Berlin - Inkompetent, unausgegoren, populistisch - die Kritik von Grünen, Gewerkschaften und aus der SPD riss am Montag nicht ab. Die Zielscheibe war SPD-Vize Rudolf Scharping, der jungen Sozialhilfeempfängern das Geld streichen will, wenn sie eine Arbeit ablehnen. Das gleiche will auch Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der damit schon Anfang August in die Offensive ging - und dafür heftige Kritik auch aus der SPD erntete.
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Dass Scharping nun ähnliche Töne anschlug, löste tiefe Entrüstung in den eigenen Reihen aus. "Populismus wird nicht besser, wenn er auch von Sozialdemokraten geäußert wird", wetterte Hessens SPD-Chef Gerhard Bökel. Scharping und Koch kämpfen um die "Lufthoheit über den Stammtischen", schimpfte ver.di-Vorstandsmitglied Christian Zahn. Und NRW-Sozialminister Harald Schartau (SPD) warnte vor einem "Wettbewerb darum, wer den dicksten Holzhammer herausholt".
Die Genossen sind irritiert
Die neue Allianz zwischen dem CDU-Hardliner aus Hessen und dem Chef der SPD-Grundwertekommission irritiert die Genossen. Ein Jahr vor der Bundestagswahl klingen die scharfen Töne im Umgang mit Sozialhilfeempfängern vor allem nach Wahlkampf. "Faulenzer" zum Arbeiten bringen und "Drückebergern" das Geld streichen - Forderungen, die angesichts hoher Arbeitslosigkeit und schwacher Konjunktur ihre Anhänger finden dürften. Dabei war bereits nach Kochs Vorstoß das Thema breit erörtert worden: Schon jetzt können beim Ablehnen einer Arbeit die Bezüge gekürzt werden, betonten Arbeitsministerium, Gewerkschaften, Städtetag und die rot-grüne Koalition. Außerdem werde in Städten und Gemeinden die Integration von Sozialhilfeempfängern ins Arbeitsleben längst praktiziert. Auch wird immer wieder auf die hohe Zahl alleinerziehender Mütter verwiesen, für deren Kinder erst einmal Betreuungsmöglichkeiten gefunden werden müssten.
Der saarländische SPD-Vorsitzende Heiko Maas warnte seine Partei denn auch vor einer Wende in der Sozialpolitik. "Ich bin es langsam satt, dass man bei diesen Reformvorschlägen immer bei den Schwächsten unserer Gesellschaft beginnt", beschwerte er sich. "Nur eine verschwindende Minderheit der Hilfeempfänger missbraucht soziale Leistungen", sagte auch Berlins Sozialsenatorin Gabriele Schöttler (SPD).
Und die hessische Sozialpolitikerin Petra Fuhrmann (SPD) warnte davor, das Thema in dieser Form weiterzuführen. "Wenn Herr Scharping diese Vorschläge auf dem SPD-Parteitag einbringen sollte, dann werden wir eine sehr scharfe Debatte haben", kündigte sie drohend an. Statt auf Druck zu setzen, müsse noch mehr getan werden, um Arbeit für die knapp 2,8 Millionen Sozialhilfeempfängern zu schaffen, forderte sie.
Die Warnungen der SPD-Landespolitiker an die Adresse von Scharping waren unmissverständlich. Schnell versuchte deshalb auch die SPD-Spitze, der Diskussion die Schärfe zu nehmen. Der stellvertretende Parteivorsitzende sei "in Teilen auch falsch interpretiert worden", sagte ein SPD-Sprecher in Berlin. Generalsekretär Franz Müntefering betonte, dass Sozialhilfeempfängern auch künftig das Existenzminimum gewährleistet werden müsse.
Ziel sei es nicht, Sozialhilfeempfänger zu bestrafen, sondern jungen Leuten zu helfen und sie in den Arbeitsmarkt zu bringen. Auch NRW-Minister Schartau bemühte sich, den Vorstoß Scharpings positiv zu deuten - allerdings mit unverhohlen ironischem Unterton: Nordrhein-Westfalen begrüße das "ehrgeiziges Ziel", dass Scharping jedem Jugendlichen eine "Arbeitsplatz-Garantie" geben wolle, merkte der SPD-Minister süffisant an.