Heinz Marecek erzählt, wie er zum Schauspielerberuf fand, warum er heute Film- und TV-Aufnahmen der Bühnenarbeit vorzieht - und wie er in (fast) allen Lebenslagen Witz und Humor bewahrt.
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"Wiener Zeitung": Herr Marecek, Ihre kürzlich erschienene Autobiographie trägt den Titel "Ich komme aus dem Lachen nicht heraus" und beginnt bezeichnenderweise mit dem Satz: "Lachen zieht sich durch mein Leben wie ein silberner Faden." Darf man davon ausgehen, dass es bereits in Ihrer Kindheit ziemlich lustig zuging?
Heinz Marecek: Wir waren eine ausgesprochen lachfreudige Familie! Mein Vater hatte Witz, meine Mutter unglaublichen Humor. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten ist sehr viel gelacht worden . . .
. . . nicht zuletzt über die Doppelconférencen von Karl Farkas und Ernst Waldbrunn . . .
. . . ja, die sind mir bis heute in lebhafter Erinnerung. Meine Eltern gingen zwar selten ins Theater, ließen dafür aber kein einziges neues Simpl-Programm aus. Die lustigsten Kabarettszenen wurden dann daheim wochenlang nachgespielt. Schon damals hatte ich eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, wie Waldbrunn, Farkas oder Maxi Böhm die Pointen setzen, ohne sie jemals selbst auf der Bühne gesehen zu haben.
Sie schreiben, dass Sie in "Betragen" immer die Note "3" hatten. War daran ebenfalls Ihr Sinn für Humor schuld?
Es gab keinen Streich, den ich ausgelassen hätte. Wenn jemand eine Idee für einen Blödsinn hatte, konnte er fest mit meiner Mitwirkung rechnen. Außerdem konnte ich nicht ruhig sitzen. All das führte haufenweise zu Klassenbucheintragungen. Es gibt kein Zeugnis, in dem nicht ein Dreier in "Betragen" steht.
Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?
Recht war es ihnen nicht, aber wichtiger war ihnen, dass die anderen Noten in Ordnung waren.
Wie reagierten Ihre Eltern, als Sie Ihren Berufswunsch äußerten, Schauspieler werden zu wollen? Ebenfalls mit dieser Gelassenheit?
Ja, das war wirklich unfassbar, weil ich mich sehr lange auf dieses Gespräch vorbereitet hatte. Wochenlang überlegte ich mir alle möglichen Argumente und Gegenargumente, stellte mir vor, was meine Eltern sagen würden, wie mein Bruder reagieren würde - und wartete auf einen günstigen Zeitpunkt.
Wann kam der?
Dieser Zeitpunkt kam in Form von zwei Schularbeiten. Sowohl mein Bruder als auch ich brachten am selben Tag einen Schularbeitseinser nach Hause. Wir legten die Hefte gut sichtbar in die Küche, wo meine Mutter gerade Marillenknödel machte. Als mein Vater nach Hause kam, warf er einen kurzen Blick auf diese beiden Hefte und sagte im Vorbeigehen: "Naja, das Hirn haben die Buben von mir." Und meine Mutter konterte: "Ganz sicher sogar, weil meines habe ich ja noch." Damit war wieder Lachen angesagt und ich nutzte die gute Stimmung und sagte: "Ich möchte Schauspieler werden". Die Reaktion meines Vaters war der lapidare Satz: "Dann wird es am besten sein, wenn du ans Reinhardt Seminar gehst".
Es gab vonseiten Ihrer Eltern also keinerlei Einwände?
Nein. Aber das war für mich paradoxerweise ein Schock, weil ich auf Konfrontation eingestellt war. Plötzlich hatte ich alle Einwände, die ich eigentlich meinen Eltern zugedacht hatte, in dialektischer Weise mit mir selbst auszutragen.
In Ihrem Buch bezeichnen Sie das Theater als Flucht aus einer Realität, in der Sie sich nicht richtig einordnen konnten. Wie ist das zu verstehen?
Manche Menschen wissen schon als Kind, welchen Beruf sie einmal ergreifen möchten und sehen sich beispielsweise als Arzt oder Ingenieur. Derlei konkrete Vorstellung hatte ich nicht. Mein Schlüsselerlebnis war wohl eine Schulaufführung, im Rahmen derer ich den Ansager spielte. Damals war ich sechs Jahre alt. Das war eine sehr prägende Geschichte. Ab diesem Zeitpunkt ging ich sehr oft ins Theater und der Wunsch, Schauspieler zu werden, kristallisierte sich mehr und mehr heraus.
