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Heiße Pensionsdebatte in den USA

Von Christiane Oelrich

Politik

Washington - Ungeachtet zahlreicher Kritiker prescht US-Präsident George W. Bush mit einem seiner größten Reformvorhaben, der Teilprivatisierung der staatlichen Altersvorsorge, vor.


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Der Zwischenbericht, den seine Pensionskommission nach wenigen Monaten Arbeit jetzt vorgelegt hat, ist politischer Sprengstoff. Befürworter halten die Privatisierung für ein Patentrezept zur Lösung der Armutsprobleme der Alten, Kritiker sprechen von einem Bankrott staatlicher Fürsorge.

Bush will Arbeitnehmern erlauben, einen Teil ihrer Beiträge an die staatliche Pensionskasse auf ein privates Konto zur Altersvorsorge abzuzweigen und Gewinn bringend an der Börse anzulegen. Damit erreiche jeder mehr Kontrolle über seine Altersvorsorge. Zudem kämen die Früchte dieser Sparanstrengungen auch den Erben zugute.

Wenn die geburtenstarken Jahrgänge ins Pensionsalter kämen, spätestens in 15 Jahren, würden die Ausgaben der Pensionsversicherung die Einnahmen überschreiten, warnt die Kommission. Um die Zahlungen aufrecht zu erhalten, müssten die Beiträge drastisch erhöht oder die Pensionen empfindlich gekürzt werden. Anderenfalls drohe eine riesige Neuverschuldung der Regierung. Daher die einzige Lösung: private Konten.

"Ein politisches Dokument, das die Öffentlichkeit aufhetzen soll anzunehmen, das System sei in einem so schlechten Zustand, dass eine Radikallösung nötig ist", wetterte der demokratische Abgeordnete Robert Matsui. "Die Kommission versucht, eine Krise herbeizureden, wo keine ist", meinte der ehemalige Vizepräsident der Notenbank, Alan Blinder. "Es ist unverantwortlich, die Leute einzuschüchtern." Seiner Ansicht nach könnte das System nach 2016 mit einer mäßigen Erhöhung der Abgaben um weniger als ein Prozent bestens weiterexistieren.

Die Beiträge zur US-Pensionskasse betragen derzeit 12,4 Prozent, je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu zahlen. Die Pensionen richten sich nach dem Verdienst, betragen im Schnitt aber nicht mehr als 30 bis 40 Prozent des Einkommens. Nach den Vorstellungen Bushs sollen Arbeitnehmer 2 Prozent der Beiträge abzweigen können.

Bush hatte die Reform der Pensionsvorsorge zu einem seiner wichtigsten Wahlkampfthemen gemacht. "Auch die Armen Amerikas sollen am Börsensegen unseres Landes teilhaben können", sagte er im vergangenen Jahr. Der Absturz der Aktienbörsen beunruhigt die Verfechter der Privatisierung nicht. Langfristig sei jede Aktienanlage lukrativer als die Einzahlung in die staatliche Pensionskasse, argumentieren sie.

Allerdings haben viele Amerikaner ohnehin private Alltagsvorsorge getroffen, um die magere Staatsrente zu ergänzen. Das Geld ist auch überwiegend in Aktien angelegt. "Wer soll die ganzen Aktien kaufen, die zur Finanzierung des Lebensabends verkauft werden?" fragt der Pensionsexperte Thornton Parker.

Die Ausfälle in der Pensionskasse, die entstehen würden, sobald Arbeitnehmer einen Teil ihrer Beiträge privat anlegen, sollen mit Hilfe der Haushaltsüberschüsse finanziert werden. Die allerdings gehen wegen der Wirtschaftsflaute bereits zurück, und Bush hat mit einem ambitiösen Steuersenkungsprogramm, das die Staatseinnahmen in den nächsten zehn Jahren um 1,35 Billionen Dollar (1.543 Mrd. Euro/21.228 Mrd. S) reduziert, seinen Handlungsspielraum bereits eingeengt, warnen die Kritiker.

Die Kommission will im Herbst konkrete Vorschläge veröffentlichen, wie die Teilprivatisierung bewerkstelligt werden kann.