Offene Fronten bei Emissionshandel. | Gute Chancen für erneuerbare Energien. | Verhandlungsabschluss ist Chefsache. | Brüssel. Die Vertreter der Mitgliedsstaaten und des Europäischen Parlaments verhandeln Tag und Nacht. Denn die Franzosen, die derzeit den EU-Vorsitz innehaben, wollen beim EU-Gipfel nächste Woche unbedingt eine Einigung auf das Klimaschutzpaket erzielen. Als letzte Vorstufe rangen die EU-Umweltminister gestern, Donnerstag, um eine Annäherung.
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Zentraler Punkt sind zwei neue EU-Gesetze zur Verwirklichung der EU-Ziele von 20 Prozent weniger Treibhausgasemissionen und mindestens 20 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen im EU-Schnitt bis 2020. Ein großer Teil des ersten Ziels soll über die Neuauflage des Emissionshandels ab 2013 geschafft werden. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten müsse zwar die Industrie und damit die Arbeitsplätze geschützt werden, sagte der neue österreichische Umweltminister Niki Berlakovich bei seinem ersten Auftritt am Brüsseler Parkett. Dabei dürfe jedoch nicht der Klimaschutz zu Grabe getragen werden.
Strittige Industriezweige
Die Verhandlungen ranken sich darum, welche Industriezweige ihre Emissionszertifikate künftig ersteigern müssen. Denn es bestehe die Gefahr, dass Unternehmen wegen der erhöhten Kosten gegenüber ihren Nicht-EU-Konkurrenten ins Hintertreffen geraten und abwanderten, warnt die Industrielobby.
Wichtige Länder wie Deutschland haben viel Verständnis für diese Argumentation. Frankreich schlägt nun recht weit reichende Ausnahmeregelungen vor, wie die "Wiener Zeitung" berichtete: Energieintensive Branchen sollen ihre Verschmutzungsrechte weiterhin zu 80 bis 100 Prozent gratis zugeteilt bekommen. Das wären alle Sektoren, deren Produktionskosten durch die Versteigerung um mehr als fünf Prozent steigen würden und mehr als zehn Prozent ihres Handels mit Nicht-EU-Staaten abwickeln; zusätzlich noch jene, die unabhängig von ihren Geschäftsbeziehungen mit einer Steigerung der Produktionskosten um 30 Prozent rechnen müssten. Das deckte jedenfalls die Eisen-, Stahl-, Aluminium-, Papier- und Zementherstellung sowie große Teile der Chemieindustrie ab. Laut EU-Kommission könnten bis zu 90 Prozent aller Branchen von der Definition erfasst sein.
Entgegenkommen wollen die Franzosen auch den neuen Mitgliedsstaaten. Diese sträuben sich dagegen, dass die Stromerzeuger ihre Zertifikate künftig zu 100 Prozent ersteigern müssten. Das sei wegen des großen Anteils der extrem CO2-intensiven Kohlekraftwerke nicht finanzierbar, beharrt eine Gruppe von Ländern hinter Polen. Jetzt schlägt Paris eine Übergangsphase für jene Staaten vor, die mehr als 30 Prozent ihrer Energie aus Kohle beziehen, ein BIP pro Kopf von weniger als der Hälfte des EU-Schnitts und keine ausreichende Anbindung ans EU-Stromnetz haben.
Neun Mitglieder müssten die Zertifikate für ihre Stromerzeuger erst 2016 voll versteigern. Ob diese Zuckerln ausreichen, trauen sich Diplomaten noch nicht zu beurteilen.
Sehr gut sehe es dagegen für eine Einigung bei den erneuerbaren Energiequellen wie Wasser, Wind, Sonne und Biomasse aus. Österreich ist mit seiner nationalen Vorgabe von mindestens 34 Prozent bis 2020 noch unzufrieden. Das Land habe mit fast 24 Prozent schon heute ein hohes Niveau, was von Brüssel nicht angerechnet worden sei. Die Chancen auf eine Änderung sind gering: Frankreich hat bisher jede Diskussion abgeblockt.