Nach der Schule klappte dann auch alles wie am Schnürchen.
Ja, erstaunlicherweise. Zwei Wochen nach der Matura machte ich die Reinhardt-Seminar-Prüfung, und nach Ende der Ausbildung ergab sich das Arbeiten im Beruf völlig organisch. Zuerst spielte ich am Theater der Jugend, dann an der Volksoper in der "West Side Story", danach war ich ein Jahr in Graz. 1971 ging es dann an den Kammerspielen und im Theater in der Josefstadt los.
Die Kammerspiele nennen Sie Ihr "Kinderfreibad".
Ja, rückblickend betrachtet waren es meine lustigsten Theaterjahre. Egal, mit wem man dort gearbeitet hat, ob mit Maxi Böhm, Ernst Waldbrunn, Elfriede Ott, Otto Schenk, es war immer eine Riesenhetz. Gleichzeitig waren es aber auch sehr lehrreiche Jahre. An den Kammerspielen habe ich den Beruf wirklich erlernt. Wir hatten neun Vorstellungen pro Woche und kannten die Rollen in- und auswendig. Dies gab einem die Sicherheit, auch offen für Variationen zu sein.
Heißt das, dass auf der Bühne Spielraum für spontane Einfälle war?
Für spontane Ideen nicht, aber für zuvor angekündigte sehr wohl. Dies ist in erster Linie Ernst Waldbrunn zu verdanken. Mit ihm konnte man wunderbar über Szenendetails reden. Damals lernte ich diesen Zusammenhang von Pause und Pointe, also wie perfektes Timing funktioniert. Waldbrunn war zudem ein Mensch, der absolut nicht neidig auf den Erfolg eines Kollegen war. Er konnte sich von Herzen mit anderen mitfreuen.
Anerkennung unter Kollegen ist wohl nicht alltäglich.
Andererseits ist es aber auch nicht so, dass unter den Schauspielern pure Eifersucht herrscht. Eher das Gegenteil ist der Fall. Der Umgang unter den Kollegen ist meistens ein sehr herzlicher. Diese oft zitierte Soubretten-Eifersucht gibt es ja nicht wirklich. Ich habe sie jedenfalls kaum erlebt.
Sie waren von 1971 bis 1998 Ensemblemitglied der Josefstadt und lassen durchklingen, dass es Ihnen unter der Intendanz von Ernst Haeusserman am besten gefallen hat. Weshalb?
Das hatte mehrere Gründe. Erstens mochte ich ihn als Mensch sehr gerne, weil er einen ungeheuer guten Witz hatte. Außerdem war er ein hochintelligenter Mann und nahm sich jede Menge Zeit für persönliche Gespräche. Mit ihm konnte man Fragen in aller Ruhe erörtern. Hinzu kommt, dass die Vorplanung perfekt war. Man wusste ein Jahr im Voraus, wann Probenbeginn für die jeweiligen Premieren sein wird. Das war sehr angenehm. Dies war übrigens auch bei Franz Stoß der Fall. Er war ebenfalls ein Mann mit absoluter Handschlagqualität.
Unter der Direktion von Otto Schenk fühlten Sie sich an der Josefstadt nicht mehr so wohl. Woran lag das?
Mit Otto Schenk verbindet mich eine nach wie vor ungetrübte Herzensfreundschaft. Aber er hat das Haus einfach anders geleitet. Auf Grund der Tatsache, dass er selbst in viele Stücke und Inszenierungen eingebunden war, gab es nicht mehr die Zeit, lang über Dinge zu reden. Einerseits weil er das prinzipiell nicht gerne tut, andererseits weil einfach die Zeit fehlte. Aber das Theater ist unter seiner Direktion zweifelsohne sehr gut gelaufen.
Der Bruch mit der Josefstadt kam dann unter der Direktion von Helmuth Lohner. Was war der Anlass?
Helmuth Lohner ist ein kommunikationsscheuer Mensch. Was prinzipiell überhaupt kein Makel ist, aber für den Beruf eines Theaterdirektors vielleicht keine ungeheuer förderliche Eigenschaft. Es gab auch nicht mehr diese lange Vorbereitungszeit auf Stücke. Oft kam alles überraschend, und in mir wuchs mehr und mehr das Gefühl: Das ist nicht mehr mein Theater. Einer der Gründe, weshalb ich so lange an diesem Haus geblieben bin, war eben die angenehme Form der Zusammenarbeit, dass man sich Zeit für Planung und Gespräche nahm. Das war dann nicht mehr der Fall.
