Auch Multi-Milliarden-Unternehmen | entdecken ihre Ader für soziale Geschäfte.
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Wien. Warum gründet jemand ein Unternehmen? Möglicherweise deswegen, weil er genug davon hat, für andere zu arbeiten und endlich sein eigner Chef sein will. Vielleicht auch weil er sich selbst verwirklichen will und dafür im Berufsleben keine andere Möglichkeit sieht. In jedem Fall aber werden Unternehmen - sofern man den betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern glaubt - gegründet, um damit Geld zu verdienen. Wer reich werden will, muss Unternehmer werden.
Ahad Mohammad Bhai und Murlay Srinarayabthas wollen mit ihrem Unternehmen nicht reich werden, sie wollen helfen. Vor einigen Jahren haben die beiden jungen, gut ausgebildeten Bangladeschis mit ihrer Firma Panthersocial begonnen, die traditionellen Fahrradrikschas in ihrem Heimatland als fahrenden Werbeflächen umzufunktionieren. Für eine gewisse Summe können lokale Unternehmen ihres Logos und Botschaften auf eine Rikscha malen lassen. Das Geld, das damit zusätzlich zum Fuhrlohn verdient wird, fließt zu einem Teil auf das Sparkonto des jeweiligen Fahrers, der Rest wird in Gesundheits- oder Ausbildungsprogramme investiert. Nach drei Jahren schließlich bekommen die Fahrer, die zumeist zu den Ärmsten der Armen in Bangladesch gehören und Tag für Tag ums Überleben kämpfen müssen, ihr Sparguthaben ausbezahlt. Viele von ihnen können sich dann sogar eine eigene Rikscha kaufen und wirtschaftlich selbständig werden.
Reich will auch Andres Felipe Martinez Gomez mit seiner Firma Vitalius nicht werden. Der Kolumbianer hat Panela, ein auf Zuckrohrmelasse basierendes und in Teilen von Mittelamerika sehr beliebtes Lebensmittel, mit zusätzlichen Vitaminen versetzt. In den nächsten Jahren, so hofft Gomez, wird sein Produkt zum fixen Bestandteil der Schulmahlzeiten werden und damit die Vitaminmangelerkrankungen in Kolumbien deutlich reduzieren.
Bhai, Srinarayabthas und Gomez betreiben sogenannte Social Businesses, ein Konzept, das der aus Bangladesch stammende Wirtschaftsprofessor Muhammad Yunus, der 2006 für seine Mikrokredit-Idee mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Social Businesses werden nicht gegründet um Profit zu machen, sondern um gewisse soziale Probleme lösen, sei es nun Armut, Umweltverschmutzung oder mangelnde Bildung. Wird Gewinn erwirtschaftet, wird dieser dazu verwendet, das Unternehmen wachsen zu lassen und weiteren Menschen zu helfen. Der Unternehmergeist des Einzelnen und die Innovationskraft des privten Sektors sollen dabei das Unternehmen wirtschaftlich überlebensfähig halten und jene Lücken schließen, die der Staat und traditionelle Hilfsorganisationen nicht zu füllen vermögen.
Gründer und Dünger
Vor allem durch das Engagement und die Bekanntheit von Yunus hat die Idee zuletzt stark an Fahrt gewonnen. Beim Global Social Business Summit, der von Donnerstag bis Samstag im Austria Center in Wien abgehalten wurde, kamen bereits mehr als 600 Sozialunternehmer zusammen, um ihre Erfahrungen auszutauschen und neue Ideen zu sammeln.
Wurden Social Businesses in den ersten Jahren vor allem durch Einzelpersonen oder kleinere Gruppen wie die Rikscha-Unternehmer Bhai und Srinarayabthas getragen, entdecken nun zunehmend auch Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen diese Idee für sich. "Wenn man ein großes Unternehmen ist, dem es gut geht, hat man auch Verantwortung", sagt John Davies, Vizepräsident von Intel. "Und wir haben die Technologie um anderen zu helfen und etwas zurückzugeben."
Zu helfen versucht der Chiphersteller etwa mit einer Software zur Analyse der Ackerböden armer Bauern in Afrika. Diese bringen Erdproben in kleinen Plastiksäckchen zu einer Analysestelle, wo gegen eine geringere Gebühr ermittelt wird, welche Nährstoffe dem Boden fehlen. Nach der Auswertung erhält der Bauer dann eine Empfehlung für den Einsatz des richtigen Düngers. Die Ernteerträge konnten dadurch beträchtlich gesteigert werden.
Der Software-Gigant SAP wiederum betreibt seit einigen Jahren in Haiti ein Zentrum, das Entrepreneure bei der Gründung eines Unternehmens unterstützt und damit Perspektiven in dem immer noch stark an den Folgen des verheerenden Erdbebens leidenden Landes schafft. Seit Beginn des Projekts wurden sieben neue Firmen gegründet, 18 weitere stehen kurz davor.
Nicht nur Wohltäter
Die Großunternehmen verfügen bei ihren Social-Business-Projekten in vielen Fällen auch über mehr Durchschlagskraft, neben dem Kapital können sie auch Technologie und Talent in entsprechendem Maße bereitstellen. Allerdings sieht man sich nicht ausschließlich als Wohltäter. "Gesellschaftliches Engagement ist nur dann wirklich sinnvoll, wenn man es so ausrichtet, dass auch die Firma langfristig etwas davon hat, weil sonst führt das irgendwann niemand fort", sagt Hubertus Külps, Chef der globalen Konzernkommunikation bei SAP. Die Win-win-Situation sei entscheidend.
Der Nutzen entsteht für die Großunternehmen dabei mitunter auf ganz unterschiedliche Art. Wenn SAP in Haiti bei der Unternehmungsgründung hilft, bereitet es dort zugleich auch den Markt für die Kunden von morgen auf. Wird eine mobiltelefonbasierte Softwarelösung für Sheanuss-Produzentinnen in Ghana entwickelt, mit deren Hilfe diese gegenüber den Zwischenhändlern als verhandlungsstärkere Gruppe auftreten können, lässt sich dieses System später vielleicht als einfaches Mobile-Banking verkaufen. Und wenn Intel mit seinen Classmate-Computern Kindern in der Dritten Welt einen robusten Billig-Laptop in die Hand gibt, wachsen damit nicht nur Bildungschancen, sondern auch der globale Internetverkehr. Und der wird zu einem Gutteil auf Rechnern mit Intel-Prozessoren abgewickelt. "Was gut für die Menschen ist, ist letztendlich auch gut fürs Geschäft", sagt Davies. In den nächsten fünf Jahren, so hofft er, wird Intel zusätzlich zu den Classmate-Computern Millionen von einfachen Tablets, die einem ähnlichen Konzept folgen, an die Regierungen von Entwicklungs- und Schwellenländern verkaufen können.