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Obwohl man es ihm nicht ansieht, wird der "zweithöchste Mann im Staate" dieser Tage 60 Jahre alt. Rund vier Jahrzehnte dieses Lebens verbrachte Heinz Fischer in der Politik, zunächst als
Klubsekretär der SPÖ-Fraktion im Parlament, dann als Abgeordneter und Klubobmann, später als Wissenschaftsminister und schließlich, seit 1990, als Präsident des Nationalrates. In seinem Lebensbogen
spiegelt sich die Geschichte der Zweiten Republik wider, von Wiederaufbau und Staatsvertrag über die Ära Kreisky bis zum EU-Beitritt und zur Schwelle des neuen Jahrtausends.
Geboren wurde Fischer am 9. Oktober 1938 in Graz. Weshalb er in der steirischen Metropole das Licht der Welt erblickte, wird auch in seiner eben erschienenen Autobiographie nicht erhellt,
unbestrittenes Faktum ist hingegen, daß Fischer die Kriegsjahre größtenteils in Wien erlebte. In eine sozialdemokratische Familie hineingeboren, wurde er früh erwachsen und erkannte die ganze
Grausamkeit dieses Regimes und des von ihm entfesselten Weltenbrandes. Und so gab es im Hause Fischer im Frühjahr 1945 denn auch niemanden, der im Sieg der Alliierten nicht eine Befreiung gesehen
hätte.
Sein Vater etwa, der im Februar untergetaucht war, um nicht im letzten Augenblick noch für die Nazis in den Krieg ziehen zu müssen, konnte sich nun wieder frei bewegen und suchte sogleich Anschluß an
die sich nach elf Jahren der Illegalität wieder konstituierende Sozialdemokratie.
Mit der hohen Politik aufgewachsen
Dabei freilich war Rudolf Fischer kein "kleiner Fußsoldat" · er gehörte 1954 bis 1956 als Staatssekretär der Bundesregierung an ·, sodaß Heinz Fischer praktisch von kleinauf mit der hohen Politik
aufwuchs, trafen sich doch in der Wohnung der Eltern oftmals prominente SPÖ-Funktionäre zum Gedankenaustausch. Für Heinz Fischer war es dann auch beinahe eine Selbstverständlichkeit, zum erstbesten
Zeitpunkt selbst in den Reihen der Arbeiterbewegung aktiv zu werden. Als sich 1953 der Verband Sozialistischer Mittelschüler konstituierte, zählte Fischer zu den Gründungsmitgliedern.
Nach der Matura begann er 1956 an der Uni Wien Jus zu studieren und wechselte in den VSStÖ, wo er bald zu den Exponenten der "Linken" zählte, während die "Rechten" vom späteren Tabakgeneral Beppo
Mauhart und von Hannes Androsch angeführt wurden. Die Auseinandersetzungen in der Studentenvereinigung wurden fair, aber oft hart ausgetragen, was die Mutterpartei mitunter dazu veranlaßte,
Versöhnungsappelle an den Nachwuchs zu richten.
Nur wenig später schnupperte der künftige Nationalratspräsident erstmals "parlamentarische Luft", wählten ihn die Studenten doch als Vertreter des VSStÖ zum Mandatar der Österreichischen
Hochschülerschaft, ein Amt, das Fischer von 1959 bis 1961 ausübte. 1961 promovierte Fischer auch zum Doktor der Rechte.
Einzug ins Hohe Haus
Nun lag für ihn eigentlich der weitere Lebensweg als Jurist auf der Hand, doch plötzlich erhielt er das Angebot, als Rechtsexperte Mitarbeiter des SPÖ-Parlamentsklubs zu werden. Nach kurzem
Überlegen nahm er an und bezog damit vor nunmehr 36 Jahren erstmals im Hohen Haus ein Büro. In den folgenden Jahren prägte er zunächst mit Leopold Gratz, später in alleiniger Verantwortung, die
Arbeit der sozialistischen Fraktion.