Hat das Ihre prinzipielle Liebe zum Theater getrübt?
Meine Liebe zum Theater war ursprünglich so stark ausgeprägt, dass meine Frau und ich sogar in London auf unserer Hochzeitsreise täglich ins Theater gingen. Und ich kann gar nicht sagen, wie oft ich mir früher nach einem Theaterbesuch dachte: Mein Gott, diese Rolle würde ich gerne spielen! Zuletzt habe ich das Theater hauptsächlich kopfschüttelnd verlassen und war froh, bei diesem Stück nicht auf der Bühne stehen zu müssen.
Was ist der Grund für diesen Sinneswandel?
Im Laufe der letzten 30 Jahre hat sich am Theater immer mehr ein Trend durchgesetzt, der mir nicht gefällt. Viel zu oft versucht man einem Stück mit optischen Chiffren beizukommen, die meiner Ansicht nach völlig unbegründbar sind. Wenn ich mir ein Stück ansehe und den ganzen Abend nicht schlau werde, weshalb dieser Spielraum oder diese Kostüme gewählt wurden, macht mir das keinen Spaß.
Haben Sie die Lust am Theater gänzlich verloren?
Es interessiert mich in dieser Form nicht mehr. Mich haben am Theater immer nur die Schauspieler interessiert. Wenn ich in meiner Jugend ins Theater gegangen bin, hat niemanden interessiert, wer die Regie gemacht hat. Man wollte einen Werner Krauß sehen, einen Oskar Werner oder Ernst Deutsch. Du bist nur ins Theater gegangen, um diese Wundertiere auf der Bühne zu erleben. Für mich ist Theater ein Ort des Wortes. Natürlich ist das Bühnenbild enorm wichtig, aber als Trampolin, auf dem es passiert, und nicht als eine sich in den Vordergrund drängende Metapher!
Sie gehen also gar nicht mehr ins Theater?
Ich gehe gelegentlich ins Theater, wenn meine Kinder oder meine Freunde meinen, dieses Stück müsse man sich unbedingt anschauen. Aber ich kann mich eigentlich nicht erinnern, wann ich den letzten Theaterabend erlebt hätte, wo sich diese große Sehnsucht eingestellt hätte, auf der Bühne dabei sein zu wollen. Dafür interessiert mich Film immer mehr. Ich gehe leidenschaftlich gerne ins Kino. Es gibt eine ganze Menge Schauspieler, denen ich fasziniert zuschauen kann.
Wem zum Beispiel?
Kevin Spacey oder Robert de Niro. Es ist pure Freude zu beobachten, wie diese Menschen bestimmte Szenen lösen. Und diese Lösungen verstehe ich auch; die Lösungen beim Theater verstehe ich immer weniger.
Das erklärt wohl auch, weshalb Sie in den letzten Jahren viel für den Film gearbeitet haben.
Beim Film kann man viel besser abschätzen, was auf einen zukommt. Man kann sich viel konzentrierter auf eine Rolle einstimmen, weil man keine Angst haben muss, dass plötzlich ein Regisseur mit der Anweisung kommt, dass diese Rolle in einem grünen Taucheranzug und mit roter Pappnase gespielt werden muss. Beim Film weiß ich, wenn ich das Drehbuch lese: So wird es sein.
Seit mittlerweile elf Jahren spielen Sie in der TV-Krimiserie "SOKO Kitzbühel" den Haubenkoch Hannes Kofler. Stimmt es, dass Sie eigens für diese Rolle Kochunterricht bei Ihrem Freund Walter Eselböck genommen haben?
Ja. Vor Drehbeginn habe ich ihn gebeten, 14 Tage in der Küche dabei sein zu dürfen. Ich habe auch versprochen, möglichst wenig im Weg zu stehen. Diese dichte Atmosphäre, die in einer Profiküche herrscht, in mich eindringen zu lassen, habe ich ungemein genossen.
Als Zuseher fragt man sich gelegentlich, wie es um Ihre eigenen Kochkünste bestellt ist?
Wahrscheinlich koche ich besser, als Hugh Laurie, alias "Dr. House", in Wirklichkeit operieren würde. Aber ich hatte immer schon das Glück, kulinarisch in besten Händen zu sein. Meine Großmutter kochte hervorragend, ebenso meine Mutter und meine Frau ist ebenfalls eine exzellente Köchin. Also mische ich mich da in der Praxis nicht sonderlich ein.
Freut es Sie, dass Ihre Kinder Sarah und Ben ebenfalls die Schauspielkarriere einschlagen?
