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Heiße Atmosphäre

Von Roland Knauer

Wissen
Strukturen, die das Weltraumteleskop Iris im Dezember 2013 beobachtete.
© Foto: Iris, LMSAL, Nasa

Das Iris-Weltraum-Teleskop inspiziert die brodelnde Hülle der Sonne.


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Göttingen. Aus kleinen Taschen mit unvorstellbar hohen Temperaturen explodiert heiße Materie in die Umgebung. Andernorts bilden sich riesige Superzellen, an deren Rändern Material mit hohem Tempo in den Weltraum schießt und dort vermutlich den Sonnenwind antreibt. Verdrillte Magnetfelder heizen die dünne Atmosphäre der Sonne gewaltig auf und erzeugen so viel von der für das Leben auf der Erde gefährlichen ultravioletten Strahlung.

Es brodelt also gewaltig in der Atmosphäre rund um die Sonne. Einige Details dieser für das Klima auf der 150 Millionen Kilometer entfernten Erde wichtigen Vorgänge schildern Astrophysiker wie Hardi Peter vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen und einige seiner Kollegen aus aller Welt jetzt im Fachblatt "Science".

Fusionsreaktor

Genau solche Details brauchen die Forscher, um die dortigen Vorgänge besser zu verstehen, deren Grundzüge zumindest bekannt sind: Die Sonne ist ein Fusionsreaktor, der in seinem Kern bei Temperaturen von rund 15 Millionen Grad Wasserstoff-Atomkerne zu Helium verbrennt. Die frei werdende Energie quetscht sich als Wärmestrahlung durch die sehr dichte Materie langsam nach außen. Erst auf dem letzten Drittel des rund 700.000 Kilometer langen Wegs an die Oberfläche tragen Strömungen aus Wasserstoff und Helium diese Energie weiter nach außen.

Auf diesem langen Weg ist die Materie erheblich abgekühlt, an der Oberfläche der Sonne messen Astrophysiker gerade noch 5500 Grad Celsius. Während Wasserstoff und Helium unter dieser Oberfläche extrem dicht gepackt sind, fällt die Dichte dort drastisch ab. Zum ersten Mal seit dem Kern beginnt die Materie durchsichtig zu werden. Nach den Gesetzen der Physik strahlt die Materie bei dieser Temperatur Licht ab, das vorwiegend grüngelb ist. Andere Farben sind schwächer, ultraviolettes Licht kommt von der Sonnenoberfläche praktisch gar nicht. Dieser Teil des Spektrums muss also in der oberen Atmosphäre der Sonne entstehen und das bei deutlich höheren Temperaturen.

Die Atmosphäre kühlt erst einmal weiter bis auf 4500 Grad Celsius ab. Die Schicht zwischen der Oberfläche und dieser Temperaturgrenze nennen Astrophysiker "Photosphäre". In ihr fällt die Dichte der Materie aus Wasserstoff und Helium immer weiter ab. Die Schwingungen der aus der Sonne kommenden Schallwellen werden immer größer. "Ähnliches passiert in einer Wasserwelle, die umso steiler aufläuft, je flacher das Wasser am Strand wird", so Peter. Vor der Küste bricht die Welle, und auch die Wellen aus der Sonne verlieren in der Nähe der 4500-Grad-Grenze ihre Ordnung. Die ungeordnete Bewegung solcher Gasteilchen ist nichts anderes als Wärme - die Sonnenatmosphäre wird weiter oben wieder heißer.

Jedoch liefern die brechenden Wellen nur einen Teil der Hitze, die sich bis zu den äußeren Bereichen der Sonnenatmosphäre, der Korona, auf mehr als eine Million Grad steigert. Der große Rest geht auf das Konto von Magnetfeldern. In der Übergangsregion zur äußersten Atmosphärenschicht werden so 100.000 Grad erreicht.

Obwohl die Vorgänge gut bekannt sind, verstehen Sonnenphysiker viele Details noch nicht. Je mehr Flecken mit niedrigerer Temperatur die Astronomen etwa auf der Oberfläche der Sonne sehen, desto stärker ist das globale Magnetfeld. Die Zahl der Sonnenflecken schwankt normalerweise in einem Rhythmus von elf Jahren kräftig. Manchmal gibt es kaum Sonnenflecken, fünf oder sechs Jahre später auffällig viele. Diese Zyklen blieben zwischen 1645 und 1715 jedoch aus. In dieser Zeit fehlten nicht nur die Flecken, sondern strahlte die Sonne auch weniger Energie ab. Das reichte, um in Europa die kleine Eiszeit auszulösen.

Die Magnetfelder aber, die mit der Sonnenfleckenzahl eng gekoppelt scheinen, schwankten in dieser Zeit fehlender Sonnenflecken in ihrem normalen Rhythmus weiter. Was ging damals vor? Diese Frage beschäftigt Klimaforscher, da sich solche Ausfälle der Sonnenflecken alle 300 bis 500 Jahre zu wiederholen scheinen.

Superzellen und Sonnenwinde

Beantworten können die Forscher das nur, wenn sie Details dieser Vorgänge mit Teleskopen wie dem 2013 gestarteten Nasa-Satelliten Iris beobachten. Dieser analysiert die in der Sonnenatmosphäre entstehende ultraviolette Strahlung. "Damit aber entdecken wir Details, die wir vorher einfach nicht sehen konnten", sagt Peter. Mit Iris entdeckte er in den Regionen mit Sonnenflecken-Aktivität relativ kleine Gebiete mit einem Durchmesser von 500 bis 700 Kilometern, die mit rund 100.000 Grad fast 20-mal heißer als ihre unmittelbare Umgebung sind.

US-amerikanische und norwegische Forscher haben mit Iris eine Reihe weiterer, niemals zuvor beobachteter Vorgänge in der Sonnenatmosphäre gefunden. Am Rande von Superzellen mit einem Durchmesser von 20.000 Kilometern sehen sie kleine Bögen, an deren Spitze die Atmosphäre stark aufgeheizt und als kräftiger Strahl weggeschleudert wird. Dort könnte einer der Ursprünge eines "Sonnenwind" genannten Stroms elektrisch geladener Teilchen liegen, der ins All weht. Andere Forscher fanden Hinweise auf verdrillte Magnetfelder und damit auf die wichtige Heizung in der Atmosphäre. Die Geheimnisse der Sonne lichten sich langsam, und die Forscher verstehen unseren Stern wieder ein wenig besser.