Zum Hauptinhalt springen

"Helfen im Notfall-Modus"

Von Gerhard Lechner

Politik

Nahrungsmittelknappheit und Konflikt um Erdöl lösen Flüchtlingskatastrophe aus.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Bart Janssens leitet die Projektabteilung der medizinischen Nothilfeorganisation "Ärzte ohne Grenzen" in Brüssel. Derzeit befindet sich der Mediziner im Flüchtlingslager Batil im südsudanesischen Krisengebiet. Die "Wiener Zeitung" hat den Belgier am Telefon erreicht.

HHHHH

"Wiener Zeitung":Mehr als 170.000 Menschen sind aus den sudanesischen Gebieten Süd-Kordofan und Blauer Nil nach Südsudan geflüchtet. Wie prekär ist die Lage in den von "Ärzte ohne Grenzen" betreuten Lagern?Bart Janssens: Katastrophal - obwohl unsere Ärzte rund um die Uhr arbeiten, um Leben zu retten. Dennoch kommen im Lager Yida seit Juni durchschnittlich fünf Kinder pro Tag ums Leben. Und die Dunkelziffer steigt: Vergangene Woche starben bereits 40 Kinder, diese Woche werden es leider noch mehr sein. Hier in Batil ist jedes dritte Kind unterernährt. Krankheiten wie Durchfall, Malaria und Atemwegsinfektionen breiten sich aus. Kein Wunder, wenn man sich vor Augen hält, was die Flüchtlinge durchgemacht haben.

Was erzählen die Menschen über ihre Flucht?

Es müssen sich Katastrophen abgespielt haben. Immer wieder wird davon erzählt, die sudanesische Armee hätte Märkte in den Dörfern bombardiert, weswegen man aufgebrochen sei. An der Staatsgrenze zum Südsudan hat man die Menschen offenbar lange festgehalten, erst nach wochenlangen Fußmärschen erreichten sie unsere Lager - in extrem geschwächtem Zustand. Viele dürften die Tortur nicht überlebt haben. Sie sind am Weg gestorben.

Angesichts dieser katastrophalen Situation - reichen die Kapazitäten von "Ärzte ohne Grenzen" aus, diese humanitäre Krise zu bewältigen?

Nein, obwohl wir tun, was wir können. "Ärzte ohne Grenzen" hat bereits 20 Millionen Euro an Hilfsgeldern eingesetzt, schon nächste Woche weiten wir das Programm aus. Im Moment können wir nur die schwersten Krankheitsfälle, darunter unterernährte Kinder, mit dem nötigen, speziellen Essen versorgen. Wir müssten aber alle Kinder erreichen, um den Tod von noch mehr Menschen zu verhindern.

Erhalten Sie Unterstützung durch andere Hilfsorganisationen?

Ja, aber alle sind am Limit. Auch wir arbeiten permanent im Notfall-Modus. Und viele kleinere Hilfsorganisationen verfügen nicht über die Möglichkeiten, eine Katastrophe dieses Ausmaßes zu bewältigen. Zudem hat die Regenzeit alles aufgeweicht, Zugangsstraßen sind kaum passierbar. Vor allem aber fehlt es an sanitären Einrichtungen. Beispielsweise gibt es für 50.000 Menschen nur 700 Latrinen. Sauberes Trinkwasser zu bekommen, stellt ebenfalls ein Problem dar. Die häufigste Todesursache in den Lagern ist derzeit Durchfall.

Spendenkonto PSK:930.40.950, BLZ: 60.000