Es freut mich, weil ich glaube, dass beide einen richtigen Zugang zu diesem Beruf haben. Einerseits weil sie sich mit tiefer Ernsthaftigkeit diesem Beruf annähern. Andererseits weil bei beiden Kindern auch diese seelische Gewappnetheit gegen Rückschlägen vorhanden ist.
Im Nachwort Ihrer Autobiographie bezeichnet Sie Ihr Sohn auf humorvoll nette Weise als einen "kindischen Mann". Sehen Sie sich auch so?
Ben kennt wohl eher Männer in meinem Alter, die weniger blödeln und Witze machen als ich. Es vergeht übrigens auch kein Tag, an dem ich nicht mit meiner Frau herzhaft lache. Das hat über all die Jahre nie aufgehört.
Sie kommen also tatsächlich aus dem Lachen nicht heraus. . .
. . . gemeinsames Lachen ist für mich die wichtigste Vorraussetzung für Liebe und Freundschaft.
Ihre erste Frau, die Opernsängerin Julia Migenes, dürfte diesen "Lachtest" demzufolge eher nicht bestanden haben.
Im Gegenteil! Sie ist eine ausgesprochen lustige Person! Zuletzt haben wir uns seit 30 Jahren erstmals wieder persönlich getroffen. Sie trat in der Volksoper im Rahmen von "Salut für Prawy" auf. Ich ging zu ihr in die Garderobe - und ehe einer von uns überhaupt einen Satz sagen konnte, wurde einmal ausgiebig gelacht.
Auch wenn Sie momentan in Sicherheitsabstand zum Theater stehen, ernten Sie nach wie vor jede Menge Bühnenapplaus. Speziell Ihre gemeinsamen Kabarett-Programme mit Karlheinz Hackl entpuppten sich über die Jahre als Dauerbrenner.
Ja, es gibt keinen Menschen, mit dem ich lieber auf der Bühne stehe als mit ihm.
Woran liegt das?
Erstens habe ich ihn wirklich von Herzen gern. Ich kenne niemanden, der mit einer derartigen "parsifalesken" Haltung durchs Leben geht wie er. Er hat die Gabe, sich ungemein an Dingen zu freuen und käme nie auch nur ansatzweise auf die Idee, jemandem etwas Böses anzutun. Der zweite Grund, weshalb ich so gerne mit ihm arbeite, ist die Tatsache, dass er einfach ein wunderbarer Schauspieler ist.
"Glanzlichter" ist Ihr nunmehr drittes gemeinsames Programm mit Hackl und ein "Best of" der beiden vorangegangenen.
Trotzdem treffen wir uns jedes Mal bereits drei Stunden vor Vorstellungsbeginn und spielen in der Garderobe die Doppelconférencen durch. Jeder Blick, jede Pause ist ganz genau getimt. Unsere Abende variieren in der Länge nie mehr als eine Minute. Und was bei einem Zweierabend natürlich auch sehr wichtig ist: Ich kann ewig in sein Gesicht sehen, ohne dass mir dabei fad würde. Es ist wie eine sich ständig verändernde Landschaft, über die Wolken ziehen, ein Lüftchen wehen kann, ein Sturm bläst oder über der plötzlich die Sonne aufgeht.
Zur Person
Heinz Marecek, 1945 in Wien geboren, lebt in Wien und Berlin. Nach seinem Studium am Max-Reinhardt-Seminar spielte er am Wiener Ateliertheater, hatte Engagements an der Wiener Volksoper, am Theater der Jugend und am Landestheater Graz und war von 1971 bis 1998 Ensemblemitglied am Theater in der Josefstadt, wo er auch als Regisseur tätig war. Überdies inszenierte er Stücke an der Volksoper.
Seit vielen Jahren steht Marecek gemeinsam mit Karlheinz Hackl auf der Bühne, zuletzt - und noch fortlaufend - im Kabarett-Programm "Glanzlichter (Best of Hackl & Marecek)".
Daneben machte sich Marecek auch mit Rollen in TV-Produktionen, etwa in der "Lindenstraße", in der Krimiserie "SOKO Kitzbühel", im historischen Mehrteiler "Ringstraßenpalais" sowie in der Filmreihe "Der Bockerer" einen Namen.
Kürzlich ist sein Buch "Ich komme aus dem Lachen nicht heraus" im Amalthea Verlag erschienen (Wien 2011, 272 Seiten, zahlr. Abb., 22,95 Euro).
Christine Dobretsberger, 1968 in Wien geboren, ist freie Journalistin und Autorin, und seit 2005 Geschäftsführerin der Text- und Grafikagentur "Lineaart".