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Heißer Streit über Emissionshandel

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Wirtschaft

CO2-Zertifikate sollen künftig kosten. | "Industriestandort EU ist gefährdet." | Brüssel. "Unbefriedigend" findet der ÖVP-Europaabgeordnete Richard Seeber das Ergebnis der Abstimmung über den Emissionshandel im einflussreichen Umweltausschuss des EU-Parlaments. Dieser hat mit 46 zu 20 Stimmen den Kurs der EU-Kommission zur Versteigerung der CO2-Zertifikate ab 2013 bestätigt, mit dem die gemeinsamen Klimaziele erreicht werden sollen. 70 bis 80 Mrd. Euro würden aus der Industrie abgeschöpft; die EU als Industriestandort wäre ohne zusätzlichen Nutzen für den Klimaschutz gefährdet, warnt der Tiroler. Dass die Industrie ihre Emissionen bis 2020 gegenüber 2005 um 21 Prozent reduzieren müsse, sei unbestritten. Doch gerade angesichts der aktuellen Finanzkrise müsse der günstigste Weg dorthin gewählt werden.


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EVP wurde überstimmt

So hatten sich die meisten Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP) den Industrieforderungen angeschlossen: Um einen Wettbewerbsnachteil gegenüber USA und Asien zu verhindern, sollten die Zertifikate in energieintensiven Branchen wie Aluminium- oder Stahlproduktion bis zum Abschluss eines internationalen Klimaabkommens gratis nach einem Benchmark-System zugeteilt werden: Die sauberste Industrieanlage wäre demnach die Richtmarke, stärker die Umwelt verschmutzende Anlagen müssten die Emissionsrechte für zusätzlichen Schadstoffausstoß ersteigern. Der Klimaschutzeffekt bliebe der gleiche, weil die Menge der verfügbaren Zertifikate ohnehin jährlich reduziert würde.

Dieser Standpunkt wurde jedoch von den sozialdemokratischen und grünen Abgeordneten sowie britischen EVP-Vertretern überstimmt. Laut Ergebnis muss ab 2013 ein bis 2020 auf 100 Prozent steigender Anteil der Verschmutzungsrechte ersteigert werden. Energieintensive Branchen sollen zwar weiterhin "bis zu 100 Prozent" gratis zugeteilt bekommen. Doch welche Branchen das sind, soll die EU-Kommission "selbstherrlich" bestimmen dürfen, sagt Seeber.

Das Votum sei noch "nicht das Ende der Debatte", beschwichtigt der SPÖ-Europaabgeordnete Hannes Swoboda. Der Aufschrei der EVP sei übertrieben. Wenn die Industrie "im Einzelnen konkrete Probleme nachweisen kann", werde wohl noch darauf eingegangen. Dass es noch heuer eine Einigung auf den neuen Emissionshandel mit den Mitgliedsstaaten geben werde, können sich weder Swoboda noch Seeber vorstellen.

IV sieht "Kostenlawine"

Eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Abgeordneten habe die "völlig überzogenen Forderungen der Industrielobby nach der freien Zuteilung von Emissionszertifikaten zurückgewiesen", freute sich Helmut Weixler, Sprecher der Grünen im EU-Parlament. Es handle sich um einen Betrag von maximal 50 Mrd. Euro, der der Industrie gar nicht verloren gehe. Das Geld werde in Klimaschutzprojekte "hier und in der Dritten Welt" investiert.

Eine "Kostenlawine ungeahnten Ausmaßes" sieht hingegen Veit Sorger, Präsident der Industriellenvereinigung, auf die Unternehmen zurollen: "Sollte sich dieser Ansatz auch im Rat durchsetzen, wird sich die energieintensive Industrie schrittweise aus Europa verabschieden." Allein in Österreich gebe es in diesem Bereich mehr als 170.000 Arbeitsplätze, die gefährdet würden.