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Mann wollte Autofahrer warnen und wurde verletzt. | Versicherung warf Mitverschulden vor. | Wien.Die Situation war gefährlich und ein Unfall mehr als wahrscheinlich. Ein Pkw war gegen die Mittelleitschiene einer Autobahn geprallt und blockierte die linke Fahrspur, ein mutiger Autofahrer wollte helfen. Der Mann hielt an und lief entgegen dem Verkehr, um die nachfolgenden Autofahrer zu warnen und ein Pannendreieck aufzustellen.
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Sein Vorgehen sollte unangenehme Folgen für ihn haben: Ein herankommender Sattelschlepper war zu schnell unterwegs, sein Lenker reagierte zu spät. Der Fahrer bremste zwar, geriet aber mit seinem Fahrzeug gegen die Mittelleitschiene und streifte auch den Helfer, der noch versucht hatte, sich durch einen Sprung über die Leitschiene in Sicherheit zu bringen.
Der hilfsbereite Autofahrer wurde schwer verletzt. Er stellte entsprechende Ansprüche an die Haftpflichtversicherung des Sattelschleppers. Aber diese wollte nur einen Teil der Forderung anerkennen. Die Versicherung warf dem Verletzten vor, er hätte gegen Paragraf 46 Absatz 1 der Straßenverkehrsordnung verstoßen, der ausdrücklich jeden "Fußgängerverkehr" auf Autobahnen verbietet. Deshalb müsste der Helfer zumindest einen Teil des Schadens selbst tragen.
Der Verletzte sah das freilich nicht so und klagte die Versicherung auf den gesamten, ihm zustehenden Betrag. Die Gegenseite beharrte auf ihrem Standpunkt und bewertete das Mitverschulden des "Fußgängers" mit einem Drittel. Darüber hinaus machte sie auch noch geltend, der ohnehin nicht ganz erfolgreiche Sprung über die Mittelleitschiene sei zu spät erfolgt.
Fußgänger-Verbot
Die mit der Sache befassten Gerichte konnten den Argumenten der Versicherung nichts abgewinnen. Auch der Oberste Gerichtshof (OGH), vor dem der Fall schließlich landete, verwies auf seine bisherige Rechtsprechung (2 Ob104/08w). Das Höchstgericht hat wiederholt ausgesprochen dass es kein "verbotener Fußgängerverkehr" ist, wenn jemand die Autobahn betritt, um dort Hilfe zu leisten. Der OGH führte als Beispiel eine Kfz-Lenkerin an, die auf die Autobahn gelaufen war, um einem verletzten und nach einem Unfall offenbar verwirrten Autofahrer zu helfen. Auch bei ihr war kein Mitverschulden vorgelegen.
Dass der Autolenker im gegenständlichen Fall um Sekundenbruchteile zu spät den Sprung über die Mittelleitschiene gewagt hatte, sahen die Gerichte angesichts der Situation nicht als Mitverschulden an. Die Versicherung verlor den Prozess auch in letzter Instanz.
Dr. Gernot Stöger ist ehemaliger Richter und war zuletzt als Vorsteher des Bezirksgerichtes Bruck an der Leitha tätig.