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Helfen Schulden gegen Überschuldung?

Von Christian Ortner

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Nur ein paar Tage, bevor Portugal von der EU vor der Staatspleite gerettet werden musste, schrieb sich der renommierte deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn in der "Süddeutschen Zeitung" seinen heiligen Zorn von der Seele: "Nicht die weitere Öffnung des Geldhahns", ärgerte sich der Professor, "sondern allein eine Prozedur, die seine allmähliche, kontrollierte Schließung sicherstellt, kann Europa jetzt noch retten. Der Pakt für den Euro und der sogenannte Europäische Stabilitätsmechanismus aber schwächen den Euro, unterminieren Europas Zusammenhalt, gefährden das europäische Einigungswerk."


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Die Realität scherte sich freilich nicht im Geringsten um die Argumente des Ökonomen. Im Gegenteil: EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso drehte den Geldhahn ganz weit auf und sagte seinem Heimatland viele Milliarden Euro an Krediten zu, um Portugals Pleite abzuwenden.

Der Mechanismus, mit dessen Hilfe das erreicht werden soll, ist simpel: Noch leidlich kreditwürdige Staaten wie Österreich machen zusätzliche Schulden, um damit Ländern wie Portugal zusätzliche Kredite (oder Haftungen) zu gewähren, mit denen diese zumindest die Zinsen ihres riesigen Schuldengebirges weiter bedienen und alte Kredite durch neue ersetzen können. Um die Probleme, die durch Überschuldung entstanden sind, zu lösen, werden also riesige neue Schulden gemacht - Bernard Madoffs Geschäfte waren dagegen geradezu ein Ausbund an gelebter kaufmännischer Sorgfaltspflicht.

Mit den gewaltigen Milliarden-Transfers wird höchstens ein wenig Zeit erkauft, mehr nicht. Weder Portugal noch Griechenland werden imstande sein, ihre Schulden ohne eine Form der Insolvenz auf ein tragbares Maß zu reduzieren. Zum Teil, weil sich das rein mathematisch nicht mehr ausgeht, zum Teil, weil die nötigen Wohlstandseinbußen für die Bevölkerung politisch nicht durchsetzbar sein werden. Am Ende wird höchstwahrscheinlich der heimische Steuerzahler dem schlechten Geld auch noch gutes nachgeworfen haben. Und zwar in atemberaubendem Ausmaß: Allein Deutschland haftet, so Sinn, mittlerweile mit 319 Milliarden Euro für die Pleitekandidaten.

Diese Haftungen, verspricht uns nun die Politik, werden ja nicht schlagend werden. Na klar: Versprochen wurde uns ja ursprünglich auch, dass es in der Eurozone keine Haftung für andere Mitglieder geben werde - und jetzt gibt es sie doch. Versprochen wurde uns, dass Griechenland, Irland und Portugal keine Milliarden-Hilfen brauchen würden - jetzt haben sie welche. Damit ist die Glaubwürdigkeit der Versicherung, die Haftungen würden nicht schlagend, hinreichend beschrieben. Die Geschichte der "Euro-Rettung" ist mittlerweile eine Aneinanderreihung gebrochener politischer Versprechen.

Der Wähler ist darob, nicht nur in Österreich, völlig zu Recht nur mäßig amüsiert. Dass - ausgerechnet - die FPÖ mittlerweile in den Umfragen zur stärksten Partei geworden ist, wird nicht zuletzt mit diesen vielfach gebrochenen Versprechen ursächlich zusammenhängen.