Seine kompetente und sachverständige Art fand dabei nicht nur allerorten Beifall, sie prädestinierte ihn gleichsam für "höhere Weihen", und so war es denn auch nicht verwunderlich, daß die SPÖ den
33jährigen für die Nationalratswahlen 1971 kandidierte. Im November wurde er als Abgeordneter angelobt und nahm in der zweiten Reihe des Sitzungssaales Platz, um eine gute Kommunikationsbasis mit dem
neuen Klubobmann Gratz zu haben, da Fischer weiterhin die Agenden des Klubdirektors wahrnahm.
Bundesminister und Klubobmann
Ob seiner Erfahrung war Fischer schnell eingearbeitet und wurde zum unverzichtbaren Bestandteil der sozialistischen Parlamentarierriege. Dem trug die Partei Rechnung, als sie Fischer 1975 zum
geschäftsführenden Klubobmann (nominell hatte Kanzler Kreisky dieses Amt inne) wählte. Vier Jahre später wurde Fischer auch stv. Parteivorsitzender, eine Funktion, die er jetzt seit 19 Jahren ausübt.
Als sich Anfang der 80er Jahre das Ende der überaus erfolgreichen Ära Kreisky abzuzeichnen begann, zählte Fischer neben Gratz und Blecha (Androsch war im Januar 1981 aus allen politischen Ämtern
geschieden) zu den prominentesten "Kronprinzen" des "Sonnenkönigs". Als nun Kreisky 1983 die neuerliche absolute Mehrheit versagt blieb, und er daraufhin zurücktrat, ging die SPÖ eine Koalition mit
den Freiheitlichen ein, in der Fischer das Amt des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung übernahm. Beinahe vier Jahre gehörte er der Regierung an, ehe er im Januar 1987 wieder den Posten des
Klubobmannes · diesmal nicht "nur" geschäftsführend · übernahm.
Die späten 80er Jahre waren für die sozialistische Fraktion keine leichte, zumal die Affären Lucona und Noricum zu Untersuchungsausschüssen führten, in deren Gefolge Innenminister Blecha und
Nationalratspräsident Gratz ihre Ämter niederlegten. Gleichzeitig aber etablierte Kreiskys Nachnachfolger Franz Vranitzky die SPÖ als unbestritten stärkste Partei des Landes. Nach den
Nationalratswahlen 1990 wechselte Fischer von der einen Seite der Regierungsbank auf die andere und wurde mit überwältigender Mehrheit zum neuen Nationalratspräsidenten gewählt. Mittlerweile ist
Fischer in diesem Amt nach Anton Benya bereits der am zweitlängsten zweitlängsten amtierende Vorsitzende, und in seiner Ära als Präsident des Hohen Hauses standen ihm bisweilen zwei Zweite (Lichal,
Neisser) und drei Dritte (Schmidt, Haupt, Brauneder) Präsidenten zur Seite. Und da Heinz Fischer nun eben erst 60 wird, darf damit gerechnet werden, daß er sich auch im Jahr 1999 um ein Mandat
bewerben wird.
So sehr also Heinz Fischer die österreichische Politik der letzten Jahrzehnte maßgeblich mitgestaltet hat, als überzeugter Sozialdemokrat bemühte er sich stets um eine internationale Perspektive in
der Politik. Nicht nur, daß Fischer in der SI führend tätig war und ist, daß er seit 1992 zu den stv. Vorsitzenden des europäischen Zusammenschlusses der Sozialdemokraten PSE zählt, hat er weltweit
Gesprächspartner · die Palette reicht von Nelson Mandela über Robert McNamara bis zu Yassir Arafat ·, mit denen er nach Wegen für eine friedliche, gedeihliche Entwicklung der Weltpolitik sucht.
Doch bei allem Engagement in der Politik hat Fischer nie auf ein zweites Standbein im Berufsleben verzichtet. Schon in den 70er Jahren unterrichtete er an der Universität Innsbruck
Politikwissenschaften, ist mittlerweile dort auch Ordentlicher Universitätsprofessor, und etablierte sich in den letzten 25 Jahren auch als Autor politikwissenschaftlicher und historischer
Sachbücher, von denen "Das politische System Österreichs" (1975) und "Die Kreisky-Jahre" (1993) bereits als Standardwerke gelten.Õ
Andreas P. Pittler ist Mitarbeiter des Parlamentarischen Pressedienstes
OKTOBER 1998