können. Diese Tendenz darf nicht als Beweis interpretiert werden für Schwierigkeiten, sondern es ist eine neue Arbeitsteilung.
Was empfindet der Bundespräsident, der die Republik nach außen zu vertreten hat, bei der Visa-Affäre?
Die Vorstellung, dass die Visa-Erteilung nicht nach Recht und Gesetz erfolgt, sondern, dass hier illegale finanzielle Leistungen zu einer positiven Entscheidung führen, wäre absolut nicht akzeptabel. Daher muss das genau untersucht werden. Ich werde in angemessener Zeit um einen Zwischenbericht bitten. Denn der Diplomatische Dienst muss über jeden Zweifel erhaben sein. Wenn es Fehlentwicklungen gibt, müssen sie mit großer Konsequenz bereinigt werden.
Geht es um Fehlverhalten Einzelner oder geht es auch um strukturelle politische Fehlkonstellationen?
Mit politischen Fehlkonstellationen hat das meines Erachtens nichts zu tun. Es ist menschliches Fehlverhalten, das man nicht dem ganzen diplomatischen Dienst anlasten darf.